Bauwelt

Ein wenig Offenheit

Neubau des Strafjustizzentrums in Nürnberg

Text: Kleilein, Doris, Berlin

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    Der Justizpalast im Winter 1945/46. Rechts, etwas zurückversetzt, der Ostbau, in dem das Militärtribunal tagte. Im Norden das Gefängnis, in dem die Hauptkriegsverbrecher inhaftiert waren.
    Stadtarchiv Nürnberg

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    Der Justizpalast im Winter 1945/46. Rechts, etwas zurückversetzt, der Ostbau, in dem das Militärtribunal tagte. Im Norden das Gefängnis, in dem die Hauptkriegsverbrecher inhaftiert waren.

    Stadtarchiv Nürnberg

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1. Preis: ZILA, Atelier Loidl

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1. Preis: ZILA, Atelier Loidl


Ein wenig Offenheit

Neubau des Strafjustizzentrums in Nürnberg

Text: Kleilein, Doris, Berlin

Während der Nürnberger Prozesse 1945–46 stand der Justizpalast im Fokus der Weltöffentlichkeit. Der Schwurgerichtssaal 600, in dem sich die Hauptkriegsverbrecher der NS-Zeit verantworten mussten, ist bis heute in Betrieb und soll in Zukunft Museum werden. Diesen längst überfälligen Schritt soll ein Neubau ermöglichen, durch den der Altbau entlastet und das abweisend wirkende Areal mit Justiz und Strafvollzug städtebaulich eingebunden wird.
Der Nürnberger Justizpalast, der größte seiner Art in Bayern, dominiert mit mächtigen Steildächern einen beträchtlichen Abschnitt der viel befahrenen Fürther Straße im Westen der Stadt. 1916 nach den Plänen des Baubeamten Hugo von Höfl im Stil der „Deutschen Renaissance“ erbaut, schließt die Hofanlage an die Nürnberger Justizvollzugsanstalt an und bildet mit dieser ein Areal von der Größe eines Stadtviertels. Für den Erweiterungsbau hat der Freistaat Bayern nun ein zwei Hektar großes Grundstück der Nürnberger Verkehrsbetriebe erworben, das, weit­gehend Brache, direkt an den vierten, nach Westen hin offenen Hof des denkmalgeschützten Justizpalastes angrenzt. Dieser Hof, so der Wunsch der Auslober, soll in einem ersten Bauabschnitt mit einem Neubau geschlossen werden, der zugleich ein repräsentatives Entrée in das nicht gerade einladende Ensemble formuliert. Mit dem Neubau wird in erster Linie der bestehende Ostbau des Justizpalastes entlastet werden – um dann endlich den Sitzungssaal 600, in dem die Prozesse gegen die Repräsentanten des nationalsozialistische Terrorregimes stattfand, durchgängig für Besucher zugänglich zu machen. Bislang kann der Saal nur in verhandlungsfreien Zeiten besichtigt werden, da dort bis heute das Landgericht Nürnberg-Fürth tagt. Dies führt immer wieder dazu, dass aus der ganzen Welt angereiste Gruppen abgewiesen werden müssen und den „Originalschauplatz“ nicht in Augenschein nehmen können. Die Ausstellung „Memorium Nürnberger Prozesse“, die 2010 im Dachgeschoss, quasi über dem Saal, eingerichtet wurde, hat da bereits ein wenig Abhilfe geschaffen. Von ihr aus kann man durch eine Glasscheibe in den Saal blicken. In einem zweiten Bauabschnitt, der dem städtebaulichen Ideen-teil des Wettbewerbs zugeordnet ist, sollen weiterhin verschiedene, über die Stadt verteilte Standorte der Justiz zusammengefasst und eine unterirdische Verbindung zum Gefängnis gebaut werden.
Die Jury unter Vorsitz der Berliner Architektin Gesine Weinmiller hatte 26 Arbeiten zu beurteilen. Die Vertreter des Denkmalschutzes wachten mit Argusaugen über den baulichen Umgang mit dem Justizpalast, sodass es als eine kleine Überraschung gewertet werden kann, dass nicht einer der Entwürfe mit steilem Satteldach auf Platz 1 gelandet ist, sondern tatsächlich ein Gebäude mit Flachdach. Die prämierte Arbeit von ZILA aus Leipzig erfülle auch nur die „denkmalpflegerischen Mindestanforderungen“, so die verhaltene Beurteilung der Denkmalpfleger, aufgrund des Natursteins und der Lochfassade zeigte man sich aber versöhnt. Angesichts der Fassaden mit den schmalen, vertikalen Öffnungen fühlt man sich direkt in das Berlin der neunziger Jahre zurückversetzt, und das nicht nur beim ersten Preisträger, sondern auch beim zweiten, vierten und fünften. Spätestens seit dem Campus Westend der Goethe-Universität in Frankfurt am Main (Heft 27–28.2009) scheint es für die repräsentative Einhausung von Juristen eigentlich kaum eine Alternative zur repeti­tiven Fassade mit raumhohen Fensterschlitzen zu geben. Der Entwurf der Leipziger Architekten steht nahtlos in dieser Kontinuität, wenngleich es subtile Abweichungen wie Gesimsbänder und Fensterstürze aus Stahlbetonfertigteilen gibt, und überzeugt wohl am meisten durch das sehr große Foyer, das, in die Zukunft gedacht, als angemessener Verteiler für die vielen verschiedenen Einrichtungen der Justiz dienen kann.
Formal fällt vor allem der Entwurf der Dresdner Pussert Kosch Architekten aus der Reihe der Preisträger, die mit (oder trotz) der über zwei Geschosse reichenden „Kolossalverglasung“ des Entréegebäudes auf den dritten Platz kamen. Dieser Entwurf (Seite 12), der Passanten und Besucher mit seiner demonstrativen Offenheit in das Areal hineinzieht, wurde im Preisgericht „kontrovers diskutiert“. Die Denkmalpfleger hatten ein Problem mit dem Glas und den fehlenden „verbindenden Elementen“ zum Altbau: Der Entwurf sei mit dem Erscheinungsbild des Baudenkmals nicht zu vereinbaren, so das vernichtende Urteil. Die großen Schaufenster, durch die man auch den Betrieb in den Sitzungssälen von der Straße aus hätte beobachten können, waren den Nürnbergern dann wohl doch zu viel.
Realisierungswettbewerb mit städtebaulichem Ideenteil
1. Preis ZILA, Leipzig; Atelier Loidl, Berlin | 2. Preis Hascher Jehle, Berlin; Weidinger Landschaftsarchitektur, Berlin | 3. Preis Pussert Kosch, Dresden | 4. Preis Schmidt-Schicketanz und Partner, München | 5. Preis Bez + Kock, Stuttgart | Anerkennungen Eßmann, Gärtner, Nieper, Leipzig; berger röcker Architekten, Stuttgart; Schaltraum Architektur, München, und Hinnenthal Schaar Landschaftsarchitekten; AG Léon Wohlhage Wernik, Berlin, und Bau-Kappler, Nürnberg
Fakten
Architekten ZILA, Leipzig; Atelier Loidl, Berlin; Hascher Jehle, Berlin; Weidinger Landschaftsarchitektur, Berlin; Pussert Kosch, Dresden; Schmidt-Schicketanz und Partner, München; Bez + Kock, Stuttgart
aus Bauwelt 47.2013

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