Studierende entwerfen für sich selbst
Bereits zum sechsten Mal hat rheform den campus³-Wettbewerb für Studierende aus allen baufachlichen Disziplinen ausgelobt und entschieden. Aufgabe war das Entwerfen einer baulichen Vision für die Hochschule der Zukunft.
Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin
Studierende entwerfen für sich selbst
Bereits zum sechsten Mal hat rheform den campus³-Wettbewerb für Studierende aus allen baufachlichen Disziplinen ausgelobt und entschieden. Aufgabe war das Entwerfen einer baulichen Vision für die Hochschule der Zukunft.
Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin
Orte für Lehre und Forschung stehen heute unter einem großen Veränderungsdruck. Vermittlungskonzepte ändern sich, Bildungsbudgets schrumpfen, ein anderes Selbstverständnis von der Lehre vor Ort ist entstanden. Wie müssen also akademische Orte der Zukunft aussehen, um all diesem gerecht zu werden? Dazu Studierende zu befragen, ist eine gute Idee.
Deswegen lobt rheform, Projektentwickler und Strukturberater für Hochschulen, bereits zum sechsten Mal den campus³-Preis für Hochschularchitektur aus. Es geht um das Zusammenspiel zwischen Funktion und Form, verbunden mit einer Zukunftsperspektive.
In diesem Jahr wurden zwei erste Preise und ein zweiter Preis vergeben. Alle drei Arbeiten beschäftigen sich darüberhinaus mit der Weiterentwicklung bestehender Bausubstanz oder der Verwendung von nachhaltigen Baumaterialien. Das war nicht expliziert gefordert, weswegen es umso zuversichtlicher stimmt, dass Studierende diese wesentlichen Punkte in ihren Entwürfen berücksichtigen.
Ein 1. Preis: El Pueblo – Das Dorf
Die „Tinglados del Puerto“ sind 1910 errichtete Lagergebäude am Hafen von Valencia. Teile der Jugendstildekoration mit Reliefarbeiten sowie Keramikmosaike sind erhalten. Die Nachnutzungen waren bisher vielfältig, doch nie von Dauer. Der Entwurf „El Pueblo“ von Linda Novotny liefert eine neue städtebauliche Idee, die einem Dorf nachempfunden ist.
Studierende werden von der Hauptachse, die gleichzeitig sozialer Kern des Ortes ist, zu verschiedenen Gassen, Höfen und Plätzen und der „Plaza Mayor“ in der Mitte geführt. Die Plätze sollen die Begegnung, Kommunikation und den Austausch zwischen Forschung und Lehre und Akademikern und Handwerkerinnen fördern. Labore, Werkstätten, Besprechungsräume mit Einzel- und Gruppenarbeitsplätzen sowie Co-Working-Spaces sind in Clustern angeordnet. Der Entwurf sieht verschiedene Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr vor. Innerhalb des „Dorfes“ verläuft die Fortbewegung mit dem Rad oder zu Fuß.
Ein Upcycling-Konzept soll es möglich machen, das „Dorf“ auf lange Sicht für verschiedene Nutzungsarten anzupassen. Der Entwurf zeigt dies perspektivisch auf. Für die Neubauten werden gebrauchte Baumaterialen, Bauteile und Bausysteme genutzt. Die Herkunft der verwendeten Materialien ist ablesbar. Die angewendeten Nachhaltigkeitsprinzipien werden durch den Charakter des Unfertigen nach der Realisierung ablesbar bleiben.
Ein 1. Preis: Wald Wasser Hof
Für die Planung einer Hochschule für Holzbau im Schwarzwald ist es mehr als logisch, das Bauwerk selbst auch aus Holz zu errichten. Dieser Idee folgt der Entwurf von Marianò Managò, der seinen Entwurf im Elztal veortet. Dort sind der Wald und sein Holz integraler Bestandteil des Lebens. Die Siedlungsgeschichte der Gegend erzhlt auch von der Ausbeutung von Rohstoffen. Der Verfasser kehrt dieses Muster um, das Bauwerk soll mit statt gegen die Natur arbeiten, die Form leitet sich hieraus ab. Die Hochschule wird auf Punktfundamenten aufgesetzt, um sie vor Hochwasser zu schützen und um die sumpfige Wiesenlandschaft unter dem Gebäude erhalten zu können. Dabei sind die tragenden, blauen Pfeiler aus Fichtenholz nicht zufällig blau. Es handelt um vom Borkenkäfer befallenes Holz, durch die blaue Legierung wird es verwendbar und zum Gestaltungselement.
Das Ensemble besteht aus drei Hochschulgebäuden, die der Lehre, dem Wohnen und als Werkstatt dienen. Sie sind über Brücken miteinander verbunden. Der Verfasser plädiert dafür, mit lokalen Baumaterialien und innovativer Handwerkskunst nachhaltig zu bauen.
2. Preis: Durchbruch statt Abbruch
Was tun mit den Strukturen der vergangenen Dekaden? Zu groß, zu gewaltig und mit Tonnen von Beton errichtet, verbietet sich der leichtfertige Abriss. Das gilt auch für zwei Kreuzbauten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz aus den frühen 1970er und 80er Jahren.
In dem Entwurf von Christoph Wey und Matthias Schäfer haben die Gebäude eine Zukunft. Durch einen partiellen Rückbau werden Verkehrsflächen zu Kommunikationsregionen. Zusätzlich erreicht mehr Tageslicht die Tiefen der Struktur. Aus dem Lehr- und Forschungsgebäude wird eine Wohn- und Lernanlage. Der teilweise niedrigen Geschosshöhe begegnen die Verfasser mit Durchbrüchen. Das Erdgeschoss wird zu einem „offenen Forum“ mit Blickbezug zur gegenüberliegenden Mensa. Orte der Begegnung und ein multifunktionaler Mehrzweckraum geben sozialer Interaktion Platz.
Die Gebäudekerne waren bisher brandschutztechnisch nicht abgetrennt. Deswegen fügen die Entwerfer jeweils ein Treppenhaus und zwei Aufzüge hinzu. Die Fluchtbalkone verlieren so ihre ursprüngliche Funktion und können durch eine versetzte, leichtere Stahlkonstruktion ersetzt werden. Mit einer Vielzahl weiterer energetischer Maßnahmen, aber vor allem durch die Umnutzung zu Wohnraum, der dringend benötigt wird, gelingt es, die Kreuzbauten vor dem Abriss zu bewahren und so die gebundene graue Energie weiterhin zu nutzen.
Hochschulwettbewerb
Ein 1. Preis (2000 Euro) El Pueblo – Das Dorf; Linda Novotny, Technische Universität Darmstadt
Ein 1.Preis (2000 Euro) Wald Wasser Hof; Marianò Managò, Universität der Künste, Berlin
2.Preis (1000 Euro) Durchbruch statt Abbruch; Christoph Wey und Matthias Schäfer, IU Internationale Hochschule Mannheim
Hochschulwettbewerb
Ein 1. Preis (2000 Euro) El Pueblo – Das Dorf; Linda Novotny, Technische Universität Darmstadt
Ein 1.Preis (2000 Euro) Wald Wasser Hof; Marianò Managò, Universität der Künste, Berlin
2.Preis (1000 Euro) Durchbruch statt Abbruch; Christoph Wey und Matthias Schäfer, IU Internationale Hochschule Mannheim
Ausloberin
rheform – EntwicklungsManagement
rheform – EntwicklungsManagement
Jury
Geva Aschhoff, Joachim Heintze, Claudia Schweigele, Amandus Samsøe Sattler (Vorsitz), Boris Schade-Bünsow
Geva Aschhoff, Joachim Heintze, Claudia Schweigele, Amandus Samsøe Sattler (Vorsitz), Boris Schade-Bünsow
0 Kommentare