Mehr eine Goldschmiede als eine profane Schlosserei
Carlo Scarpa und die Werkstatt der Gebrüder Zanon
Text: Bartels, Olaf, Hamburg
Mehr eine Goldschmiede als eine profane Schlosserei
Carlo Scarpa und die Werkstatt der Gebrüder Zanon
Text: Bartels, Olaf, Hamburg
Das Gebäude der Stiftung Masieri liegt in Venedig an einer sehr prominenten Stelle am Canal Grande etwa auf halber Strecke zwischen der Kunstakademie und der berühmten Rialtobrücke an der Einmündung des Rio Di Ca Foscari. Auf dem Landweg erreicht man es auf verwinkelten Pfaden durch die engen Gassen des Stadtteils Dosoduro von der Vaporetto-Station S. Toma aus.
Eigentlich wollte die Familie Masieri 1951 nach dem plötzlichen Tod ihres Sohnes Angelo, der selbst Architekt war, Frank Lloyd Wright mit dem Umbau des kleinen Palazzos zu einem studentischen Stipendiatenhaus beauftragen. Angelo hatte ihm den Auftrag vor seinem tragischen Unfalltot noch selbst gegeben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit den behördlichen Genehmigungen erhielt schließlich Carlo Scarpa den Auftrag. Das Gebäude wurde 1983 fertiggestellt und zunächst als Archiv der Stiftung sowie als Verwaltungssitz der Architekturfakultät der Universität Venedig genutzt. Nach einer umfassenden Restaurierung steht es heute unter der Betreuung der Architekturfakultät. Zwei der vier Geschosse sind an die private Galerie Negropontes vermietet, die hier regelmäßig Ausstellungen zeigt. Ein weiteres nutzt die Universität selbst für Schauen. Bis zum 25. Juli ist hier eine kleine Ausstellung über die Schmiede und Schlosserwerkstatt von Paolo und Francesco Zanon zu sehen, mit der Carlo Scarpa über seine gesamte Schaffensperiode hinweg zusammengearbeitet hat. Die Ausstellung wurde von einem Team der Lehrstühle Maria Bonaiti und Marco Pogancnik an der Architekturfakultät der Universität Venedig kuratiert und produziert.
Die Werkstatt existiert im Norden Venedigs noch. Ihre Betreiber sind schon im hohen Alter und es ist im heutigen Venedig schwer, Nachfolger für die Leitung des traditionsreichen Betriebes zu finden. Noch birgt die Werkstatt viele Stücke und Prototypen aus der gemeinsamen Arbeit mit „Il Professore“ wie Carlo Scarpa hier stets liebevoll und anerkennend genannt wurde.
Mit großen wandfüllenden Fotos von Gabriele Bortoluzzi und einer Soundinstalation von Michele Del Prete sowie Paul Mazzega, für die die Geräusche aus der Werkstatt zu einer musikalischen Komposition verdichtet wurden, ist sie in der Ausstellung auch atmosphärisch präsent. Zu sehen sind unter anderem Vitrinen, Türgriffe und Fensterbeschläge, eigens von ihm entworfene Leuchten sowie ein auf Zug belasteter Anker zur Abhängung der Galerie im Präsentationsraum der Firma Olivetti am Markusplatz – bis hin zu Teilen der charakteristischen Fenstervergitterung.Die Ausstellungstafeln, begleitende Informationsheftchen, Handskizzen von Carlo Scarpa und historische Fotografien verdeutlichen die Zusammenhänge, in denen die Details eingesetzt wurden, und machen die dahinterstehenden gestalterischen Intentionen sichtbar. Zugleich regt die Ausstellung dazu an, diese Orte auch selbst aufzusuchen: Das Museo Corer ebenfalls am Markusplatz, die Stiftung Querini Stampalia in Venedig, die Gruft der Familie Brion auf dem Friedhof San Vito d’Altiole bei Treviso oder die Banca Populare di Verona.
Ein in der Reihe der Forschungsnotizhefte der Universität erschienener Katalog beleuchtet in Beiträgen zur Geschichte des Masieri-Gebäudes sowie zu den einzelnen Bauwerken die Hintergründe und Zusammenhänge, in denen die ausgestellten Prototypen zum Einsatz kamen. Die Ausstellung macht wunderbar deutlich, welch starken Anteil das Handwerk an der Architektur von Carlo Scarpa hatte. Man mag beim Besuch der Schau mehr an einer Goldschmiede als an eine profane Schlosserei denken. Architektur und Kunsthandwerk sind sich nicht fremd. Im Gegenteil: zu den Schlossern, Tischlern und Steinmetzen, mit denen er zusammenarbeitete, pflegte Carlo Scarpa fast familiäre Beziehungen, aus denen symbiotisch künstlerische Produkte entstanden. Die Werkstatt der Gebrüder Zanoni war unter anderen der Garant für eine handwerkliche Poesie der Architektur, die kein anderer so beherrschte wie Carlo Scarpa. Mit ihrer Schließung endet ein weiteres, vielleicht das letzte Kapitel dieser Architekturgeschichte.
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