Bauwelt

Haltung statt Handschrift

Ein erfolgreicher Architekt stellt sich selber aus: Volker Staab zeigt im Nürnberger Neuen Museum, seinem ersten Wettbewerbserfolg, eine Auswahl von Bauten und Projekten aus 29 Jahren

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

Bild 1 von 2
  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Die kojenartigen Räume an der Glasfassade des Museums ...
    Foto: Neues Museum/­Annette Kradisch

    • Social Media Items Social Media Items
    Die kojenartigen Räume an der Glasfassade des Museums ...

    Foto: Neues Museum/­Annette Kradisch

Haltung statt Handschrift

Ein erfolgreicher Architekt stellt sich selber aus: Volker Staab zeigt im Nürnberger Neuen Museum, seinem ersten Wettbewerbserfolg, eine Auswahl von Bauten und Projekten aus 29 Jahren

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

In Nürnberg begann die Karriere von Volker Staab, und so ist es nur zu verständlich, dass er nun in „seinem“ Neuen Museum einen Rückblick auf nahezu drei Jahrzehnte seiner Arbeit gibt. Es wirkte wie ein Paukenschlag, als der bis dahin unbekannte Architekt im Jahr 1991 den bundes­offenen Wettbewerb gewann. Immerhin konnte er sich sogar gegen prominente Mitbewerber wie Daniel Libeskind durchsetzen. Nach der Entscheidung bewertete der Autor dieser Zeilen Staabs Entwurf mit der hundert Meter langen, konkav gebogenen Ostfassade aus Stahl und Glas als „Schatzhaus im Hinterhof“ und erhoffte sich auch eine stadträumliche Aufwertung. Diese Hoffnung hat sich erfüllt: Der neu geschaffene Klarissenplatz ist schon seit längerem ein pulsierender Begegnungsort an der alten Stadtmauer.
Mit dem im Jahr 2000 eröffneten Museumsbau katapultierte sich Volker Staab in die erste Reihe der zeitgenössischen deutschen Architekten. Zahlreiche Wettbewerbsgewinne folgten, wobei öffentliche Bauten für Kunst, Forschung und Bildung bis heute die Hauptaufgaben von Staab Architekten sind. Genau dies vermittelt die aktuelle Ausstellung, die auf Einladung des Museums, das mit ihr sein zwanzigjähriges Bestehen feiert, von Staab und seinem Team selbst konzipiert und gestaltet wurde. Sie ist eine ungewöhnliche Schau. Vor allem deshalb, weil sie die sechs kojenartigen und zur Glasfassade hin offenen Räume im Obergeschoss des Museums belegt. Nicht leicht zu bespielen, haben sie aber den Reiz, dass sie nach außen in die Öffentlichkeit hin­ein wirken können. Die Ausstellung nutzt dies durch große, transluzente Bilder, die den Eindruck eines riesigen Schaufensters vermitteln.
Auch richtet sich die Schau bewusst an den architekturinteressierten Laien. Sie gliedert sich in sechs Themen, unter denen die 16 Bauten und Projekte präsentiert werden. Diese Themen werden durch Texte erläutert – glücklicherweise aber nicht durch gestelzte Formulierungen. Der zum Flanieren angeregte Besucher erhält jeweils eine kurze verständliche Einführung, etwa beim Thema „Widersprüche“ im ersten Raum: „Der Ort, an dem ein Gebäude entsteht, kann der Schlüssel zum architektonischen Konzept sein. Besonders deutlich zeigt sich dies, wenn sich der Ort und die Bauaufgabe auf den ersten Blick widersprechen. Reagiert der Entwurf auf diese Spannung, kann dies zu einer sehr spezifischen, nicht selten unerwarteten Lösung führen.“
Schon bei seinem Nürnberger Erstlingswerk strebte Volker Staab eine Balance zwischen „Radikalität und Anpassung“ an. Diese Absicht, die sich etwa am Albertinum in Dresden (2010) wie an der Designfakultät der Hochschule München (2018) ablesen lässt, hat der Ausstellung den passenden Titel „Kontext“ gegeben. Wie Volker Staab beim Rundgang betont, geht es ihm nicht nur um städtebauliche Kontexte, sondern ebenso um historische, kulturelle und soziale Anforderungen. Besonders deutlich wird dies beim Richard-Wagner-Museum in Bayreuth (2015), das unter dem Thema „Auratische Orte“ gezeigt wird. Geht man die Reihe seiner Werke ab, die großenteils in der Bauwelt veröffentlicht wurden, so sieht man, dass Staab tatsächlich keine „Handschrift“ im Sinne eines Markenzeichens pflegen, sondern jeweils eine „Haltung“ gegenüber der spezifischen Aufgabe einnehmen will. Dies führt er auch auf Einflüsse während seines Studiums an der ETH Zürich zurück.
Die unaufgeregte, mit Großfotos, Plänen, Modellen und Guckkästen aber durchaus sinnlich gestaltete Schau schließt mit drei Beispielen zum Thema „Gesellschaft“. Darunter ist die 2019 eingeweihte Synagoge in Regensburg. Für sie hat Ilse Danziger, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, das Lob formuliert: „Ein Haus kann bewirken, dass man sich traut, näher zu kommen.“ Nicht in der Ausstellung vertreten ist die kürzlich eröffnete Erweiterung des Jüdischen Museums in Frankfurt am Main. Dieses ebenfalls vorzügliche Bauwerk wird die Bauwelt zusammen mit der Regensburger Synagoge in Heft 2.2021 vorstellen.
Fakten
Architekten Staab Architekten, Berlin
aus Bauwelt 25.2020
Artikel als pdf

1 Kommentare


Mehr als fraglichKarsten Neumann

¡Was den Klarissenplatz zu einem "pulsierender Begegnungsort an der alten Stadtmauer" macht, möge mir der Münchner autor bitte mal erklären! Dieser zugepflasterte platz mit seinem einsamem bäumchen am eck, dient, seit vor einigen jahren die stadt den fussgängerübergang vom HBF geöffnet hat, allenfalls den touristen mit ihren rollköfferchen zum durchmarsch. Das angrenzende restraurant hat sein aussenbestuhulng. Gut und schön, aber ohne konsumzwang geht da nix. Hin wieder gibt es dann im sommer den spassbrunnen von Jeppe Hein. Ansonsten sitzen auf den kalten steinbänken, die den platz gegenüber der so hioch gelobten fassade begrenzen überwiegend die vergessenen dieser gesellschaft, die dann in schöner regelmässigkeit von polizeibeamt:innen kontrolliert werden. Im übrigen laufen immer noch sehr viele touristen vom HBF unterirdisch in die Königstrasse und dann weiter richtung hauptmarkt usw. Werfen sie dann auf höhe der Luitpoldstrasse einen blinck nach links, sehen sie eher nichts. Vor lauter kontext und im vorauseilendem gehorsam der sog altstadtfreunde gegenüber hat der sich dort befindende verwaltungstrakt des neuen musuems in dem sich u.a. die buchhanldung Walther König und das institut für moderne kunst befindet, eine sandsteinverkleidung bekommen. Kein tourist, der das sieht, ahnt auch nur im aller leisesten anflug, dass sich hier ein museum für kunst und design des ausgehenden 20 jhd befindet. ¡Aber so sind´s halt die Nembercher, sandstein über alles, der rest eben in den hinterhof!


 
x

Editorial

Heftarchiv 08.12.2020

Schauspiel und Schriften

Editorial mehr

Dem Stadion von Florenz von 1932 droht der Abriss. Pier Luigi Nervis Frühwerk stört die Planungen des neuen, einflussreichen Eigentümers und Präsidenten des Fußballvereins ACF Fiorentina.

Heftarchiv 08.12.2020

Hat Nervi noch eine Chance?

Dem Stadion von Florenz von 1932 droht der Abriss. Pier Luigi Nervis Frühwerk stört die Planungen des neuen, einflussreichen Eigentümers und Präsidenten des Fußballvereins ACF Fiorentina. mehr

11.2025

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.