Bauwelt

Wie geht Denkmal und Klima schützen zugleich?

Bericht vom 34. Berliner Denkmaltag

Text: Homann, Shirin, Berlin

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Wie geht Denkmal und Klima schützen zugleich?

Bericht vom 34. Berliner Denkmaltag

Text: Homann, Shirin, Berlin

Nach drei Jahren Coronapause lud Berlins Landesdenkmalamt (LDA) unter dem Motto „Ressourcen pflegen – Denkmale schützen. Denkmalpflege als Baustein des Klimaschutzes“ zum 34. Berliner Denkmaltag. Veranstaltungsformat: 5-stündiger Vortragsmarathon, ohne Diskus­sion. Allerdings wurde die große Gemeinde der drei Prozent schützenswerter deutscher Bausubstanz unterwiesen, dass ihr Mantra „Ich bin Klimaschützer und mein Denkmalbestand ist so klein, energetische Ertüchtigung muss mit mir nicht sein“ ausgedient hat. Noch zu Beginn des Jahres wurde es von LDA-Referenten bei Vorortterminen in Denkmalen zum Besten gegeben. Nun will auch das Landesdenkmalamt nicht mehr zum schrumpfenden Gesellschaftsteil gehören, der die Verantwortung für unseren Planeten in Häusern anderer endlagert. Der Experten-rat für Klimafragen nennt den Bausektor in einemZuge mit dem Verkehrssektor, weil man im dritten Jahr in Folge gesetzte Ziele verfehlte.
Bauklimatische Ertüchtigung von Denkmalen ist kompliziert, aber möglich. Trotzdem fremdeln weiterhin viele Denkmalpfleger mit der Ansage, dass sie neben edlem Bestand nun auch das Klima schützen müssen. Man wittert den Ernst der Lage und die Grenzen der eigenen Kompetenz. Geht es um Lippenbekenntnisse in Sachen Klima, ist inzwischen fast jeder überzeugter Klimaschützer. Geht es um physische Umsetzung von Klimaschutz, wird es stiller. Bestehen bleibt das Mantra: „Denkmalschutz ist per se aktiver Klimaschutz, weil das Bewahren von Bestand energie- und materialintensiven Neubau vermeidet.“ Das ist richtig, gilt aber nicht nur für Denkmale, sondern tatsächlich für den gesamten Gebäudebestand, weshalb Umstrukturierungen von Denkmalbehörden in Bestandsbehörden gefordert und Abriss-Moratorien unterzeichnet werden.
In ihrem Grußwort startete die Ideen-statt-Abriss-affine Präsidentin der Berliner Architektenkammer, Theresa Keilhacker, mit einer „Änderung des Bauordnungsrechts bezüglich Nachhaltigkeitskriterien“. Laut Koalitionsvertrag ist die Änderung des Berliner Denkmalschutzgesetzes pro Klima beschlossene Sache. Stehen rechtliche Schritte an, bleiben die Untere Denkmalbehörde und das LDA Ansprechpartner. Bauingenieur Frank Eßmann kritisierte in seinem Vortrag Grenzwerte in Förderpaketen. Kritik an unserer Grenzwert-Ethik ist keine Kleinigkeit, denn auch der Bausektor folgt dem Geld. Dass die Richtung nicht stimmt, belegen die verfehlten Ziele. Euphorische Betätigung von U-Wert-Rechnern ist somit nur bedingt hilfreich, zumal viele Programme kreislauffähige Baumaterialien und kühlende Bepflanzungen gar nicht auf dem Schirm haben – da unterscheidet sich Künstliche Intelligenz wenig von menschlicher.
Eßmanns Vortrag „Effizienz-Konsistenz-Suffizienz“, was er mit „anders-besser-weniger“ übersetzte, rückte die Reduzierung der CO2-Emissionen in den Vordergrund. Auf die Frage, ob es künftig weniger um das Heizen unseres Bestands gehen wird, sondern darum, wie wir uns davor schützen können, nicht mit unserem Bestand zu verbrennen, antwortete er nüchtern, dass „uns zum Hitzeschutz überzeugende Antworten fehlen“ und verwies auf eine sich formierende WTA-Arbeitsgruppe zum Thema. Ob die Denkmalpflege noch vor ihrem Hitzetod erkennt, dass dieser nicht nur mit energiefressender Kühltechnik, sondern auch mit Sauerstoff spendender Begrünung vermieden werden kann, bleibt fraglich: Bis dato dürfen Denkmale nicht von Pflanzen in den Schatten gestellt werden.
Dieser Punkt sollte genauso nachdenklich machen wie die erstaunliche Tatsache, dass Eßmann der einzige Referent war, der das Wort „Einsparung“ benutzte. Dass in der bauklima­tischen Ertüchtigung von Denkmalen nicht nur komplexe Probleme, sondern raffinierte Lösungen schlummern, die beachtliche Stoßkraft für die restlichen 97 Prozent Bestandsgebäude haben dürften, weiß zumindest die Unesco. Genau deshalb fordert sie diese Vorreiterrolle für das Welterbe.
Im mit Politiker-Bashing eingeläuteten Vortrag über „Baustoffauswahl und Energieeffizienz am Baudenkmal“ wurde eine Berliner Manifestation klimafreundlichen Aus- und Umbaus von Denkmalen präsentiert: Die Baustoffexpertinnen zeigten ein Kleinod der derzeit im Welterbeverfahren befindlichen Waldsiedlung Zehlendorf, dem sie eine Polyurethan-Dachaußendämmung und ein veritables Bauloch zwecks Wintergarten- beziehungsweise Wohnraumerweiterung verpasst hatten. Die genehmigungsfähige Zerstörung von Grundriss, Bestandsmauerwerk und Holzbauteilen in der Waldsiedlung Zehlendorf gehört zu den betrüblichsten Kapiteln, die die Berliner Denkmalpflege zu bieten hat. Auch gelang den vortragenden Baustoff-Expertinnen kein seriöser Vergleich von Lamdawerten kreislauffähiger Dämmstoffe mit dem von ihnen verbauten, künftigen Sondermüll.
Selbst die Tatsache, dass Wintergärten in Hitzesommern zu Backöfen zu werden, lässt die verantwortlichen Bauherren und Ämter weiterhin kalt. Es gibt Sonnensegel, die einfacher zu entfernen sind als Bäume. Um die Strahlkraft der Sonne ging es auch in der Präsentation des neuen LDA-Leitfadens „Denkmale und Solaranlagen“. Hier erklärte die LDA-Referentin, dass es „bis dato kaum Anträge gab.“ Zeitgleich kritisierte sie „PV-Modul-Wildwuchs auf Denkmalbalkonen“ und zeigte damit, dass die Unterscheidung von „Bedarf“ und „Antragstellung“ schwerfallen kann. Trotzdem gebührt den Autorinnen des Leitfadens Respekt, denn sie nehmen die ca. 40 Prozent der 12 Prozent denkmalgeschützter Berliner Dachflächen ins Visier, die Flachdächer sind und nun endlich eigenen Strom ernten dürfen.
Die derzeit diskutierte Frage, ob die Kultusministerkonferenz im kommenden Herbst beschließen wird, die Waldsiedlung Zehlendorf auf die Tentativliste für Unesco-Welterbestätten zu setzen, bleibt offen. Dem LDA gelang es bis Mai 2023 trotz großer Bemühung nicht, die für eine erfolgreiche Nominierung nötigen Kriterien „Bürgerbeteiligung“ und „Nachhaltigkeit“ zu erfüllen. In diese Debatte schaltet sich nun auch der Werkbund mit einer Berliner Veranstaltung ein: Teilnehmen werden Expertinnen aus den Bereichen energetische Ertüchtigung im Welterbe, One Health/Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit, Aerogel-Entwicklung, sowie aus dem Handwerk. Thema der Werkbund-Veranstaltung am 8. September: „Denkmalpflege in der Klimakrise: Konflikte, Interessen, Lösungen“.

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