Bauwelt

Ab jetzt Horst

Der ungesehene Designklassiker: Eine Ausstellung über den beliebtesten DDR-Küchenstuhl

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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    Der EW 1192 in verschiedenen Formen und Farben und in seine Bestandteile zerlegt.
    Foto: Stuhlbaumuseum Rabenau/pdhw

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Ab jetzt Horst

Der ungesehene Designklassiker: Eine Ausstellung über den beliebtesten DDR-Küchenstuhl

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Das Alltagsmöbel Stuhl entstand einst aus dem Thron, der eine höher gestellte Person von den am Boden Sitzenden abhob. Die Dauerausstellung des Deutschen Stuhlbaumuseums im sächsischen Rabenau zeigt denn auch vor allem Sitzmöbel, die durch Stilisierung schmücken wollen. Ganz schlicht dienen will hingegen der Stuhl „EW 1192“, dem eine anregend gestaltete Sonderausstellung gewidmet ist.
Vor gut einhundert Jahren war das Museum gegründet worden, um sich mit der am nördlichen Rand des Osterzgebirges seit dem 17. Jahrhundert bestehenden Tradition des Stuhlbaus zu beschäftigen, die sich bis heute vor Ort erhalten hat. Die umfangreiche Sammlung changiert zwischen Heimat- und Handwerksgeschichte, wobei die ausgestellten Möbelstücke in Neo-Stilen von Barock bis Biedermeier überwiegend dem Industriezeitalter entstammen. Trotz aller Maschinen waren dennoch viele Stunden Handarbeit nötig für Stühle, die sich mindestens ein Menschenleben lang bewähren sollten.
In diesem Kontext nimmt der EW 1192 eine besondere Stellung ein. Weniger, was die Haltbarkeit betrifft, die ist unbestritten, wie einige Besitzerinnen und Besitzer bezeugen können. Vielmehr weist das unscheinbare Möbel eine überkommene Produktionsweise hin, nämlich der Einsatz von Prototypen. Solche wurden in der DDR vor allem nach der letzten Enteignungswelle Anfang der 1970er Jahre entwickelt und dann, wie etwa der EW 1192 lokal von sieben verschiedenen volkseigenen Betrieben produziert.
Von diesen existiert nach dem Ende der DDR nur noch ein Betrieb. Die übrigen sechs wurden abgewickelt, womit die Archive und das Wissen um den EW 1192, ja den Möbelbau in der DDR überhaupt verloren gingen. Das nahmen der Designer Jacob Strobel und seine Frau Martha, die zusammen mit dem Fotografen Dominik Wolf die Ausstellung konzipiert haben, zum Anlass, im Stuhlmuseum den Aufruf „Kennen Sie diesen Stuhl?“ zu starten. Damit soll die „Bürger*in-nenforschung“ (Citizen Science) Teil des in Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlun-gen Dresden initiierten Forschungsprojekts werden und umgekehrt die gesellschaftliche Teil-habe an der Wissenschaft begünstigen.
Der EW 1192 wurde von Horst Heyder (1924–2000) konzipiert. Seit der Gründung 1954, ab 1962 dann als Leiter, arbeitete der Formgestalter im Entwurfsbüro Waldheim, in dem bis 1989 die Mehrzahl der Stuhl- und Sesselmodelle der DDR entwickelt wurden. 1972 kostete der EW 1192 „max. 23 Mark ab Werk“. In dem Möbelprospekt wird er als „organischer Bestandteil jeder modernen Küche“ vorgestellt: „Obwohl die gerade Linienführung, die doppelt geschweiften Vorder- und Hinterzargen und die halbrunden Füße dem Stuhl ein graziles Aussehen verleihen, ist er doch standfest und sitzgerecht.“ Ebenso sehen das die langjährigen Besitzerinnen und Besitzer, die auf großen Tafeln ihren Stuhl würdigen, den sie für Küche, Esszimmer oder Atelier gleichermaßen einsetzen.
Für Heyder war der Stuhl „ein so nachhaltiger Gegenstand für das menschliche Dasein, das man ihn nicht so einfach abtun kann.“ Seine Qua-lität hat der millionenfach hergestellte, nolens volens „Designklassiker“ hinreichend bewiesen. Als Hommage an den Entwerfer wird in der Ausstellung deshalb vorgeschlagen, den Stuhl künftig „EW 1192/HORST“ zu nennen und „Für Freunde gerne einfach Horst.“

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