Bauwelt

Zwischenwasser


Kompetenz in der Bauverwaltung


Text: Bettel, Sonja, Wien; Gruber, Roland, Wien; Leitner, Judith, Wien


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Dank einer gemeinsamen Baurechtsverwaltung für zwölf Gemeinden kann die kleine Gemeinde Zwischenwasser mit hochqualifiziertem Personal arbeiten. Ein Gestaltungsbeirat aus zwei Architekten beurteilt zudem jedes Planungsvorhaben – vom Carport bis zur Wohnanlage.
Zwischenwasser wurde in den letzten Jahren in vielen Belangen als Mustergemeinde genannt, was sich in einer ungewöhnlich hohen Zahl von Auszeichnungen widerspiegelt. Seit drei Jahrzehnten verfolgt die Gemeinde eine nachhaltige Siedlungspolitik. Unter 850 europäischen Städten und Gemeinden, die sich im Rahmen des e5-Programms um Energieeffizienz bemühen, liegt sie auf Platz eins. Das Programm beurteilt u.a. die Felder Raumplanung, Mobilität und regionale Kooperation, in Zwischenwasser wurden dazu etwa 90 Maßnahmen herangezogen, u.a. die sogenannte „Kümmerermappe“ mit Informationen zu Sanierung, Neubau und Energie, die an Bauinteressierte ausgegeben wird. Zwei „Kümmerer“ beraten diese vor allem in Energie- und Sanierungsfragen und empfehlen entsprechende Fachleute.
Die gemeinsame Baurechtsverwaltung „Vorderland“, die 2003 aus einer Initiative mehrerer Bürgermeister entstand, besteht derzeit aus zwölf Gemeinden mit ca. 30.000 Einwohnern und umfasst eine Fläche von 145 Quadratkilometern. Bei der Zusammenlegung wurde versucht, eine Balance zwischen Gemeindeautonomie und gemeinsamer Verwaltung zu finden. Entgegen mancher Befürchtung gingen dabei in den vormals fünf Bauämtern keine Stellen verloren. Durch die Bündelung sollte die Kompetenz für Beratung und Verfahren, auch Rechtsmittelverfahren, gesteigert werden, um eine hohe Qualität der Arbeit zu gewährleisten. Kleine Gemeinden können sich solch qualifiziertes Personal in der Regel nicht leisten, die Arbeit wird dort einfach vom Bürgermeister miterledigt. 
Wie knapp dreißig andere Vorarlberger Gemeinden setzt auch Zwischenwasser auf einen Beirat für Architektur und Gemeindeentwicklung, um das Diskussionsniveau im Gemeinderat zu heben. Der Beirat besteht aus zwei Architekten und ist, auch für Bauherren, beratend tätig; das hat dazu geführt, dass mittlerweile ein Drittel aller Bauanträge Architektenentwürfe sind. Alle drei Jahre wird ein Mitglied ausgewechselt. Während der Beiratsphase haben die Mitglieder ein Planungsverbot im Ort. Der Beirat kostet die Gemeinde ca. 12.000 Euro pro Jahr. Von den Bauherren wird je nach Komplexität ein Sachverständigenaufwand von 70 bis 150 Euro je Bauvorhaben verlangt.
Der Beirat beurteilt jedes Planungsvorhaben im Ort, vom Balkonanbau über den Carport und den Stall bis zur Wohnanlage oder zum Teilbebauungsplan. Etwa alle sechs Wochen trifft sich die Kommission und besichtigt fertige und laufende Bauvorhaben. Über die Gestaltungsaspekte wird auf Gemeindeebene entschieden, danach werden die baurechtlichen Belange in der gemeinsamen Baurechtsverwaltung Vorderland abgewickelt.
Die Entscheidung, konsequent jedes Bauvorhaben gestalterisch zu beurteilen, mag auf den ersten Blick übertrieben wirken. So müssen aber nicht erst Kriterien erstellt werden, welche Vorhaben die Zustimmung des Beirats erfordern. Es sind ja oft nicht nur bestimmte Bauten, die einen Einfluss auf das Gesamtbild haben, sondern auch die Summe vieler kleiner Eingriffe. Einerseits muss der Beirat sich so nicht langwierig über Details des Reglements verständigen, andererseits erspart sich die Gemeinde genaue Bebauungs- und Gestaltungsvorschriften und kann sich auf wenige allgemeine Richtlinien beschränken.
Bauinteressierte erhalten eine Liste mit Bestimmungen, die für das Vorhaben auf ihrem Grundstück gelten. Die sogenannte Baugrundlagenbestimmung ist ein Vorverfahren vor dem eigentlichen Bewilligungsverfahren. Die Beratung durch den Beirat kann darauf aufbauen und viel vorab steuern. Dennoch kommt es vor, dass ein Bau nicht gemäß den Qualitätskriterien entwickelt wird und Widersprüche mit den Richtlinien erst in der Umsetzung auftreten. Das betrifft z.B. Geländeveränderungen – hier bedurfte es einiger Überzeugungsarbeit, dass die Einbettung in die Topografie bereits Bestandteil der Planung sein muss und nicht erst durch den Bagger bestimmt werden darf. Die bestehende Topografie soll so wenig wie möglich verändert werden, was aber immer wieder ignoriert und in den Plänen nicht kenntlich gemacht wird. Da man Negativ-Vorbilder vermeiden möchte („Der hat auch, wieso darf ich nicht?“), muss im Fall der Missachtung geschickt eine für alle Beteiligten annehmbare Lösung gefunden werden. Solche Situationen könnten verhindert werden, wenn in der Planung verstärkt eine Auseinandersetzung mit dem baulichen und landschaftlichen Kontext eingefordert würde, z.B. durch obligatorisches Einzeichnen der Höhenlinien oder durch Arbeitsmodelle.
Eine andere Möglichkeit ist es, positive Beispiele herauszustellen. Der Gemeinderat verleiht jährlich einen Architekturpreis für das beste Passivhaus und die beste Freiraumgestaltung. Zudem gibt es Bonusregelungen für bauliche Qualität: Wer nahe einem öffentlichen Verkehrsanschluss, in qualitätvoller Architektur, mit ökologischen Materialien und verdichtet baut, darf mit einer Erhöhung der zulässigen Baunutzungszahl um bis zu 30 Prozent rechnen.



Fakten
Architekten Marte.Marte Architekten, Weiler
Adresse Zwischenwasser


aus Bauwelt 24.2013
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