Bauwelt

Langenegg


Beteiligungskultur


Text: Bettel, Sonja, Wien; Gruber, Roland, Wien; Leitner, Judith, Wien


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    Foto: LandLuft

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Nahversorgung als Schlüssel zur Dorfbelebung: Mit zeitgemäßer Architektur und unter Einbeziehung der Bürgerwünsche ist es der Gemeinde gelungen, ein attraktives Ortszentrum zu formen – nicht nur für die Einwohner selbst, sondern auch für Durchreisende und Gäste.
Die Gemeinde Langenegg im Bregenzerwald initiierte 1998 das Bürgerbeteiligungsprojekt „Lebenswert Leben“. Zusammen mit den Einwohnern sollte die Lebensqualität verbessert werden, um der drohenden Abwanderung und dem Verlust von Dienstleistungseinrichtungen und Arbeitsplätzen entgegenzuwirken. Da die Gemeinde einst aus zwei eigenständigen Dörfern bestand, gab es keinen gewachsenen Ortsmittelpunkt. Als Initialprojekt gilt die Sanierung eines geschichtsträchtigen Gebäudes im Ortszentrum zwei Jahre zuvor. Im „Bachhus“, das im Besitz der Gemeinde ist, wurden neben wichtigen Dienstleistungsfunktionen wie Arzt- und Zahnarztpraxis, Apotheke und Friseur auch drei Wohneinheiten untergebracht. Nicht halten konnte sich im Bachhus, was andernorts billiger ist: Das Schuhgeschäft und der Geschenkeladen mussten bald wieder schließen. Am Orts­ende hingegen entstand ein Gebiet für größere Betriebe, wodurch binnen zehn Jahren rund 100 neue Arbeitsplätze gewonnen wurden.
Im Jahr 2000 lud man Studierende der FH Liechtenstein und der TU Innsbruck ein, den Ort zu analysieren und neue Ideen für die Dorfentwicklung zu sammeln. Aus der Zusammenarbeit ging die Initiative „Stopp in Langenegg“ hervor. Das Ziel: Alle infrastrukturellen Elemente sollten im Ortskern konzentriert werden. Nach einem Architektenwettbewerb entstand 2003 das neue Dorfzentrum. Um tatsächlich einen Platz zu bilden, verteilten die Architekten Fink Thurnher das Raumprogramm  – Kindergarten, Musik-Proberaum, Café, Gemeindeamt und Lebensmittelmarkt – auf drei Neubauten, die in bestehende Lücken eingefügt wurden.
Eine besondere Rolle spielt der Lebensmittelmarkt, der 2008 errichtet wurde. Statt einen Supermarkt auf die grüne Wiese setzen zu lassen, startete das ehrenamtliche Kernteam von „Lebenswert Leben“ eine Zukunftskonferenz. Da­bei wurden die Bürger unter anderem dazu befragt, welches Warenangebot ein neuer Dorfladen bieten müsste, damit sie dort einkaufen gehen, statt hinunter ins Rheintal in die großen Einkaufszentren zu fahren. Die am häufigsten geäußerten Wünsche, nämlich ein großes Angebot an Brot und Gebäck sowie regionale Produkte, wurden zur Bedingung für den zukünftigen Betreiber gemacht. Die Gemeinde konnte diesen Einfluss nehmen, weil sie als Bauherr die Verkaufsfläche verpachtet. Das neue Lebensmittelgeschäft ist für Langenegg wichtig: Im Sortiment sind ca. 6000 Artikel; mit dem Lebensmittelmarkt sind zudem Arbeitsplätze und Ferienjobs entstanden. Das Gebäude erreicht Passivhausstandard und ist so konstruiert, dass eine spätere Aufstockung mit „betreuten“ Wohnungen möglich ist. Mit einfacher und materialverwandter Kubatur bildet es zusammen mit dem Kindergarten und dem von einem Verein betriebenen Café „STOPP“ das neue Dorfzentrum von Langenegg.
Die intensive Bürgerbeteiligung – vor allem auch von Menschen mit Behinderung – hat außer den infrastrukturellen Maßnahmen noch weitere Projekte angestoßen. So wurde die „Langenegger Lebenshilfe Werkstätte“ in das Wirtschaftsleben einbezogen, indem sie im „Postlädle“ die Postdienste übernahm und kunsthandwerkliche Produkte verkauft. Die neu eingeführte Regionalwährung „Langenegger Talente“ trägt dazu bei, das Geld in der Gemeinde zu halten; man kann die „Talente“ im Abonnement beziehen. Wer anderswo einkaufen möchte, greift auf die „Vorderwälder Mitfahrbörse“ zu oder leiht sich das gemeindeeigene Carsharing-Auto oder das Elektrorad aus; auch sind dort übertragbare Jahreskarten für den Verkehrsverbund Vorarlberg leihweise erhältlich.
„Lebenswert Leben“ bringt immer wieder frische, auch unkonventionelle Ideen hervor, die ohne politische  Beschlüsse unkompliziert ausprobiert werden können. Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist gefestigt, ein Faktor, der sich nachweislich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung des Ortes auswirkt. 2010 wurde die Gemeinde Langenegg mit dem Europäischen Dorferneuerungspreis ausgezeichnet.




Adresse Langegg


aus Bauwelt 24.2013
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