Bauwelt

163 Räume für De Stijl

Debüt Nr. 17

Text: Meyer, Friederike, Berlin

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163 Räume für De Stijl

Debüt Nr. 17

Text: Meyer, Friederike, Berlin

Im Gemeente­museum von Den Haag haben der Architekt Anne Holtrop und der Künstler Krijn de Koning eine Ausstellung gestaltet, bei der die Wände selbst zum Kunstwerk werden.
Das Gemeentemuseum in Den Haag ist ein Spätwerk von Hendrik Petrus Berlage – und eine Schatzkammer. Neben Kunsthandwerk, Mode und Kunst birgt der Bestand allein 300 Bilder von Piet Mondrian. Er hat mit Theo van Doesburg und Georges Vantongerloo im Jahr 1917 die Gruppe De Stijl gegründet. Die Ideen dieser berühmtesten Kunstströmung der Niederlande wollte das Museum nun erstmals im Zusammenhang darstellen. Ein kompletter Flügel des Mu­seums, ganze 700 Quadratmeter groß, stand zur Verfügung, der Architekt Anne Holtrop und der Künstler Krijn de Koning wurden mit der Aus­stellungs­gestaltung beauftragt. Ein Experiment. Anne Holtrop, bisher eher mit Entwürfen und Diskussionen im akademischen Umfeld aufgefallen, hat hier erstmals mit Bauherren zu tun gehabt. Und Krijn de Koning, der normalerweise sich selbst genügende Kunstwerke schafft, hat noch nie mit einem Architekten zusammenge­arbeitet. Das Ergebnis heißt „163 Räume“ und ist, wie vom Museum gewünscht, selbst ein Kunstwerk geworden, auch wenn das erst auf den zweiten Blick deutlich wird. Zunächst erscheinen die eingebauten Wän­de als bloße Raumteiler und Bildhalter. Doch je tiefer man vordringt, desto häufiger bilden sie Tore, formen Kojen, werden zu Bänken und verkanten sich schließlich kleinteilig ineinander. Leider arbeitet die konventionelle Präsentation der Exponate mit Texttafeln, Bildschirmen und Sockeln gegen das Werk, das mit der aus der Galeriewerbung bekannten Floskel „raumgreifende Skulptur“ treffend beschrieben ist. FM

Was verbindet Sie mit De Stijl?
Krijn de Koning |  Die Moderne und die 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts waren für meine künstlerische Ausbildung sehr wichtig. Doch was uns heute fremd ist, ist dieser Dogmatismus, der damals herrschte. Wie konsequent De Stijl zum Beispiel die Farbe Grün vermieden hat, erscheint uns heute genauso lächerlich wie die Vorstellung, dass in den 60ern Architektur per se als kapitalistisch angesehen wurde. Verglichen damit sind wir Künstler heute viel egozentrischer, aber auch viel freier in der Wahl unserer Mittel.
Anne Holtrop | Wir suchen heute nicht mehr nach der einen Ausdrucksweise, nach dem Manifest, das alles festlegt. Wir nehmen Dinge auf verschiedene Art wahr. Je vielfältiger ein Werk interpretiert werden kann, desto interessanter und erfolgreicher ist es. Das ist für mich auch das Interessante an Architektur. Es ist nicht damit getan, eine bestimmte Funktion oder ein Programm zu erfüllen. Andererseits würde ich niemals meine Arbeit erklären und sagen: Sie bedeutet dieses und nichts anderes.
Ihre Arbeit hat den Titel „163 Räume“. Ich habe höchstens 15 gezählt.
KK | Der Eindruck ist absolut richtig. Aber wir zählen die Räume, die man als Raum wahrnehmen kann.
AH | Ein Raum bleibt ein Raum, auch wenn man ihn nicht betreten kann.

Hatten Sie ein Raumprogramm oder durften Sie machen, was sie wollten?
KK | Das Museum wollte ein Konzept für die De Stijl-Ausstellung, bei dem Architektur und Kunst eng verflochten sind. Das war das Programm.
Das Gemeentemuseum erläutert auf seiner Webseite, dass sich Ihr Konzept auf einen Text von Piet Mondrian aus dem Jahr 1925 bezieht, in dem es um die Stadt, die Straße, das Haus und die Inneneinrichtung geht.
AH | Mondrian beschreibt darin, was De Stijl als Bewegung ausmacht. Es  geht um Maß und Komposition, das Kleine und das Große und die For­derung nach ein und derselben Sprache für alle Maßstäbe wie den der Stadt, des Hauses oder der Inneneinrichtung. Theo van Doesburg wollte nicht zwischen Kunst und Architektur oder Design trennen. Er zeichnete das in einem Diagramm aus Rechtecken auf. Wir haben dieses Diagramm gedanklich in unseren Plan übersetzt. Der ganz kleine Maßstab und die sehr großen Räume sprechen dieselbe Sprache.
Konnten Sie diesen Plan so umsetzen?
AH | Es war faszinierend zu sehen, wie präzise die Schreiner unser Modell in wochenlanger Arbeit in den Maßstab 1 : 1 übertragen haben. Selbst die Ungenauigkeiten. Aber die Ausstellung zeigt auch die Unterschiede zwischen unseren Vorstellungen und denen des Museums. Wir hätten gern einen größeren Kontrast zwischen den einzelnen Räumen hergestellt und sie jeweils mehr auf einen speziellen Aspekt des Themas konzentriert.
KK | Die Bespielung der Räume war leider nicht Teil unserer Arbeit. Das Museum hat seine eigenen Vorstellungen. Sie haben zum Beispiel Bildschirme aufgehängt. Ich finde das Geflimmer sehr störend.
Sie haben keine Farben verwendet, obwohl De Stijl sich nicht zuletzt auch über Farben definiert hat und obwohl Ihre Arbeiten, Herr de Koning, oft sehr farbenfroh sind. Warum?
AH | Wir glauben, dass die Form die Geschichte erzählen kann. Es gab zu keinem Zeitpunkt die Frage, ob wir Farbe einsetzen sollten. Wir haben Weiß und ein helles Grau verwendet, wollten nur leichte Schattierungen schaffen, um Räume wertvoller erscheinen zu lassen. Aber die Lichtstärke der Decke ist in jedem Raum eine andere. Das Auge nimmt daher verschiedene Farben wahr.

Im Zentrum der Ausstellung laufen die Wände zu einem scheinbaren Geflecht zusammen. Was würden Sie davon halten, wenn das Museum hier auch Exponate hinstellt? Oder anders: Gibt es hier dann doch eine Grenze zwischen Ausstellungsarchitektur und Kunstwerk?
KK | Die Grenzen muss jeder selbst herausfinden. Man kann sich zum Beispiel auch hineinsetzen und wird Teil des Kunstwerks. 
Herr Holtrop, Sie sehen sich eher als Künstler denn als Architekt. Sie publizieren, debattieren und stellen wunderschöne Modelle aus. Werden Sie nach dieser Erfahrung nun mehr bauen wollen?
AH | Ich sitze gerade am Entwurf für das neue Historische Museum der Niederlande. Ende 2012 ist Baubeginn. Im Übrigen denke ich, dass Modelle architektonische Ideen in Reinstform sind.
Fakten
Architekten Holtrop, Anne, Amsterdam; de Koning, Krijn, Amsterdam
aus Bauwelt 13.2012
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