Bauwelt

Trockene Pipelines, leere Tanker

Wie geht es weiter ohne Öl?

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Trockene Pipelines, leere Tanker

Wie geht es weiter ohne Öl?

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Eine Stuttgarter Ausstellung – in Verbindung mit der aktuellen Ausgabe von Arch+ konzipiert – zeigt, wie die Stadt ohne fossile Brennstoffe aussehen kann.
Wenn es bei einer Ausstellung um die drängende Zukunft der Stadt geht, dann geht es auch um die Frage der Anschaulichkeit. Wie lässt sich die Null-Energie-Stadt im Modell darstellen? Ist nicht das griffigste Zukunftsmodell längst erfunden: das der Modelleisenbahn, das eine superrealistische Zwischenstadt mit einer futuristischen Infrastruktur zusammenbringt, bei der für jeden Bewohner die Bahn vor der eigenen Haustür abfährt und das Auto nicht mehr nötig ist? Die Macher der Ausstellung in der Galerie des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) haben einen Titel gewählt, der zugespitzter und präziser ist als das, was unter den Stichworten „Eco-City“ oder „Green City“ zur Zeit im Umlauf ist. Die Ausstellungscrew – im wesentlichen die Arch+ Redaktion – geht jedenfalls aufs Ganze: Sie nagelt den letzten Tropfen Öl an die Wand und nennt ihr Konzept „Post-Oil City“.
Was wird aus der Stadt wenn das Öl weg ist? Über den genauen Zeitpunkt streiten sich die Experten. Sicher ist, dass die weltweiten Reserven dreimal so schnell aufgebraucht wie neue erschlossen werden. Was passiert, wenn die Tanker bloß noch halbgefüllt über die Weltmeere kurven? Die Ausstellung dreht solche Endzeitperspektiven um und verweist darauf, dass Strategien zur Bewältigung bereits in utopischen Projekten der 60er und 70er Jahre vorgedacht wurden. Die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart leisten Texte aus Bruno Latours Konzept einer „Philosophie der Dinge“, in der alles mit allem verbunden und Teil einer gedehnten Vorstellung von Umwelt ist, die ständig weiter zu bearbeiten und zu gestalten ist. Dank systematischer Querverweise gelingt der Schau ein Spagat: In der Gegenüberstellung von alten „gescheiterten“ und neuen Projekten werden die möglichen Szenarien erst lesbar gemacht.
Ein Nachteil der Ausstellung liegt allerdings darin, dass die besonders eingängigen Projekte der Latour’schen Theorie allumfassender Bindungen nicht standhalten. So ist der New Yorker Hoch-Bahnpark „High-Line“ angesichts der enormen Immobilienspekulation kaum als progressive Transformation zu bezeichnen. Unverständlich auch, dass die aktuell größte PR-Luftblase aus dem Büro Foster, Masdar City, an zwei Stellen kritiklos vorgestellt wird. Lediglich im Katalog zeigt das Interview mit Matthias Schuler von transsolar ansatzweise, wie zynisch der luxuriöse Plan die Lebenssituation der Zuträger von außen (Pendler etc.) ausblendet.
Den Auftakt der Ausstellung bildet ein großes Stadtmodell, das die chinesische Stadt Xiamen und die taiwanesische Stadt Taichung miteinander verbindet – ein schönes, bunt leuchtendes Projekt von Raoul Bunschoten, bei dem die Besucher auf Knopfdruck den gutgemeinten smart grids folgen dürfen, die sich die Planer zuvor ausgedacht haben. Vor diesem Modell will man in die Knie gehen. Das, was Unterhalb der glitzernden Oberfläche zu sehen ist, gehorcht nur noch der systemischen Ordnung elektrischer Steckverbindungen: nicht viel mehr als zusammengesteckter Kabelsalat und doch eine besonders wirksame Metapher unsichtbarer städtischer Infrastruktur. Mit diesem verknäuelten Fond der städtischen Dinge, so wünscht man sich, könnten weitere Ausstellungen umgehen lernen.

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