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Spielräume

Bühnenmodelle im österreichischen Theatermuseum

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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Spielräume

Bühnenmodelle im österreichischen Theatermuseum

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Mit rund 1000 Bühnenbild- und Architekturmodellen verfügt das österreichische Theatermuseum in Wien über eine beachtliche Sammlung zur Geschichte der Bühnenkunst. Auch eine Modellrekonstruktion des Totaltheaters von Walter Gropius befindet sich darunter. Doch leider ist von den schönen Stücken wenig zu sehen, das Haus widmet sich lieber aufwen­digen, populären Wechselausstellungen. Eine kleine Schau mit acht Bühnenmodellen bietet seit kurzem jedoch einen knappen historischen Überblick.
 Dass jedes Bühnenkonzept auch eine andere Form des Spiels und der Rolle des Zuschauers bedingt, kann an den Modellen exemplarisch nachvollzogen werden. Und, natürlich, wie dieses Wechselspiel die gesellschaftliche Funktion des Theaters widerspiegelt.
Während im Mittelalter das Passionsspiel als volkstümliche Mischung von Akteuren und Zuschauern in der Regel auf dem Marktplatz als offener Simul­tanbühne umgesetzt wurde, knüpften Renaissance und Barock an Bildungsgedanken der Antike an. Der geschlossene Theaterbau entwickelte sich als Gebäudetypologie, der zur Repräsentation und Demonstration von Macht und Wissen dienen sollte. Das Publikum, nun zwangsläufig begrenzt und ausgewählt, wurde durch das Proszenium vom Bühnenraum getrennt, die Guckkastenbühne entstand. Verschiebbare Kulissen verfeinerten den illusionistischen Dekor, die Einführung der Drehbühne ermöglichte einen schnellen und ungestörten Szenenwechsel. Dieser Typus ist bis heute im Opern- und Sprechtheater vorherrschend. In einem großen filigranen Holzmodell von 1880 ist der Bühnenraum des Alten Burgthea­ters am Michaelerplatz mit seiner Kulissenmaschine­rie minutiös dargestellt.
Experimente und Neuorientierungen brachte erst das 20. Jahrhundert hervor. Friedrich Kiesler beispielsweise organisierte 1924 die „Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik“ im Wiener Konzerthaus. Auf der von ihm entworfenen spiralförmi­gen Raumbühne kam ein expressionistisches Stück zur Aufführung, ein dynamisches Spiel auf allen
Ebenen, das vom Publikum in jedem Vorgang ohne Sichteinschränkung erlebt werden sollte – eine deutliche Absage an die traditionelle Guckkastenbühne. Ebenso gab es aber auch wieder Rückgriffe auf mittelalterliche Formen des Simultanspiels, etwa durch Clemens Holzmeister. Er baute 1933 für eine Inszenierung von Max Reinhardt bei den Salzburger Festspielen die „Faust-Stadt“ in die weiträumige Naturkulisse der Felsenreitschule.
Ein österreichisches Kuriosum stellt die Würfelbühne des Tirolers Hans Fritz dar. Den originalen Modell-Baukasten aus der Zeit um 1920 hat das Theatermuseum kürzlich erworben. Das Bühnensystem bestand aus dreidimensionalen Bauelementen – Pris­men, Polyeder, Treppen –, die mathematischen Tei­lun­gen folgten und frei auf der Bühne kombiniert werden konnten. Sie gewährleisteten ein hohes Maß an Variabilität und auch an Wirtschaftlichkeit, da sie beliebig oft wiederverwendbar waren. Und Hans Fritz erhob nicht nur die Abstraktion im Bühnenraum zum ästhetischen Prinzip und stellte sich somit ge­gen die illusionistisch gemalte Kulissenbühne – er übertrug seine Systematisierungen auch auf ein Fertigungsmodell zur seriellen Herstellung von kubi­schen Wohnhäusern, das er auf der Werk­bund­ausstel­lung im Weißenhof 1927 als „Mathma-Bausystem“ vorstellte.

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