25 Jahre Baukultur
Was aus einer Idee wurde, die als Kamingespräch begann: von einer Gründung, einem Gesetz – und einer Bundesstiftung Baukultur, die mehr ist als eine Institution
Text: Rose, Ulrike, Schlehdorf am Kochelsee
25 Jahre Baukultur
Was aus einer Idee wurde, die als Kamingespräch begann: von einer Gründung, einem Gesetz – und einer Bundesstiftung Baukultur, die mehr ist als eine Institution
Text: Rose, Ulrike, Schlehdorf am Kochelsee
Die Bundesstiftung Baukultur wurde 2006 per Gesetz gegründet – ja. Doch ihr Ursprung reicht an jenen Punkt, wo Planer, Politik, Visionäre und Widerspenstige zusammensaßen, um dem Unbehagen an der gebauten Umwelt etwas entgegenzusetzen. Karl Ganser war vielleicht der Wichtigste unter ihnen. Ohne ihn gäbe es die Stiftung und den Begriff Baukultur in seiner heutigen Bedeutung nicht. Ganser forderte „eine Stimme mit Autorität und Unabhängigkeit“. Es war ein Appell an das Gewissen. Baukultur ist kein Luxus. Sie ist die demokratische Verantwortung für das, was wir planen und bauen – und wie wir dabei miteinander umgehen.
Das Bundesbauministerium startete 2000 die „Initiative Architektur und Baukultur.“ Achim Großmann, Parlamentarischer Staatssekretär, Peter Conradi, Architekt und Politiker, und Karl-Heinrich Schwinn, Ingenieur, brachten Unbeirrbarkeit mit; Ganser stellte Fragen: Wer spricht für das Bauen in Deutschland? Wer schützt das Gute, das Langsame, das Hinhörende? Die Antwort: eine Stiftung.
Eine Stiftung, die zuhört, provoziert und Gutes sichtbar macht. Mit einem Gründerkreis von 120 Personen aus der Breite der Gesellschaft, der die Ziele der künftigen Stiftung diskutierte. Darunter Werner Durth, Jörg Haspel, Wolfgang Kil, Christiane Thalgott, Werner Sobek, Meinhard von Gerkan, Werner Sewing, Ursula Baus und viele mehr. Günter Wankerl, Lutz Jürgens und Michael Marten koordinierten auf Seiten des Ministeriums.
Es gab Stolpersteine auf dem Weg zur Stiftung. Die 100-Euro Kampagne unter Architekten und Ingenieuren blieb weit hinter den Erwartungen von Karl Ganser zurück. 2004 entfachte sich ein Streit zwischen Bund und Bundesländern über die Zuständigkeit für Baukultur, der durch die vorgezogenen Neuwahlen des Bundestags 2005 erst einmal zum Erliegen kam. Engelbert Lütke Daldrup ergriff damals die Initiative und brachte Ende 2006 das Gesetz zur Stiftungsgründung durch das Parlament. 2007 nahm die Bundesstiftung Baukultur ihre Arbeit auf. Michael Braum, erster Vorstandsvorsitzender, baute die operative Stiftungsarbeit und den Stiftungssitz in Potsdam auf. Seit 2013 führt Reiner Nagel die Stiftung in die Fläche. Was mit Wenigen begann, findet heute breite Unterstützung durch über 1800 Persönlichkeiten, Institutionen und Unternehmen im Förderverein Bundesstiftung Baukultur e.V. – dank des ehrenamtlichen Vorstands, seit vielen Jahren unter Vorsitz von Karsten Tichelmann, und der Geschäftsführung von Silja Schade-Bünsow.
Was gelingt, wenn viele zuhören – Formate mit Wirkung
Konvente der Baukultur – Bühne und Werkstatt zugleich Der Konvent der Baukultur ist das zentrale Forum der Stiftung. Der 1. Konvent tagte im April 2003 im ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestags in Bonn. Schirmherr und Bundespräsident Johannes Rau brachte es auf den Punkt: „Ein Buch kann man zuschlagen und weglegen. Musik kann man abschalten, und niemand ist gezwungen ein Bild aufzuhängen, das ihm nicht gefällt. An einem Haus aber kann man nicht vorbeigehen, ohne es zu sehen. Architektur hat die größte sichtbare gesellschaftliche Wirkung. Gebäude prägen nicht nur Stadtviertel und Städte. Sie prägen unsere Gesellschaft.“ 2007 folgte der Gründungskonvent in Potsdam. Seitdem treffen sich alle zwei Jahre Fachleute aus Baukultur, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft und Initiativen, um gemeinsam über Stadt, Land, Raum und Verantwortung zu beraten. Im Kern geht es um die Frage, wie wir leben wollen.
Baukulturbericht – Diagnose und Debatte zur Lage der Baukultur in Deutschland Alle zwei Jahre erscheint der Baukulturbericht. Er ist das wichtigste Werkzeug der Stiftung, ein Spiegel der Gegenwart mit klarem Blick auf die Zukunft: mit Umfragen, guten Beispielen und konkreten Empfehlungen. Der Bundestag debattiert ihn, die Ministerien arbeiten damit. Ein Beispiel dafür, wie Kulturpolitik politisch Substanz bekommt.
Formate – lokal wie international Ob Baukulturwerkstätten, Regionalformate, Sommerreise oder internationale Netzwerktreffen: Die Stiftung spricht, vernetzt, stößt an und schafft Räume für Austausch. Sie ist Gast und Gastgeberin. International setzt sie mit den europäischen Baukulturakteuren Maßstäbe. Sie besucht Orte, an denen Baukultur gelebt wird oder eben auch nicht. Das stärkt lokale Akteure, öffnet politische Türen und schafft Sichtbarkeit, wo Qualität sonst leise bleibt.
Einmal im Jahr diskutiert die Stiftung auf Schloss Ettersburg mit Bau- und Immobilienwirtschaft, Planung, Politik, Verbänden und ihren Partnern über die Zukunft des Bauens. Das Ettersburger Gespräch verbindet Ökonomie mit Ethos und Baupraxis mit Gesellschaftspolitik.
Baukulturelle Bildung Das Wissen um Baukultur ist wesentlich für die Wahrnehmung und das verantwortungsbewusste Mitgestalten der gebauten Umwelt. Die Stiftung setzt sich dafür ein: 2009 die Kampagne bauTraum, 2017 die Gründung des Netzwerks Baukulturelle Bildung, 2022 die Potsdamer Resolution und aktuell das erste Schulbuch Baukultur für allgemein- und berufsbildende Schulen. Mit den Wettbewerben „10 m2 Baukultur“ und dem soeben ausgelobten „30 m3 Baukultur“ fördert die Stiftung junge Ideen und baukulturelles Engagement. Durch die Ansprache der Jüngsten und Jungen wird Baukultur langfristig ein weit verbreiteter Begriff – zu einer gesellschaftlichen Haltung über die Kreise der Planenden und Gestaltenden hinaus.
Was ist jetzt? Eine Stiftung als Haltung
Die Bundesstiftung Baukultur ist heute viel mehr als eine Institution. Sie ist eine Einladung: zum Nachdenken und zum Mitgestalten. Ihre größte Stärke? Sie fördert nicht, sie fordert. Und sie traut dem Diskurs etwas zu.
Baukultur entsteht nicht von selbst. Sie braucht das Wort. Das gute gebaute Beispiel. Und Orte, an denen Haltung entsteht. Wie Karl Ganser sagte: „Wir müssen uns selbst mehr zumuten, wenn es mit der Baukultur weitergehen soll.“







0 Kommentare