Bauwelt

Der Masterplan

Gespräch mit Wu Siegfried Zhiqiang über die Expo in Shanghai

Text: Kockelkorn, Anne, Zürich; Meyer, Friederike, Berlin

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Der Masterplan

Gespräch mit Wu Siegfried Zhiqiang über die Expo in Shanghai

Text: Kockelkorn, Anne, Zürich; Meyer, Friederike, Berlin

Shanghai hat die Weltausstellung als Instrument für den Stadtumbau genutzt. Der Chef der Expo-Planungsabteilung Wu Siegfried Zhiqiang, der lange in Deutschland gelebt hat, erläutert aus seiner Sicht, was dabei wichtig war. Die Expo-Pavillons kommen dabei gar nicht vor.
Noch nie hat sich eine Weltausstellung über eine derart große Fläche und dazu noch beiderseits eines Flusses erstreckt. Auf den Expo-Arealen befanden sich zuvor Schiffbau- und Hafenanlagen, Werke der Stahlindustrie und Wohnungen. Um Shanghai in diesem Gebiet südlich des Zentrums zu entwickeln, wurden die Industrie- und Hafenanlagen Richtung Flussmündung verlegt und 10.000 Haushalte an den Stadtrand umgesiedelt. Diese Maßnahmen waren wichtig, damit wir mit der Weltausstellung eine Reihe von langfristigen Stadtentwicklungsprojekten in Angriff nehmen konnten. Sie betreffen den Klimaschutz, öffentliche Verkehrsmittel, Grünflächen und die Ansiedlung internationaler Institutionen.

Stadterweiterung

Klimagerechtes Bauen muss bei der Stadtplanung anfangen. Wir haben die Straßen, die das Gelände durchziehen und an denen später Wohnhäuser und Bürobauten stehen werden, nach der Windrichtung ausgerichtet. Der Wind kommt hier von Südosten. Wir haben die Straßen so angeordnet, dass
der natürliche Luftzug die Fassaden der Häuser kühlt, die meiste Energie wird in Shanghai im Sommer für die Kühlung von Wohnungen verbraucht. Außerdem wollen wir die Geothermie zur Kühlung nutzen und haben entsprechende Leitungen vom Fluss Huangpu in das Areal verlegt. Die Häuser, die nach der Expo auf dem Gelände entstehen werden, können mit Flusswasser natürlich gekühlt werden.
Das Zentrum des neuen Stadtteils wird die Expo-Achse. In dem einen Kilometer langen, mehrgeschossigen Bauwerk sind Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und Bus- und U-Bahnhaltestellen zusammengefasst. Um alle Ebenen natürlich zu belichten und zu belüften, gibt es keine geschlossene Fassade, und riesige Glastrichter führen bis in die untere Ebene.
Wie alle Städte in China braucht Shanghai ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz. Die Expo-Achse wird der künftige Verkehrsknotenpunkt für den östlich des Flusses gelegenen Stadtteil Pudong sein. Die neue U-Bahn-Linie 13, die das Expo-Gelände derzeit mit drei Stationen erschließt, wird später verlängert. Im Vergleich zur Expo in Hannover im Jahr 2000 benötigen wir wesentlich weniger Parkflächen. Denn wir haben in Shanghai eine ganze Reihe neuer U-Bahnlinien gebaut. Vor 15 Jahren gab es in Shanghai noch keine U-Bahn, entsprechend dem Masterplan Shanghai 2020 werden es bald 420 Streckenkilometer sein – mehr als in London, wo seit Eröffnung der ersten Linie vor fast 150 Jahren bisher 408 Kilometer gebaut wurden.
Shanghai braucht Grünflächen. Der Fluss ist ein wichtiges Naturelement der Stadt. Deshalb haben wir am Flussufer auf der Pudong-Seite einen Park angelegt. Dieser soll in den kommenden Jahren vom Expo-Gelände bis ins Stadtzentrum hinein verlängert werden.
Shanghai braucht sehr dringend Flächen für die Ansiedlung von internationalen Institutionen. Derzeit unterhalten 46 Länder Konsulate in der Stadt. Doch viel mehr Länder signalisieren Bedarf, und auch internationale Organisationen fragen an. Im Nord-Osten des Expo-Geländes, auf der Pudong-Seite, ist dafür eine Fläche reserviert.
Zusätzlich zur Expo-Achse haben wir vier weitere Großbauten errichtet, die nach der Weltausstellung stehen bleiben. Das Expo Center und der Themenpavillon werden zum neuen internationalen Konferenz- und Messezentrum Shanghais, zwischen ihnen, dort, wo derzeit ein Restaurantkomplex steht, ist ein Hotelhochhaus geplant. Auch das Ufo-förmige Veranstaltungszentrum ist neu. Bisher hatte Shanghai kein Veranstaltungszentrum, in dem zum Beispiel Pop-Konzerte für mehrere tausend Menschen stattfinden können. Jetzt gibt es einen Saal mit maximal 18.000 Plätzen, den man, falls erforderlich, verkleinern kann. Und schließlich der chinesische Pavillon. Mit 63 Metern ist er das höchste Gebäude auf dem Gelände. Nach der Weltausstellung wird er zum Nationalmuseum umgenutzt.

Behutsame Stadterneuerung

In den vergangenen Jahrzehnten wurde in China immer abgerissen und neu gebaut. Diese Praxis soll sich ändern. Die Expo soll ein gutes Beispiel für den Umgang mit alten Gebäuden sein. Die ganze Welt und alle Bürgermeister Chinas schauen in diesen Monaten nach Shanghai. Es ist das erste Mal, dass für eine Weltausstellung derart große Industriebauten umgenutzt wurden. Auf der Pudong-Seite wurde ein ehemaliges Stahlwerk zur offenen Bühne am Fluss, auf der Puxi-Seite wurden drei alte Schiffbauhallen für Veranstaltungen umgebaut.

Expo der Städte

Was die Pavillons und Ausstellungen selbst betrifft: Ich denke, die Expobewegung hat nur eine Zukunft, wenn sich die Städte untereinander austauschen. Nicht mehr die Zugehörigkeit zu einem Land, sondern die zu einer Stadt wird künftig interessant sein. Deshalb haben wir entsprechend unserem Motto: „Better City Better Life“ auf der Seite des Stadtteils Puxi das UBP-Areal (Urban Best Praxis) eingerichtet, in dem sich einzelne Städte mit ihren Pavillons präsentieren können – ein Novum bei einer Weltausstellung.
Die großen Städte kämpfen alle mit den gleichen Problemen und können ohne den Umweg über ihre Länder viel direkter miteinander kommunizieren. Shanghai hat über 50 Partnerstädte. Diese sollten zusammenarbeiten. Die ausstellenden Städte aus China und der Welt zeigen Beispiele zur Verbesserung der Lebensbedingungen. Wir sollten den Städten mehr Respekt und mehr Liebe entgegenbringen, dann können wir besser in ihnen leben. Dafür will diese Weltausstellung Impulse geben.

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