Bauwelt

Vorschlag zur Neuordnung des Kunstareals

Eine Bürgerinitiative

Text: Knapp, Gottfried, München

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Vorschlag zur Neuordnung des Kunstareals

Eine Bürgerinitiative

Text: Knapp, Gottfried, München

Darf man einen Wohltäter kritisieren? Die„Stiftung Pinakothek der Moderne“, die größte Verdienste um den Kulturstandort München hat, stellte im Juli letzten Jahres ehrgeizige Pläne für einen möglichen Ausbau des Münchner Museumsviertels zur Diskussion vor.
Sie möchte nicht nur der Pinakothek der Moderne (PDM) mit einem Neubau auf der Freifläche vor dem Haupteingang zu neuen Ausstellungs- und Depotmöglichkei­ten verhelfen, also ein Gegenprogramm zum verschleppten zweiten Bauabschnitt anbieten, sondern mit verkehrsberuhigenden Maßnahmen auf der Barer Straße auch einen zentralen Platz zwischen der Alten Pinakothek und der Pinakothek der Moderne schaffen, der dem Kunstareal eine neue Mitte ge­ben und die Publikumsströme bündeln soll. Beide Vorschläge enthalten interessante Einzelgedanken, können aber in der vorgestellten Ausformung nicht richtig überzeugen.
Das zu sagen, fällt schwer angesichts der enormen Anschubleistungen der Stiftung beim Bau der Pinakothek. Ohne das Engagement der in der Stiftung vereinten Kunstfreunde und Förderer wäre das von Stephan Braunfels entworfene Museum nie zu Ende gebaut oder allenfalls in verkrüppelter Form den Benutzern übergeben worden. Nur mit den von der Stiftung zusammengetragenen 26 Millionen Mark konnte der von den Bauämtern sträflich schlampig abgewickelte, von der Politik zusätzlich mit einem „Kosten­deckel“ belastete Bau mit Anstand vollendet werden.
Auch in den sechseinhalb Jahren seit der Eröffnung hat die Stiftung enorm viel für die Pinakothek der Moderne getan. So hat sie mit einer Spende von 780.000 Euro dafür gesorgt, dass in diesem Jahr das konservierte Torgebäude der vormaligen Türkenkaserne saniert und als Kunstraum für eine von Walter de Maria konzipierte gigantische Granitkugel ausgebaut werden kann.

Der zweite Bauabschnitt
Vor allem aber hat die Stiftung in der Öffentlichkeit immer wieder darauf hingewiesen, dass der Bau der Pinakothek der Moderne in seinem jetzigen Zustand nur ein erstes Teilstück jenes Großmuseums für die Kunst des 20. Jahrhunderts ist, das der Freistaat Bayern versprochen hat. Nach wie vor werden die Räume für große Sonderausstellungen – sie sind erst im zweiten Bauabschnitt vorgesehen – heftig vermisst. Wenn die Staatsgalerie auch nur eine mittelgroße Ausstellung zeigen will, wie sie von vergleichbaren kommunalen oder staatlichen Instituten ständig organisiert wird, muss in München die Sammlung brutal zusammengestutzt werden: Man räumt dann, wie bei der Beckmann-Ausstellung, das Obergeschoss, das eigentlich für die Dauerpräsentation der hauseigenen Bestände konzipiert worden ist, mit riesigem Sicherheitsaufwand zur Hälfte leer, um es nach Beendigung der Ausstellung wieder kostspielig mit den empfindlichen Objekten einzurichten. Wer in dieser Zeit nach München kommt, um zu sehen, was Bayern an Werken der Moderne besitzt, wird maßlos enttäuscht sein von den im Haus verbliebenen Resten.
Schwer erträglich ist auch die Tatsache, dass die Graphische Sammlung, eines der wichtigsten Institute seiner Art weltweit, bei allen Museumsneuplanungen des Freistaats nach dem Krieg zwar berücksichtigt, aber dann doch immer wieder zurückgestellt worden ist und mit ihren wissenschaftlichen Einrichtungen nach wie vor auf die Gnade des zweiten Bauabschnitts hoffen muss.
Jede Initiative, die hier etwas in Bewegung bringen will, ist also hoch zu loben. Und doch kann man den eben verkündeten „Kunst(t)räumen“ der Stiftung Pinakothek der Moderne nur eingeschränkt zustimmen. Die Ideen, die darauf abzielen, das Kunstareal aufzuwerten und das Quartier zu beleben, gehen baulich jedenfalls in eine falsche Richtung, sie besetzen recht unsensibel den derzeit grünen Freiraum, den die dritte Pinakothek dringend braucht, um sich neben den souverän frei gestellten anderen Pinakotheken behaupten zu können.

Der Braunfels-Plan
In den nach wie vor gültigen Planungen für den Ausbau der PDM hat Stephan Braunfels einen L-förmigen Gebäudekomplex entlang der Gabelsberger- und der Türkenstraße vorgesehen, der die früheren Fluchten der Türkenkaserne aufnimmt und das konservierte Tor, das ja die Maße vorgibt, sinnvoll einbindet in die Architektur des Museumskomplexes. Als man in diesem Geviert einen Platz für den Neubau der Sammlung Brandhorst suchte, hat man den an der Ecke Türken-/Theresienstraße geplanten Baukörper in das Braunfels’sche Muster eingepasst, die rahmende Figur also ausdrücklich bestätigt, ja quasi den Anstoß für den Weiterbau, für die Errichtung des zweiten Bauabschnitts gegeben.
Auch die Stiftung hat in dem nun vorgelegten Entwurf die Konturen des Braunfels’schen L als mögliche Form der Zukunft mit aufgenommen, will aber zusätzlich die Frei­fläche im Zentrum des Blocks für Neubauten opfern. Das gibt einige Rätsel auf, denn mit diesen ablenkenden Plänen schiebt sie den unumgänglichen zweiten Bauabschnitt noch weiter auf die lange Bank. Merkwürdig ist auch, dass sich die Stiftung bei ihrem Vorstoß nicht mit ausgewiesenen Museumsarchitekten verbündet hat, sondern einen Architekten zu Rate zieht, der vorwiegend für die Autoindustrie gearbeitet hat.

Der Henn-Vorschlag
Gunter Henn, der Schöpfer eindrucksvoller Autowelten, schlägt in seinem Masterplan einen aus drei Teilen zusammengesetzten Bauriegel vor, der sich auf der jetzigen Rasenfläche zwischen die Pinakothek der Moderne und den nördlich gegenüberliegenden, ebenfalls dreiteiligen Institutsbau der Ludwig-Maximilians-Universität, der längerfristig zum Abriss vorgesehen ist, schiebt.
Damit die von Braunfels im Quartierzentrum frei gestellte Blickachse zwischen dem vor kurzem wieder geöffneten Klenze’schen Haupteingang der Alten Pinakothek und dem am Ende des Nachbarblocks axial gegenüberliegenden Türkentor nicht ganz verbaut wird, klemmt Henn seinen Riegel so hart neben die gedachte Mittellinie, dass sich von Klenzes Portal aus gesehen auf dem Grundstück vis-à-vis ein reichlich schizophrenes, unschön asymmetrisches Bautengeschachtel auftut.
Wenn dann gar noch der klobige Riegel der dahinter liegenden Universitätsbauten, der bei diesen Plänen quasi die Rückwand bildet, abgerissen wird, steht der Wunschbau der Stiftung so unharmonisch halbmittig auf dem Gelände, dass sich weder zu den beiden axial und geometrisch schlüssig aufeinander bezogenen Pinakotheken noch zum Türkentor oder zur Sammlung Brandhorst ein halbwegs stimmiges Verhältnis ergibt. Die Stiftung würde mit ihrem Vorschlag ihrer eigenen Kreation, dem Kunstraum Türkentor, viel von einer möglichen Fernwirkung nehmen.
Denkbar für diesen offenen Freiraum, der ja im künftigen Kunstraumkonglomerat des Blocks die Funktion der zentralen Freifläche übernehmen soll, wäre allenfalls ein ganz in den Untergrund versenktes Gebäude, das freilich nur Depots und vielleicht noch einen Sonderausstellungsraum aufnehmen könnte.
Nicht ganz überzeugen kann auch das Wunschbild ei­ner die drei Pinakotheken aufeinander beziehenden Platzfläche, die die Stifter mit dem modisch klingenden Rätselwort „Center of Gravity“ umschreiben. Richtig ist, dass dem Kunstareal mit den drei Museumssolitären eine zentrale Anlaufstelle, etwas Attraktiv-Signifikantes, Zentrierendes, so wie die Pei-Pyramide im Hof des Louvre, fehlt. Doch der Vergleich hinkt. In der strengen Blockstruktur der Maxvorstadt bedeutet eine platzartige Situation, die wie ein Mag­netfeld die Passanten aus den benachbarten Straßen zusammenziehen soll, einen Bruch mit der lokalen Tradition: Die Maxvorstadt hat ja im nahegelegenen Königsplatz, an dem die Glyptothek und die Antikensammlung platziert sind, schon ihren zentralen Museumsplatz und ihren kulturellen Zielpunkt. Alle nachfolgenden Kulturbauten – die Universitäten und die Pinakotheken – sind als Solitäre dezidiert in den vom Königsplatz und der Briennerstraße ausgehenden Blockraster eingefügt, ordnen sich also bereitwillig der Quartierstruktur unter, sie wirken nicht über ihren eigenen Block hinaus. Wer sie mit anderen Bauten zu einem platzartigen Gefüge verschrauben will, vergeht sich am historischen Stadtraum. Zudem ist es fraglich, ob sich allein mit der Verkehrsberuhigung und Begrünung der Barer Straße und mit einem zentralen Empfangsgebäude vor der PDM, das die Kassen, ein Café und die Vortragsräume enthält, der Publikumsstrom im Museumsquartier mächtig vergrößern und bündeln lässt.
Der Masterplan von Henn für das Kunstareal enthält also allenfalls einige bedenkenswerte Anregungen. Mit ei­nem Depotkeller vor der Pinakothek der Moderne und unterirdischen Verbindungsgängen ließen sich tatsächlich einige organisatorische Probleme im Quartier lösen. Doch da zu befürchten ist, dass ein von der Stiftung bezahlter Behelfsbau den dringend benötigten zweiten Bauabschnitt der Pinakothek der Moderne bei den derzeitigen Finanzverhältnissen in ungewisse Ferne verschiebt, müssen sich die Freunde der Münchner Museen energisch gegen die Pläne und den falschen Ehrgeiz der Stiftung wehren. Nur wenn der ehemalige Türkenblock mit dem zweiten Bauabschnitt seinen auf das alte Kasernengeviert bezogenen rahmenden Riegel bekommt, schließt sich die begonnene stadträumli­che Figur auf überzeugende Weise. Man kann also nur hoffen, dass sich die Stiftung bei der von ihr angeregten großen Expertenbefragung im April von der Logik dieses Ansatzes überzeugen lässt und das von ihr vorgeschlagene störende Zusatzbauwerk irgendwann aus der Debatte zurückzieht.
Fakten
Architekten Henn Architekten, München
aus Bauwelt 07.2009
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