Tuned City. Architektonische Räume aus der Perspektive des Akustischen, in Berlin
Text: von Fischer, Sabine, Zürich
Tuned City. Architektonische Räume aus der Perspektive des Akustischen, in Berlin
Text: von Fischer, Sabine, Zürich
Die Neugierde ist der Anfang jeder Hörerfahrung, so Bernhard Leitner während der Podiumsdiskussion im Berliner Veranstaltungszentrum Pfefferberg. An diesem zweiten Abend des fünftägigen Symposiums "Tuned City. Zwischen Klang- und Raumspekulation" diskutierten der Komponist Sam Auinger und drei Architekten über das Verhältnis der Architekten zum Sound.
Leitners einprägsamer Satz stand im Zusammenhang mit einer Frage, die auf eine mögliche Unterscheidung der wahrgenommenen Töne, wie sie das Gehirn verarbeitet, vom Klang im Raum, der auf den aktiven, sensibilisierten Zuhörer wartet, gezielt hatte. In der Zusammenarbeit zwischen Tonkünstler und Architekt sind diese Bereiche traditionell getrennt. Ob diese Grenzen aufgeweicht werden können, und wenn ja, wie, das hatten sich die Organisatoren des Symposiums, das von zahlreichen Installationen und Performances begleitet wurde, zu untersuchen vorgenommen. Unter der Leitung von Carsten Stabenow und Gesine Pagels führte das multidisziplinäre Team sein ambitioniertes Vorhaben Anfang Juli an dreizehn Orten in Berlin mit über fünfzig Vorträgen, Präsentationen und Installationen aus.
Zu Beginn des Einführungsabends stand ein Vortrag des Digitaltonpioniers Barry Blesser, der der jüngeren Generation im transdisziplinären Denken mit gutem Beispiel voranging. Es folgte der Vortrag eines bestimmt guten, aber nicht gerade hellhörigen Architekten, der einmal mehr vorführte, wie Räume funktionell und visuell, aber nicht auditiv entworfen werden. Ganz anders die thematische Herangehensweise der Diskussionsteilnehmer des eingangs erwähnten zweiten Abends: Martin Ostermann und Lena Kleinheinz, die das junge Berliner Büro „magma architecture“ führen und sich als Ausstellungsdesigner in multimedialen, multisensoriellen und – wie ihre Installation „Gehörgänge“ belegte – auch in multidisziplinären Bereichen bewegen, sehen den Klang als Aspekt einer weit gefächerten architektonischen Praxis. Und Bernhard Leitner hat sich seit 40 Jahren den Tonräumen verschrieben. Hör- und Körperwahrnehmung sind das Zentrum seiner installativen Arbeiten an Raum, Objekt und Körper (Heft 8). Magma architecture räumten ein – wie auch verschiedene andere Vortragende –, dass die Akustik natürlich nur ein Aspekt der architektonischen Arbeit sei und immer in Bezug zur visuellen, haptischen und zu anderen sinnlichen Erfahrungen stehe.
Dass auch soziale und kulturelle Aspekte eine wichtige Rolle spielen, stand am nächsten Morgen an der Technischen Universität zur Debatte. Nach Vorträgen zur Empfindung konsonanter und dissonanter Musik und zu Helmholtz’ historischen Modellen der Hörerfahrung führten die Wege durch die echofreien und hochresonanten Versuchsräume und zu Leitners seit 1984 installiertem Hörraum im Hauptgebäude der Universität. Der stärkste Impuls aber, um die Neugierde für das Hören und für den Raum zu wecken, ging von den verschiedenen Orte aus, an denen die Vorträge, Projektpräsentationen, Performances, örtlichen Eingriffe und Workshops stattfanden: Den heißesten Tag der Woche verbrachten die mit Kopfhörern von den Umgebungsgeräuschen abgeschotteten Teilnehmer, einer konspirativen Vereinigung ähnlich, wahlweise auf den Stufen unter dem Fernsehturm oder auf der dort von der Gruppe „raumlabor“ installierten Gummimatte, den kältesten in einer Bauruine neuerer Zeit auf dem Areal des Wriezener Bahnhofs, wo das „Freiraumlabor“ für verschiedene Klanginstallationen Platz bot. Höhepunkt der geschichtlichen und disziplinären Überlagerungen war das Rundfunkhaus an der Nalepastraße, das 1992 stillgelegt wurde und nun, mit der Unterstützung eines israelischen Investors, zu einem Aufnahmestudio für internationale Pop- und Rockstars werden soll. Vorerst aber ist es in erster Linie noch Zeuge der Vergangenheit und weiterhin Europas beste Aufnahmestätte.
Das dichte, vielseitige und hervorragend ausgewählte Programm von Tuned City hat das breite Spektrum von Klang und Raum aufgezeigt und interessante Momente der gegenseitigen Inspiration ermöglicht. Dass auch das Wort „Spekulation“ im Untertitel der Veranstaltung steht, hält fest, dass dies immer ein erfinderischer, gestaltender Prozess ist. Raum erstreckt sich über die Länge, Breite und Höhe, Klang findet in der zeitlichen Dimension statt. Auch die Architektur in dieser vierten Dimension zu denken ist eine erste Voraussetzung für das Zusammenspiel von Ton und Raum – neben der Neugierde.







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