Architektur kann nur überleben, wenn sie sich öffnet
Galerist? Kurator? Motivator? Eine Berufsbezeichnung für das, was er seit 25 Jahren mit der Architektur Galerie Berlin macht, gebe es nicht, sagt Ulrich Müller. Ein Gespräch über die Wandlung des Architekturdiskurses, den Ausstellungsort als Verhandlungsgegenstand, das Potenzial der längst ikonisch gewordenen Schaufenster – und die Galerie als fortwährenden Lernprozess
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Architektur kann nur überleben, wenn sie sich öffnet
Galerist? Kurator? Motivator? Eine Berufsbezeichnung für das, was er seit 25 Jahren mit der Architektur Galerie Berlin macht, gebe es nicht, sagt Ulrich Müller. Ein Gespräch über die Wandlung des Architekturdiskurses, den Ausstellungsort als Verhandlungsgegenstand, das Potenzial der längst ikonisch gewordenen Schaufenster – und die Galerie als fortwährenden Lernprozess
Text: Friedrich, Jan, Berlin
25 Jahre Architektur Galerie Berlin – die erste Frage muss natürlich lauten: Wie ging das damals los?
Ulrich Müller Ich bin selbst Architekt – das ist in diesem Zusammenhang wichtig zu wissen. Denn aus meiner praktischen Arbeit heraus wurde der Gedanke geboren, sich auf andere Weise mit Architektur auseinanderzusetzen, als man das als junger Planer damals üblicherweise tat. Man vergisst das leicht: Vor 25 Jahren gab es noch kein Internet. Kommunikation lief nahezu ausschließlich analog. Ich dachte, es wäre interessant, eine Ausstellungsreihe zu machen mit Kolleginnen und Kollegen, deren Arbeit ich bewundere. Dass das einmal eine professionelle Form annehmen würde, daran war überhaupt nicht gedacht.
Ulrich Müller Ich bin selbst Architekt – das ist in diesem Zusammenhang wichtig zu wissen. Denn aus meiner praktischen Arbeit heraus wurde der Gedanke geboren, sich auf andere Weise mit Architektur auseinanderzusetzen, als man das als junger Planer damals üblicherweise tat. Man vergisst das leicht: Vor 25 Jahren gab es noch kein Internet. Kommunikation lief nahezu ausschließlich analog. Ich dachte, es wäre interessant, eine Ausstellungsreihe zu machen mit Kolleginnen und Kollegen, deren Arbeit ich bewundere. Dass das einmal eine professionelle Form annehmen würde, daran war überhaupt nicht gedacht.
Anfang der 2000er konnte man in Berlin gut experimentieren.
Es standen wahnsinnig viele Ladenflächen leer. Ohne diese historische Situation – dass man einen Raum bekam, für den man höchstens Strom bezahlte, und die Eigentümer froh waren, wenn jemand die Schaufenster putzte – wäre das gar nicht möglich gewesen. Ich konnte es einfach probieren, ohne finanzielles Risiko. Dass Ausstellungen machen ein eigenes Genre ist, war mir nicht klar. Und mir war auch nicht klar, was das inhaltlich bedeuten sollte. Um die Nullerjahre herum gab es in Berlin eine superstarke Kunstszene. Ich verortete mich eher in diesem Kontext – zwischen Architektur und Kunst. Zweimal war ich sogar auf der Kunstmesse Art Forum Berlin mit der Galerie.
Es standen wahnsinnig viele Ladenflächen leer. Ohne diese historische Situation – dass man einen Raum bekam, für den man höchstens Strom bezahlte, und die Eigentümer froh waren, wenn jemand die Schaufenster putzte – wäre das gar nicht möglich gewesen. Ich konnte es einfach probieren, ohne finanzielles Risiko. Dass Ausstellungen machen ein eigenes Genre ist, war mir nicht klar. Und mir war auch nicht klar, was das inhaltlich bedeuten sollte. Um die Nullerjahre herum gab es in Berlin eine superstarke Kunstszene. Ich verortete mich eher in diesem Kontext – zwischen Architektur und Kunst. Zweimal war ich sogar auf der Kunstmesse Art Forum Berlin mit der Galerie.
Die Galerie, könnte man sagen, war also ziemlich schnell erfolgreich?
Erfolg ist ein zu großes Wort, aber das Projekt fiel auf fruchtbaren Boden. Ich habe ein Jahr lang eine Reihe „Architektur Landschaft Fotografie“ gemacht u.a. mit Arbeiten von Heinrich Helfenstein, Margherita Spiluttini, Hans-Christian Schink und Stefan Müller. Sie wurde zu großen Teilen von der Architekturbiennale in Venedig übernommen. Das war für mich als Anfänger natürlich riesig. Anschließend wurde sie an der ETH Zürich gezeigt. Das hat mich bestärkt, die Sache gründlicher anzugehen. Irgendwann stand ich vor der Entscheidung: Betreibe ich die Galerie weiter, indem ich nachts dafür arbeite und tagsüber Geld verdiene, oder versuche ich, das zusammenzubringen? Ich hatte auf der einen Seite einen sicheren Job als angestellter Architekt – es waren Krisenjahre – auf der anderen Seite eine Galerie, die in gewissem Rahmen internationale Aufmerksamkeit erfuhr. Schließlich habe ich gesagt: Ich hänge den Beruf des Architekten an den Nagel und konzentriere mich auf die Galerie, miete feste Räume, entwickle ein Konzept, ein Corporate Design etc.
Erfolg ist ein zu großes Wort, aber das Projekt fiel auf fruchtbaren Boden. Ich habe ein Jahr lang eine Reihe „Architektur Landschaft Fotografie“ gemacht u.a. mit Arbeiten von Heinrich Helfenstein, Margherita Spiluttini, Hans-Christian Schink und Stefan Müller. Sie wurde zu großen Teilen von der Architekturbiennale in Venedig übernommen. Das war für mich als Anfänger natürlich riesig. Anschließend wurde sie an der ETH Zürich gezeigt. Das hat mich bestärkt, die Sache gründlicher anzugehen. Irgendwann stand ich vor der Entscheidung: Betreibe ich die Galerie weiter, indem ich nachts dafür arbeite und tagsüber Geld verdiene, oder versuche ich, das zusammenzubringen? Ich hatte auf der einen Seite einen sicheren Job als angestellter Architekt – es waren Krisenjahre – auf der anderen Seite eine Galerie, die in gewissem Rahmen internationale Aufmerksamkeit erfuhr. Schließlich habe ich gesagt: Ich hänge den Beruf des Architekten an den Nagel und konzentriere mich auf die Galerie, miete feste Räume, entwickle ein Konzept, ein Corporate Design etc.
Inzwischen ist die Architektur Galerie Berlin untrennbar mit dem ehemaligen Laden in der Karl-Marx-Allee verbunden, den Sie seit 2005 bespielen. War Ihnen das Potenzial dieses Ortes von Anfang an bewusst?
Ich bin durch Berlin geradelt und stieß auf diesen wunderbaren Raum. In den ersten fünf Jahren war ich, ehrlich gesagt, nicht sicher, ob das hier funktioniert. Der Karl-Marx-Allee wird von jeher enormes Potenzial zugeschrieben. Aber es ist eben eine riesige Straße, die nicht besonders gemütlich ist. Ich war auch unsicher, ob Leute aus Mitte, wo die Galerie vorher war, überhaupt herkommen würden. Vor zwanzig Jahren lag die Karl-Marx-Allee zumindest gefühlt am Rand des Berliner Zentrums.
Ich bin durch Berlin geradelt und stieß auf diesen wunderbaren Raum. In den ersten fünf Jahren war ich, ehrlich gesagt, nicht sicher, ob das hier funktioniert. Der Karl-Marx-Allee wird von jeher enormes Potenzial zugeschrieben. Aber es ist eben eine riesige Straße, die nicht besonders gemütlich ist. Ich war auch unsicher, ob Leute aus Mitte, wo die Galerie vorher war, überhaupt herkommen würden. Vor zwanzig Jahren lag die Karl-Marx-Allee zumindest gefühlt am Rand des Berliner Zentrums.
Es ist inzwischen, wenn man so will, ein Alleinstellungsmerkmal der Architekturkommunikation geworden, dass die Büros, die bei Ihnen ausstellen, sich mit diesem besonderen Raum auseinandersetzen müssen.
Tatsächlich habe ich in den ersten Jahren vor allem viel von den Architektinnen und Architekten gelernt, die hier ausstellten: Was sind deren Befindlichkeiten? Welches Material gibt es? Was ist der Diskurs? Und dann kamen Leute, die alles, was ich in übers Ausstellungmachen gelernt hatte, völlig auf den Kopf stellten. Die hängten gar nichts an die Wand, sondern arbeiteten mit dem Raum selbst.
Tatsächlich habe ich in den ersten Jahren vor allem viel von den Architektinnen und Architekten gelernt, die hier ausstellten: Was sind deren Befindlichkeiten? Welches Material gibt es? Was ist der Diskurs? Und dann kamen Leute, die alles, was ich in übers Ausstellungmachen gelernt hatte, völlig auf den Kopf stellten. Die hängten gar nichts an die Wand, sondern arbeiteten mit dem Raum selbst.
Welche Büros waren das, die Sie so beeinflusst haben?
Ad hoc erinnere ich mich an drei Ausstellungen, die meine Sichtweise fundamental verändert haben: Behles & Jochimsen, Holzer Kobler und Tatiana Bilbao. Die haben das über Jahrzehnte selbstverständliche Format – Pläne und Fotos an die Wand, Modelle in den Raum – völlig neu gedacht. Sie tapezierten den Raum, verwendeten Spiegel, bauten ein Baugerüst hinein, begriffen den Raum selbst als Verhandlungsgegenstand. Diese Idee habe ich adaptiert, und bis heute formuliere ich sie als Wunsch an die Büros: Macht etwas, das über eine reine Präsentation eurer Arbeit hinausgeht. Etwas, das als architektonisches Statement verstanden werden kann. Ich versuche, bei jedem Büro eine Stelle zu finden, an der ich es motivieren kann, über das hinauszugehen, womit es ursprünglich hergekommen ist.
Ad hoc erinnere ich mich an drei Ausstellungen, die meine Sichtweise fundamental verändert haben: Behles & Jochimsen, Holzer Kobler und Tatiana Bilbao. Die haben das über Jahrzehnte selbstverständliche Format – Pläne und Fotos an die Wand, Modelle in den Raum – völlig neu gedacht. Sie tapezierten den Raum, verwendeten Spiegel, bauten ein Baugerüst hinein, begriffen den Raum selbst als Verhandlungsgegenstand. Diese Idee habe ich adaptiert, und bis heute formuliere ich sie als Wunsch an die Büros: Macht etwas, das über eine reine Präsentation eurer Arbeit hinausgeht. Etwas, das als architektonisches Statement verstanden werden kann. Ich versuche, bei jedem Büro eine Stelle zu finden, an der ich es motivieren kann, über das hinauszugehen, womit es ursprünglich hergekommen ist.
Auch die Galerie-Schaufenster sind stets Teil dieses Konzepts: Die „Storefront Images“, die Sie von jeder Ausstellung anfertigen lassen, sind inzwischen ikonisch.
Bis ich begriffen hatte, dass der Innenraum nach außen strahlt – oder der Außenraum nach innen – hat es bestimmt zwanzig Ausstellungen gebraucht. Die Galerie war und ist ein Lernprozess für mich, wahrscheinlich wird sie das immer bleiben. Erst durch die Fotodokumentationen der Ausstellungen merkte ich, welches Potenzial in den Schaufenstern steckt. Nicht nur ästhetisch, sondern auch inhaltlich und strategisch. Denn parallel veränderte sich der Diskurs: Während jahrelang Architektur als Gestaltungsdisziplin im Vordergrund stand, kamen neue Fragen auf: Wen möchte man erreichen? Was sind die Aufgaben unserer Zeit? Wie spiegelt Architektur das wider? Da wurde klar: Es ist großartig, dass man in diesen Räumen Architektur nicht nur Fachbesuchern zeigen kann ...
Bis ich begriffen hatte, dass der Innenraum nach außen strahlt – oder der Außenraum nach innen – hat es bestimmt zwanzig Ausstellungen gebraucht. Die Galerie war und ist ein Lernprozess für mich, wahrscheinlich wird sie das immer bleiben. Erst durch die Fotodokumentationen der Ausstellungen merkte ich, welches Potenzial in den Schaufenstern steckt. Nicht nur ästhetisch, sondern auch inhaltlich und strategisch. Denn parallel veränderte sich der Diskurs: Während jahrelang Architektur als Gestaltungsdisziplin im Vordergrund stand, kamen neue Fragen auf: Wen möchte man erreichen? Was sind die Aufgaben unserer Zeit? Wie spiegelt Architektur das wider? Da wurde klar: Es ist großartig, dass man in diesen Räumen Architektur nicht nur Fachbesuchern zeigen kann ...
... sondern auch zufälligen Passanten …
… ich beobachte oft, wie Leute stehen bleiben, etwas Interessantes sehen und dann hereinkommen. Wir müssen Bilder entwickeln, die so anziehend sind, dass auch Nicht-Fachleute neugierig werden. Natürlich ist damit noch nicht die Welt gerettet. Aber wenn jemand, der sich nie zuvor mit Architektur beschäftigt hat, hereinkommt und mitnimmt: Es gibt Architektur, man kann sie zeigen, man kann sie verhandeln – dann ist schon etwas gewonnen.
… ich beobachte oft, wie Leute stehen bleiben, etwas Interessantes sehen und dann hereinkommen. Wir müssen Bilder entwickeln, die so anziehend sind, dass auch Nicht-Fachleute neugierig werden. Natürlich ist damit noch nicht die Welt gerettet. Aber wenn jemand, der sich nie zuvor mit Architektur beschäftigt hat, hereinkommt und mitnimmt: Es gibt Architektur, man kann sie zeigen, man kann sie verhandeln – dann ist schon etwas gewonnen.
Einige Jahre lang gab es mit dem „Satellit“, einem Raum im Nachbarhaus, eine Dependance, in der Sie Veranstaltungen und kleinere Ausstellungen gemacht haben. Wie kam es dazu?
Als es zunehmend etabliert war, Ausstellungsinstallationen zu konzipieren, die den Raum komplett füllten, wurde die Galerie bekannter. Mit der Bekanntheit kamen immer mehr Anfragen – nicht nur für Ausstellungen, sondern auch für Buchvorstellungen, Veranstaltungen und dergleichen. Die Rauminstallationen ließen solche Formate allerdings kaum zu. Es war schlicht kein Platz dafür in der Galerie.
Am Anfang leitet ich die Anfragen zu Aedes oder ans DAZ weiter. Aber wenn die Galerie Diskursplattform sein will – wenn also Leute hier mehr als Ausstellungen machen wollen –, dann ist das eine großartige Chance. Als sich die Möglichkeit eröffnete, den zweiten Raum gleich neben der Galerie zu mieten, nutzte ich die Gelegenheit und setzte dort all diese ergänzenden Formate um, ohne die ein Ausstellungsort heute überhaupt keine Relevanz mehr besitzt.
Als es zunehmend etabliert war, Ausstellungsinstallationen zu konzipieren, die den Raum komplett füllten, wurde die Galerie bekannter. Mit der Bekanntheit kamen immer mehr Anfragen – nicht nur für Ausstellungen, sondern auch für Buchvorstellungen, Veranstaltungen und dergleichen. Die Rauminstallationen ließen solche Formate allerdings kaum zu. Es war schlicht kein Platz dafür in der Galerie.
Am Anfang leitet ich die Anfragen zu Aedes oder ans DAZ weiter. Aber wenn die Galerie Diskursplattform sein will – wenn also Leute hier mehr als Ausstellungen machen wollen –, dann ist das eine großartige Chance. Als sich die Möglichkeit eröffnete, den zweiten Raum gleich neben der Galerie zu mieten, nutzte ich die Gelegenheit und setzte dort all diese ergänzenden Formate um, ohne die ein Ausstellungsort heute überhaupt keine Relevanz mehr besitzt.
Die neuen Formate sind auch nach dem Ende des Satelliten geblieben.
Zwei Orte parallel zu betreiben, war eine enorme Bereicherung für die Galerie. Die neuen Formate haben ein Publikum erschlossen, von dem ich vorher nicht zu träumen wagte. Als ich den Satelliten aufgab, weil das Arbeitspensum schlicht nicht mehr leistbar war, war klar: Ich werde nicht zur alten Form zurückkehren. Es musste sich ein organisatorisches Gerüst finden, um die verschiedenen Formate künftig in einem Raum stattfinden zu lassen. Würde man heute ausschließlich Ausstellungen machen – das wäre völlig unzeitgemäß. Zu elitär. Zu eindimensional.
Zwei Orte parallel zu betreiben, war eine enorme Bereicherung für die Galerie. Die neuen Formate haben ein Publikum erschlossen, von dem ich vorher nicht zu träumen wagte. Als ich den Satelliten aufgab, weil das Arbeitspensum schlicht nicht mehr leistbar war, war klar: Ich werde nicht zur alten Form zurückkehren. Es musste sich ein organisatorisches Gerüst finden, um die verschiedenen Formate künftig in einem Raum stattfinden zu lassen. Würde man heute ausschließlich Ausstellungen machen – das wäre völlig unzeitgemäß. Zu elitär. Zu eindimensional.
In den letzten Jahren konnte man den Eindruck bekommen, das Bewusstsein für die gesellschaftliche Dimension von Architektur habe enorm zugenommen. Erleben Sie das beim Ausstellungmachen ebenso?
Ja, sehr. Das Bewusstsein für die gesellschaftliche Rolle von Architektur ist gewachsen, nicht zuletzt durch den Druck der jüngeren Generation. Ich habe das im Text zu meiner Jubiläumsausstellung „The Architecture Exhibition of Tomorrow“ so formuliert: Architekturausstellungen sind Spiegel und Teil des Architekturdiskurses. Die Galerie ist Teil dieses Diskurses, sie verändert sich mit ihm. Früher ging es darum, ein Ergebnis zu zeigen. Heute geht es um übergeordnete Fragen und wie Architektur sie beantwortet. Gleichzeitig arbeite ich mich weiterhin daran ab, wie Architektur ausgestellt werden kann und auf welchen Wegen man ein möglichst breites Publikum erreicht.
Ja, sehr. Das Bewusstsein für die gesellschaftliche Rolle von Architektur ist gewachsen, nicht zuletzt durch den Druck der jüngeren Generation. Ich habe das im Text zu meiner Jubiläumsausstellung „The Architecture Exhibition of Tomorrow“ so formuliert: Architekturausstellungen sind Spiegel und Teil des Architekturdiskurses. Die Galerie ist Teil dieses Diskurses, sie verändert sich mit ihm. Früher ging es darum, ein Ergebnis zu zeigen. Heute geht es um übergeordnete Fragen und wie Architektur sie beantwortet. Gleichzeitig arbeite ich mich weiterhin daran ab, wie Architektur ausgestellt werden kann und auf welchen Wegen man ein möglichst breites Publikum erreicht.
25 Jahre Architektur Galerie Berlin – da darf die Frage nach Ihren Lieblingsausstellungen nicht fehlen.
Vielleicht als Fazit: Die besten Ausstellungen sind die, die ernsthaft versuchen, über den Tellerrand hinauszuschauen. Ausstellungen, die die Galerie als Werkstatt begreifen. Und es gibt da ein Paradox: Manchmal sind genau die Ausstellungen, die ich persönlich wahnsinnig gelungen finde, beim Publikum gar nicht so erfolgreich – und umgekehrt.
Vielleicht als Fazit: Die besten Ausstellungen sind die, die ernsthaft versuchen, über den Tellerrand hinauszuschauen. Ausstellungen, die die Galerie als Werkstatt begreifen. Und es gibt da ein Paradox: Manchmal sind genau die Ausstellungen, die ich persönlich wahnsinnig gelungen finde, beim Publikum gar nicht so erfolgreich – und umgekehrt.
Woran macht sich der Erfolg fest?
An Besucherzahlen. Und an den Augen der Leute. Die Leute kommen rein, und ich sehe sofort, ob ihre Augen leuchten oder nicht. Wir hatten Anfang des Jahres mit der TU Berlin die Ausstellung „Einfamilienhäuser für alle“. Da kamen so viele junge Leute zur Eröffnung, das war einfach herrlich. Oder die Veranstaltung „Die Bauwende ist weiblich*“ – da waren 400 junge Kolleginnen. Großartig. Und dann gibt es diese Ausstellungen, über die die Leute Jahre später noch sprechen, wie über die berühmte rote Treppe des Schweizer Büros :mlzd.
An Besucherzahlen. Und an den Augen der Leute. Die Leute kommen rein, und ich sehe sofort, ob ihre Augen leuchten oder nicht. Wir hatten Anfang des Jahres mit der TU Berlin die Ausstellung „Einfamilienhäuser für alle“. Da kamen so viele junge Leute zur Eröffnung, das war einfach herrlich. Oder die Veranstaltung „Die Bauwende ist weiblich*“ – da waren 400 junge Kolleginnen. Großartig. Und dann gibt es diese Ausstellungen, über die die Leute Jahre später noch sprechen, wie über die berühmte rote Treppe des Schweizer Büros :mlzd.
Eine solche Materialschlacht wäre heute kaum noch vorstellbar.
Die Schau war wahnsinnig aufwendig. Und am Ende musste alles weggeschmissen werden, weil der Deal mit dem Haus der Statistik, die Treppe zu übernehmen, nicht klappte. Der Nachhaltigkeitsgedanke spielt heute eine immer größere Rolle. Was passiert mit den Exponaten? Werden sie weiterverwendet, neu gebaut, verschenkt? Tatiana Bilbaos Ausstellung etwa würde ich als wichtige Referenz bezeichnen. Aber heute würde das niemand mehr machen: eine Tonne Bauholz aus Mexiko-Stadt hierherfahren.
Die Schau war wahnsinnig aufwendig. Und am Ende musste alles weggeschmissen werden, weil der Deal mit dem Haus der Statistik, die Treppe zu übernehmen, nicht klappte. Der Nachhaltigkeitsgedanke spielt heute eine immer größere Rolle. Was passiert mit den Exponaten? Werden sie weiterverwendet, neu gebaut, verschenkt? Tatiana Bilbaos Ausstellung etwa würde ich als wichtige Referenz bezeichnen. Aber heute würde das niemand mehr machen: eine Tonne Bauholz aus Mexiko-Stadt hierherfahren.
Berlin hat das Glück, mit Ihnen und Aedes gleich zwei privat geführte Architekturorte zu haben. Spielt das eine Rolle für Ihre Arbeit?
Auf jeden Fall. Als Kristin Feireiss verstarb, habe ich in einem Insta-Post geschrieben – und den meinte ich sehr ernst: „You were always a role model for me.“ Aedes war immer vorne, hat Maßstäbe gesetzt. Das war und ist ein Ansporn. Konkurrenz belebt das Geschäft, man bleibt wach und versucht gleichzeitig sein Profil zu schärfen. Was uns jedoch eint, ist das Unverständnis darüber, dass Architekturvermittlung in Deutschland nicht gefördert wird. Einen privaten Ort zu betreiben, erscheint von außen eventuell reizvoll, ist jedoch nur mit harter Arbeit und im Prinzip unter prekären Verhältnissen möglich. Gleichzeitig möchte ich auf die vielen anderen Ausstellungsorte verweisen, die zur hohen Qualität des Diskurses beitragen: Berlin ist die einzige Stadt weltweit mit einem Architekturausstellungskalender und einem Architecture Exhibitions Weekend (Anm. d. Red.: Beides hat Ulrich Müller gegründet).
Auf jeden Fall. Als Kristin Feireiss verstarb, habe ich in einem Insta-Post geschrieben – und den meinte ich sehr ernst: „You were always a role model for me.“ Aedes war immer vorne, hat Maßstäbe gesetzt. Das war und ist ein Ansporn. Konkurrenz belebt das Geschäft, man bleibt wach und versucht gleichzeitig sein Profil zu schärfen. Was uns jedoch eint, ist das Unverständnis darüber, dass Architekturvermittlung in Deutschland nicht gefördert wird. Einen privaten Ort zu betreiben, erscheint von außen eventuell reizvoll, ist jedoch nur mit harter Arbeit und im Prinzip unter prekären Verhältnissen möglich. Gleichzeitig möchte ich auf die vielen anderen Ausstellungsorte verweisen, die zur hohen Qualität des Diskurses beitragen: Berlin ist die einzige Stadt weltweit mit einem Architekturausstellungskalender und einem Architecture Exhibitions Weekend (Anm. d. Red.: Beides hat Ulrich Müller gegründet).
Sie haben die Jubiläumsschau „The Architecture Exhibition of Tomorrow“ erwähnt, zu der Sie Architektinnen und Architekten eingeladen hatten, sich Gedanken zur Zukunft von Architekturausstellungen zu machen (Bauwelt 17.2025). Welche Anregungen nehmen Sie daraus mit?
Öffnen, öffnen, öffnen! Inhaltlich, strukturell. Auch über neue Finanzierungsmodelle muss man nachdenken. Architektur kann nur überleben und stark bleiben, wenn sie sich in all ihren Formaten wirklich öffnet. Wenn sie neue Formen, neues Publikum, neue Perspektiven sucht und entwickelt. Das kann ganz unterschiedlich aussehen. Wir haben das im Kleinen ausprobiert: zusammen mit der Bundesstiftung Baukultur die „Bürgersteigsalons“ auf dem Gehweg vor der Galerie, bei denen Passanten stehen bleiben, zuhören, sich einmischen. Das ist nicht die große Revolution, aber ein wichtiger Schritt: raus aus dem Raum, raus aus den Büros, raus aus unseren Blasen.
Tobias Walliser hat beim Galeriegespräch zur Jubiläumsschau etwas gesagt, das mir im Kopf geblieben ist: „Ja, Ulrich, ich weiß, die Storefront-Images sind weltberühmt. Aber fotografier doch in den nächsten Jahren mal nicht mehr von außen nach innen, sondern von innen nach außen.“ Das finde ich eine starke Metapher für die Veränderungen, die anstehen.
Öffnen, öffnen, öffnen! Inhaltlich, strukturell. Auch über neue Finanzierungsmodelle muss man nachdenken. Architektur kann nur überleben und stark bleiben, wenn sie sich in all ihren Formaten wirklich öffnet. Wenn sie neue Formen, neues Publikum, neue Perspektiven sucht und entwickelt. Das kann ganz unterschiedlich aussehen. Wir haben das im Kleinen ausprobiert: zusammen mit der Bundesstiftung Baukultur die „Bürgersteigsalons“ auf dem Gehweg vor der Galerie, bei denen Passanten stehen bleiben, zuhören, sich einmischen. Das ist nicht die große Revolution, aber ein wichtiger Schritt: raus aus dem Raum, raus aus den Büros, raus aus unseren Blasen.
Tobias Walliser hat beim Galeriegespräch zur Jubiläumsschau etwas gesagt, das mir im Kopf geblieben ist: „Ja, Ulrich, ich weiß, die Storefront-Images sind weltberühmt. Aber fotografier doch in den nächsten Jahren mal nicht mehr von außen nach innen, sondern von innen nach außen.“ Das finde ich eine starke Metapher für die Veränderungen, die anstehen.
Ulrich Müller
ist Gründer und Leiter der Architektur Galerie Berlin, mit inzwischen mehr als 150 Ausstellungen. Zuvor studierte er Architektur in Weimar und Darmstadt und arbeitete als Architekt in Berlin (u.a. für O.M. Ungers). Ulrich Müller gibt den zweimonatlichen Kalender AAB – Architektur Ausstellungen Berlin heraus, betreibt die Plattform AEX - Architecture Exhibitions Platform, die einzige Übersicht aller Ausstellungsorte weltweit mit wöchentlichen Updates zu ca. 800 Ausstellungsorten, und organisiert die jährliche Veranstaltung AEW - Architecture Exhibitions Weekend. 2021 wurde die Galeriedokumentation „Storefront Images“ der Sammlung des DAM Deutsches Architekturmuseum in Frankfurt am Main hinzugefügt.
ist Gründer und Leiter der Architektur Galerie Berlin, mit inzwischen mehr als 150 Ausstellungen. Zuvor studierte er Architektur in Weimar und Darmstadt und arbeitete als Architekt in Berlin (u.a. für O.M. Ungers). Ulrich Müller gibt den zweimonatlichen Kalender AAB – Architektur Ausstellungen Berlin heraus, betreibt die Plattform AEX - Architecture Exhibitions Platform, die einzige Übersicht aller Ausstellungsorte weltweit mit wöchentlichen Updates zu ca. 800 Ausstellungsorten, und organisiert die jährliche Veranstaltung AEW - Architecture Exhibitions Weekend. 2021 wurde die Galeriedokumentation „Storefront Images“ der Sammlung des DAM Deutsches Architekturmuseum in Frankfurt am Main hinzugefügt.







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