Landhäuser in Berlin 1933–1945
Text: Gympel, Jan, Berlin
Landhäuser in Berlin 1933–1945
Text: Gympel, Jan, Berlin
In der Weimarer Republik noch eine der wichtigsten Bauaufgaben, führte der Massenwohnungsbau nach 1933 bekanntlich eher ein Schattendasein. Ungebrochen dagegen war die Bautätigkeit im Bereich der privaten Wohnhäuser, welche vom Staat insbesondere durch Steuererleichterungen gefördert wurde – und rasch auch wieder behindert, denn im Zuge der Kriegsvorbereitungen kam es zur Reglementierung des Einsatzes von Stahl oder Beton, zur Verknappung von Holz, aber auch von Arbeitskräften und generell der Baukapazitäten.
Dennoch sollen während der zwölf NS-Jahre in Berlin fast 32.000 Ein- und Zweifamilienhäuser entstanden sein, wobei schon ab Februar 1940 praktisch nur noch bereits begonnene Projekte fertiggestellt werden konnten. Der Anteil der privat finanzierten Vorhaben am gesamten Wohnungsbau stieg von 59 Prozent im Krisenjahr 1931 auf knapp 94 Prozent anno 1936.
Ihrer quantitativ wichtigen Rolle zum Trotz, sind diese Gebäude bislang keiner näheren wissenschaftlichen Betrachtung unterzogen worden. Dies holt Frank Schmitz nun mit seiner Arbeit nach, wobei unter den im Titel genannten „Landhäusern“ individuell geplante Einfamilienhäuser in den Randbezirken oder außerhalb Berlins zu verstehen sind. Keine Baugattung, so Schmitz, wies während der Herrschaft des Nationalsozialismus eine größere Stilvielfalt auf. Und nirgendwo sei dies deutlicher gewesen als in Berlin.
Der Autor richtet sein Hauptaugenmerk auf die Formanalyse vor dem Hintergrund der direkt oder indirekt von der Politik bestimmten Rahmenbedingungen. In gestalterischer Hinsicht waren die Vorgaben unklar und teils widersprüchlich. Bauten der behandelten Art ließen sich nicht für Propagandazwecke nutzen. Mangels Interesse der Machthaber wurde daher nie ein detailliertes Leitbild festgelegt. An anderer Stelle formulierte Forderungen wie jene nach „anständiger Baugesinnung“ oder „werkgerech- ter Durchbildung“ hat man für Landhäuser kaum
definiert. Die Auslegung durch die jeweils zuständigen Behörden variierte, in der Fachpresse gab es
bemerkenswert heftige Diskussionen. Zwar wurden ideologisch besonders aufgeladene Formen wie Flachdächer praktisch nicht mehr genehmigt, den Einsatz von Fensterbändern verhinderte bald auch die Reglementierung der Baustoffe, die staatliche Förderung wurde auf Bauten von maximal 150 Quadratmetern Wohnfläche beschränkt. Andererseits befehdeten bestimmte Kreise bald auch Walmdächer, erfreuten sich offene Grundrisse oder große Glasflächen, Einbaumöbel oder Versenkfenster weiterhin Beliebtheit, vom Fortleben gern der Moderne zugeordneter Konzepte wie jenen des „wachsenden“ oder des teilbaren Hauses ganz zu schweigen.
Schmitz erörtert zunächst die Definition der Begriffe „Villa“, „Landhaus“ und „Eigenheim“, dann die Rolle von Heimatschutzarchitektur, die Adaption der Bewegung „Um 1800“ und die Vorbildfunktion insbesondere Heinrich Tessenows, die Ablehnung des Historismus in der NS-Zeit und die Stildebatte zu Beginn des „Dritten Reiches“. Einzelne Kapitel widmen sich Typen wie dem „kleinen“, dem „modernen“, dem „individuellen“ oder dem „wandelbaren“, „teilbaren“ und „zusammenschaltbaren“ Haus. Jeweils ein für diese Gruppe besonders bezeichnender Bau wird ausgiebiger analysiert. Ferner geht es um die Vorbildfunktion von Architekturhandbüchern, al-len voran Ernst Neuferts „Bauentwurfslehre“, um das Schicksal moderner Architekten, um Gestalter und Auftraggeber von Einfamilienhäusern. Dabei gibt der Band, seinem Titel zum Trotz, auch einen allgemeinen Überblick über die Entstehung solcher Bauten in dieser Zeit.
Der Bautenkatalog umschließt 53 Objekte mit Ansichten, zuweilen leider allzu winzigen Grundrissen und kurzen Charakterisierungen, in erster Linie danach ausgesucht, eine möglichst große Bandbreite möglichst exemplarisch abzudecken. Darunter sind, natürlich, auch Arbeiten von Egon Eiermann, Otto Bartning, Hans Scharoun, Hermann Henselmann oder Ludwig Hilberseimer. Zu den Bauten, welche dem Vernehmen nach erstmals publiziert werden, zählen solche von Wils Ebert und den Gebrüdern Luckhardt.
Allerdings räumt Schmitz mit dem – oft auch von den betreffenden Architekten selbst genährten – Mythos auf, der Einfamilienhausbau sei ein Refugium für die „innere Emigration“ der Anhänger der Moderne gewesen, deren Anteil am gesamten Baugeschehen vor 1933 – selbst in Berlin – gemeinhin überschätzt wird. Zwar bestand bei dieser Bauaufgabe für viele Architekten am ehesten die Möglichkeit, weiterhin ihren Beruf auszuüben und wirtschaftlich zu überleben. Auch konnten gelegentlich moderne Elemente in die Entwürfe geschmuggelt werden. Doch gerade die auch dadurch entstandene Vermischung von modernen und traditionellen Konzepten und Bauformen bezeichnet der Autor als ein Hauptcharakteristikum des Wohnhausbaus im „Drit-ten Reich“. So schließt seine Arbeit nicht nur eine lokal- und bauhistorische Forschungslücke. Schmitz möchte mit ihr auch den Blick lenken auf oft nicht offensichtliche Qualitäten teils konventionell erscheinender Gebäude: „Nicht selten entpuppten sich unauffällige Bauten als anspruchsvolle, komplexe Raumschöpfungen, als durchdachte, ja funktionale Wohnhäuser.“
Ihrer quantitativ wichtigen Rolle zum Trotz, sind diese Gebäude bislang keiner näheren wissenschaftlichen Betrachtung unterzogen worden. Dies holt Frank Schmitz nun mit seiner Arbeit nach, wobei unter den im Titel genannten „Landhäusern“ individuell geplante Einfamilienhäuser in den Randbezirken oder außerhalb Berlins zu verstehen sind. Keine Baugattung, so Schmitz, wies während der Herrschaft des Nationalsozialismus eine größere Stilvielfalt auf. Und nirgendwo sei dies deutlicher gewesen als in Berlin.
Der Autor richtet sein Hauptaugenmerk auf die Formanalyse vor dem Hintergrund der direkt oder indirekt von der Politik bestimmten Rahmenbedingungen. In gestalterischer Hinsicht waren die Vorgaben unklar und teils widersprüchlich. Bauten der behandelten Art ließen sich nicht für Propagandazwecke nutzen. Mangels Interesse der Machthaber wurde daher nie ein detailliertes Leitbild festgelegt. An anderer Stelle formulierte Forderungen wie jene nach „anständiger Baugesinnung“ oder „werkgerech- ter Durchbildung“ hat man für Landhäuser kaum
definiert. Die Auslegung durch die jeweils zuständigen Behörden variierte, in der Fachpresse gab es
bemerkenswert heftige Diskussionen. Zwar wurden ideologisch besonders aufgeladene Formen wie Flachdächer praktisch nicht mehr genehmigt, den Einsatz von Fensterbändern verhinderte bald auch die Reglementierung der Baustoffe, die staatliche Förderung wurde auf Bauten von maximal 150 Quadratmetern Wohnfläche beschränkt. Andererseits befehdeten bestimmte Kreise bald auch Walmdächer, erfreuten sich offene Grundrisse oder große Glasflächen, Einbaumöbel oder Versenkfenster weiterhin Beliebtheit, vom Fortleben gern der Moderne zugeordneter Konzepte wie jenen des „wachsenden“ oder des teilbaren Hauses ganz zu schweigen.
Schmitz erörtert zunächst die Definition der Begriffe „Villa“, „Landhaus“ und „Eigenheim“, dann die Rolle von Heimatschutzarchitektur, die Adaption der Bewegung „Um 1800“ und die Vorbildfunktion insbesondere Heinrich Tessenows, die Ablehnung des Historismus in der NS-Zeit und die Stildebatte zu Beginn des „Dritten Reiches“. Einzelne Kapitel widmen sich Typen wie dem „kleinen“, dem „modernen“, dem „individuellen“ oder dem „wandelbaren“, „teilbaren“ und „zusammenschaltbaren“ Haus. Jeweils ein für diese Gruppe besonders bezeichnender Bau wird ausgiebiger analysiert. Ferner geht es um die Vorbildfunktion von Architekturhandbüchern, al-len voran Ernst Neuferts „Bauentwurfslehre“, um das Schicksal moderner Architekten, um Gestalter und Auftraggeber von Einfamilienhäusern. Dabei gibt der Band, seinem Titel zum Trotz, auch einen allgemeinen Überblick über die Entstehung solcher Bauten in dieser Zeit.
Der Bautenkatalog umschließt 53 Objekte mit Ansichten, zuweilen leider allzu winzigen Grundrissen und kurzen Charakterisierungen, in erster Linie danach ausgesucht, eine möglichst große Bandbreite möglichst exemplarisch abzudecken. Darunter sind, natürlich, auch Arbeiten von Egon Eiermann, Otto Bartning, Hans Scharoun, Hermann Henselmann oder Ludwig Hilberseimer. Zu den Bauten, welche dem Vernehmen nach erstmals publiziert werden, zählen solche von Wils Ebert und den Gebrüdern Luckhardt.
Allerdings räumt Schmitz mit dem – oft auch von den betreffenden Architekten selbst genährten – Mythos auf, der Einfamilienhausbau sei ein Refugium für die „innere Emigration“ der Anhänger der Moderne gewesen, deren Anteil am gesamten Baugeschehen vor 1933 – selbst in Berlin – gemeinhin überschätzt wird. Zwar bestand bei dieser Bauaufgabe für viele Architekten am ehesten die Möglichkeit, weiterhin ihren Beruf auszuüben und wirtschaftlich zu überleben. Auch konnten gelegentlich moderne Elemente in die Entwürfe geschmuggelt werden. Doch gerade die auch dadurch entstandene Vermischung von modernen und traditionellen Konzepten und Bauformen bezeichnet der Autor als ein Hauptcharakteristikum des Wohnhausbaus im „Drit-ten Reich“. So schließt seine Arbeit nicht nur eine lokal- und bauhistorische Forschungslücke. Schmitz möchte mit ihr auch den Blick lenken auf oft nicht offensichtliche Qualitäten teils konventionell erscheinender Gebäude: „Nicht selten entpuppten sich unauffällige Bauten als anspruchsvolle, komplexe Raumschöpfungen, als durchdachte, ja funktionale Wohnhäuser.“
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