Architekturführer Riga
Text: Kil, Wolfgang, Berlin
Architekturführer Riga
Text: Kil, Wolfgang, Berlin
Riga glänzt nicht nur durch Historie, Reichtum und Kultur, es hat auch den Zweiten Weltkrieg ohne große Schäden überstanden. Hansestadt, nordische Festung, Adelsresidenz, humanistischer Bildungsort und boomender Industriestandort, russische und deutsche Vorherrschaften, stolze Kapitale des 1918 gegründeten lettischen Staates, ab 1940 erst sowjetisch, dann deutsch besetzt, von 1944 bis 1989 unfreiwillig Teil der Sowjetunion.
Von alldem ist das Stadtbild geprägt, oft in europäischen Superlativen: größter Bestand an Holzhäusern, erste Gartenstadt („Kaiserwald“, 1901), größte Ansammlung von Jugendstilbauten, größter überdachter Handelsmarkt, zweithöchster Fernsehturm ... Das Bauen nach der Unabhängigkeit 1991 brachte manch wilde Form und Investoreneinerlei, aber seit der Finanzkrise arbeiten lettische Architekten jetzt vornehmlich im Bestand.
Für eine schlichte Reisevorbereitung bietet dieses Nachschlagewerk zu viel. Aber wer als Architekturliebhaber unterwegs ist, wird alles finden, was er sucht: knappen historischen Überblick, nach Spaziertouren geordnete Gliederung, informative Texte. Viele Fotos werden durch Pläne und Grundrisse ergänzt, besondere Highlights bekommen eine ganze Seite. Eigentliche Attraktion sind die prächtigen Haupt- und Querstraßen des sogenannten „Zentrums“ jenseits von Altstadt und Esplanade, an denen über weite Strecken Haus für Haus im Architekturführer steht. Anders als etwa in Deutschland war die Rigaer Gründerzeit kein Werk katalogbeflissener Bauunternehmer, sondern die große Zeit ehrgeiziger Architekten, die auch im normalen Wohnbau um den pompösesten, elegantesten oder anheimelndsten Fassadenstil konkurrierten. Diesen zahllosen Beispielen ungehemmter Bauphantasie die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt zu haben wie den weltweit vermarkteten Jugendstil-Preziosen – allein dafür sollte man die Publikation loben, die gerade noch rechtzeitig zum Kulturstadtjahr Riga2014 erschien. Diesem Anlass wird sich auch Bauwelt-Heft 33 widmen.
0 Kommentare