Bauwelt

Abriss im Klophausviertel?

Der Hamburger Cityhof, seit 2013 unter Denkmalschutz, ist schon lange ein Abrisskandidat. 1956–1958 von Rudolf Klophaus erbaut, galten die vier Scheiben als die ersten Hochhäuser der Stadt. Heute sind sie heruntergewirtschaftet und durch eine Sanierung in den Siebzigern verunstaltet. Oberbaudirektor Jörn Walter will das Filetgrundstück jetzt verkaufen und bietet das Ensemble zum Abbruch an. Doch in der frischgekürten Olympia-Bewerber-Stadt regt sich Widerspruch

Text: Wiegand, Franziska, Berlin

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    Der Cityhof steht unweit des Hauptbahnhofs, am Rand des Kontorhausviertels. Hauptnutzer ist das Bezirksamt Hamburg-Mitte, dessen Container den nördlichen Haupteingang zur Ladenpassage blockieren.

    Foto: Hagen Stier

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    Der Cityhof steht unweit des Hauptbahnhofs, am Rand des Kontorhausviertels. Hauptnutzer ist das Bezirksamt Hamburg-Mitte, dessen Container den nördlichen Haupteingang zur Ladenpassage blockieren.

    Foto: Hagen Stier

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    Hauptnutzer ist das Bezirksamt Hamburg-Mitte, dessen Container den nördlichen Haupteingang zur Ladenpassage blockieren.



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    Hauptnutzer ist das Bezirksamt Hamburg-Mitte, dessen Container den nördlichen Haupteingang zur Ladenpassage blockieren.



    Foto: Hagen Stier

Abriss im Klophausviertel?

Der Hamburger Cityhof, seit 2013 unter Denkmalschutz, ist schon lange ein Abrisskandidat. 1956–1958 von Rudolf Klophaus erbaut, galten die vier Scheiben als die ersten Hochhäuser der Stadt. Heute sind sie heruntergewirtschaftet und durch eine Sanierung in den Siebzigern verunstaltet. Oberbaudirektor Jörn Walter will das Filetgrundstück jetzt verkaufen und bietet das Ensemble zum Abbruch an. Doch in der frischgekürten Olympia-Bewerber-Stadt regt sich Widerspruch

Text: Wiegand, Franziska, Berlin

Die vier gleichgestalteten Hochhausscheiben sind leicht versetzt nebeneinander am Klosterwall aufgereiht und wenden sich von der Blockrandstruktur des benachbarten Kontorhausviertels ab. Im Erdgeschoss verbindet sie eine Ladenpassage, die auf dem abfallenden Bodenniveau terrassenartig, aber geradlinig von Nord nach Süd führt. Zur Bauzeit galt der Cityhof als eine Ikone der Moderne: Die helle Fassade mit ihren quadratischen weißen Keramikplatten und außenbündig sitzenden, rotbraunen Schwingflügelfenstern sollte sich von den üblichen dunklen Klinkerfassaden der Umgebung abheben. Die dänischen Leca-Platten der Fassade wurden damals schon vor dem Betonieren in die Schalung eingebracht und dienten gleichzeitig als Wärmedämmung. Als in den siebziger Jahren eine Sanierung anstand, genehmigte das Bezirksamt Hamburg-Mitte die Verkleidung mit grauen Eternitplatten und ersetzte die prägnanten Fenster durch weiße Kunststofffenster – obwohl eine Bauprüfkommission vor gestalterischen Mängeln gewarnt hatte. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte, das den Cityhof mit seinem Behördenzentrum noch bis zum Umzug in das Springerhochhaus 2017 nutzen soll, zeigte auch sonst wenig Sensibilität: Die Rolltreppe zur Ladenpassage wurde längst stillgelegt, den nördlichen Haupteingang verstöpselte die Behörde kurzerhand mit Containern, um mehr Raum für ihr Kundenzentrum zu schaffen. Seit vergangenem Oktober gibt es allerdings einen neuen Mieter in der Ladenpassage, der die Abwärtsspirale aufhalten könnte: Die „Initiative City-Hof“ aus interessierten Bürgern, Architekten und Studierenden hat ein Ladenlokal angemietet und setzt sich jetzt auch öffentlichkeitswirksam für den Erhalt des Ensembles ein.

Wer war Rudolf Klophaus?

Es gibt dem Fall Hamburger Cityhof eine besondere Note, dass viele umliegende Bauten, die das Kontorhausviertel prägen, von ein und demselben Architekten entworfen wurden. Rudolf Klophaus (1885–1957) baute, wie viele andere deutsche Architekten, in drei politischen Systemen: Seine Bürogemeinschaft Klophaus & Schoch etablierte sich im Hamburg der Weimarer Republik. Als Mitglied der NSDAP boten ihm später die Nationalsozialisten neue Tätigkeitsfelder, und nach einem Entnazifizierungsverfahren half er schließlich auch beim modernen Wiederaufbau der Stadt. Klophaus entwarf 1928 den Mohlenhof im Stil der neuen Sachlichkeit. Der Altstädterhof aus dem Olympiajahr 1936 richtete sich als eines der wenigen Wohnhäuser im Kontorhausviertel auf die damalige Familienplanung aus. Drei Jahre später realisierte Klophaus das Pressehaus, die ehemalige Hamburger Medienzentrale der Nationalsozialisten und heute Sitz der Wochenzeitung DIE ZEIT. Sein Baustil wurde über den Zeitraum seines Schaffens immer historisierender, mit Blendgiebeln und barocken Verzierungen, wie zuletzt im Bartholomayhaus 1937/38. Mit dem Cityhof schwenkte Klophaus nach Kriegsende wieder um, zurück zur Moderne. Auf engstem Raum und in zentraler Lage demonstriert hier ein Architekt die unterschiedlichen Bautendenzen des 20. Jahrhunderts. Bemerkenswert ist, welche Kontinuität die Gesamtheit seiner Bauten aufweist, wie er Bauformen über alle politischen Brüche hinweg weiterentwickelte. Kenner sprechen bereits von einem „Klophausviertel“ anstatt vom „Kontorhausviertel“.

Ausgerechnet die Nachkriegsmoderne

Klophaus’ Arbeitsbiografie lässt zunächst stutzen und ist vor dem Hintergrund seines Schaffens in der NS-Zeit durchaus kritisch zu sehen. Paradoxerweise steht nun aber nicht eines seiner Bauwerke aus der Nazizeit zum Abriss – diese Bauten genießen nach wie vor hohes Ansehen –, sondern ausgerechnet sein letztes Gebäude. Mit dem Abriss des Cityhofs würde man das Kapitel der Nachkriegsmoderne im Kontorhausviertel zuschlagen. So befremdlich bisweilen die Radikalität ist, mit der Stadterneuerung in der Nachkriegszeit betrieben wurde: Der geplante Umgang mit dem Cityhof wäre nicht weniger rabiat und kurzsichtig – von der Masse an „grauer Energie“, die bei einem Abriss verschwendet würde, ganz abgesehen.
Dennoch gibt es sie, die Abriss-Argumente: Durch die niedrigen Raumhöhen und die eng gerasterte Tiefgarage wäre eine Umnutzung sicher mit Schwierigkeiten verbunden. Aber die originalgetreue Sanierung müsste
ja nicht zwingend im Mittelpunkt der Erhaltung stehen: Gerade die Weiterentwicklung des Bestands könnte gelungene Räume schaffen. Genau dies ist das Ziel der Cityhof-Initiative: sich die Struktur des Gebäudes anzueignen und ihr neue Qualitäten zu entlocken. Das Ladenlokal in der Passage hat die Initiative nicht nur angemietet, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen, sondern auch, um alte Materialien freizulegen: Viele bauzeitliche Elemente wie Schaufensterrahmen, Türbeschläge und kleine Mosaike sind noch erhalten. Darüber hinaus zeigen verschiedene Studien bereits Möglichkeiten zum Erhalt des Baudenkmals auf. Anja Nettig, Stadtplanerin an der HCU, entwickelte 2010 in der Publikation „Ex-Amt-Mitte“ Ideen für eine kreativwirtschaftliche Nutzung mit Ateliers, Wohnungen und einem Hostel. Auch Volkwin Marg, dessen Büro gmp die Stadt Hamburg bereits 2002 mit Nachnutzungsplänen betraute, sprach sich kürzlich erneut für den Erhalt des Ensembles aus. Die weiteren Klophaus-Bauten im Kontorhausviertel werden derzeit von der UNESCO zur Anerkennung als Weltkulturerbe geprüft. Die Stadt Hamburg muss sich entscheiden: mit der Preisgabe des Cityhofs 7000 Quadratmeter Fläche in Innenstadtlage an pri
vate Investoren verscherbeln – oder zu ihrem Denkmal stehen und im Hinblick auf Olympia vielleicht sogar ein Zeichen setzen für einen zeitgemäßen Umgang mit der Architektur der Nachkriegsmoderne.

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Bilder Cityhof Hamburg

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