Bauwelt

Serpentine-Pavillon


Peter Somebody und der Garten


Text: Meyer, Friederike, Berlin


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    Foto: Friederike Meyer

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Der diesjährige Serpentine-Pavillon im Londoner Hyde Park stammt von Peter Zumthor. Was sagen die Besucher dazu?
Es ist ein Freitag im August. Ich stehe vor der schwarzen Kiste, die in den Veröffentlichungen zum diesjährigen Serpentine-Pavillon abgebildet war. Es ist der elfte in zwölf Jahren, Peter Zumthor hat ihn geplant. Von einem Hortus Cunclusus, der uns zur Besinnung bringen will, war zu lesen, von einem Garten im Garten, einem kontemplativen Zufluchtsort. Manche Kritiker schrieben von einer dunklen Wand mit grober Oberflächenstruktur, durch die man hindurch muss, um in einen wundervollen Garten zu gelangen.
Wer die Pavillons in den Jahren zuvor gesehen hat, erkennt es auf den ersten Blick: Der diesjährige ist ein Kontrapunkt. Frank Gehry, Jean Nouvel, SANAA und viele andere hatten in erster Linie angenehme Umgebungen für ein Café geschaffen. Bei Zumthor stehen nicht Tee und Muffins im Vordergrund, sondern Blumen und Gräser. Die Gastronomie hat er vom Gelände verbannt, in einen fahrbaren Kiosk. Gut so. In einem Filminterview erklärte der Architekt, Gärten würden für ihn immer wichtiger, und deshalb habe er Piet Oudolf eingeladen – den bekannten niederländischen Landschaftsarchi­tekten und Gestalter des New Yorker Highlineparks. Die Gemüsegärten in den Bergen seiner Schweizer Heimat hätten ihn inspiriert. Wie Rechtecke seien diese aus den weiten Alpenwiesen herausgeschnitten, umzäunt, um die Tiere fernzuhalten. Es sind diesmal nicht die für Zumthor typischen, ausgefeilten Details, die ins Auge fallen, auch nicht die sorgfältig für die würdevolle Alterung ausgewählten Materialien. Es ist vielmehr dieser Kontrast zwischen den geschwungenen, wie für die Ewigkeit ins Gras gegossenen Betonwege und der recht grob mit Leinen und schwarzer Farbe umklebten Holzkonstruktion, der man kaum mehr Lebenszeit als einen regenarmen Sommer zutraut. Und dennoch ist der Pavillon ein typisches Zumthor-Bauwerk: unaufgeregt, sinnlich, geerdet.
Würden das die Besucher ähnlich sehen? Und wen trifft man dort überhaupt an einem Freitagnachmittag? Ein paar Stunden schaue ich mich um, spreche mit Touristen und Anwohnern, mit Kunstfreunden, Hobbykünstlern und Pflanzenliebhabern, Studenten, Kindern und Rentnern. Ich will von ihnen wissen, wie sie den Ort empfinden und was sie über Peter Zumthor wissen. Ihre Reaktionen variieren zwischen  Enttäuschung, pragmatischer Inbesitznahme und Begeisterung. Manche sind zuvor schon einmal da gewesen und haben Freunde mitgebracht. Was den Namen des Architekten betrifft, schütteln die meisten den Kopf. Jemand weiß von einem „Peter Somebody“ aus der Schweiz. Der Star ist der Garten. 
Marion | Das Gebäude sieht von außen aus wie ein Mausoleum, nicht wirklich ausgereift. Als ich den Pavillon betrat, passierte nichts mit mir. Er ist nicht mehr als das, was ich vorher auf den Bildern gesehen habe.
Les | Die Neugier hat mich reingetrieben. Ich denke, die Wände sind zu dunkel, sie schlucken die ganze Farbe. Wenn man hineinkommt, ziehen die Blumen die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Ich finde den Pavillon nicht wirklich interessant.
Judy | Mir gefallen die Dachform und der Kontrast zwischen dem Schwarz und den Pflanzen. Ich war 1,5 Stunden dort. Im Vergleich zu dem roten Pavillon im vorigen Jahr finde ich den hier besser. Der Architekt? Ein Peter Somebody. Der Name ist doch unwichtig. Dieses Getue um irgendwelche Stars, das hier
betrieben wird, interessiert mich nicht. Es geht darum, dass es ein schöner Raum ist.
Nicky | Ich würde den Pavillon gerne mal für mich alleine haben. Der Lärm nervt. Manche kommen nur, um sich zu unterhalten oder zu telefonieren. Die scheinen überhaupt nicht berührt zu sein von dem Raum. Ich mag diese klare, kantige Struk­-tur und das Gefühl, in einer Kiste zu sitzen, deren Enden sich im Licht auflösen. Die Wände und das Dach sind nicht einfach nur schwarz, sie erscheinen in vielen Farbtönen.
Ivor | Ich habe bei Peter Smithson studiert, ich liebe Archi­tektur und komme jedes Jahr hierher. Zumthor? Noch nie gehört. Früher hatte ich viele Magazine abonniert, jetzt habe ich den Kontakt verloren.
Anne mit Familie | Ich bin zum vierten Mal seit der Eröffnung hier. Heute ist mein 74. Geburtstag. Es ist der schönste Serpentine-Pavillon bisher. Ich mag den Kontrast, den Blick zum Himmel und natürlich die Pflanzen, die jedes Mal anders aussehen. Der Architekt steht groß auf der Tafel, aber ich vermisse die Anerkennung des Gartengestalters. Pavillon und Garten funktionieren doch zusammen.   
Kim mit ihrer Mutter Yoon | Ich studiere in London, meine Mutter ist aus Südkorea zu Besuch. Ich hatte von dem Pavillon gehört, und so sind wir heute hier vorbeigekommen. Wie ich ihn finde? Ich frage zuerst meine Mutter und übersetze dann. | Der Ort erinnert mich an traditionelle koreanische Gärten. Die Komposition der Blumen gefällt mir sehr. Sie sind nicht so geordnet, eher wie in den Bergen, in der Wildnis. Die Form des Daches erinnert uns auch an Häuser in Korea.  
Bill und sein Farbkasten | Ich leite eine Malgruppe, wir kommen jedes Jahr hierher. Bei den früheren Pavillons hat man sofort gesehen, worum es geht. Mit diesem muss man sich ausein-andersetzen. Ich mag den ruhigen Raum, die Farben der Pflanzen. Der Architekt ist Schweizer. Das ist alles, was ich über ihn weiß.
Divya mit Freundin Nithya | Ich wohne seit vier Jahren in London und habe auch die anderen Pavillons gesehen. Meine Freundin ist aus den Staaten zu Besuch. Ich finde die Außenseite furchtbar, auch das Hereinkommen durch den schwarzen Gang. Als ich drinnen stand, hat es nur eine Minute gedauert, und ich mochte den Ort. Das ist ein richtiges Gemeinschaftsgefühl. Man hört alles mehrfach, weil die Wände den Schall reflektieren.
Emma, Rosie und Erini | Wir arbeiten zusammen bei Hopkins Architects. Nach den Fotos von Zumthors Therme hatten wir natürlich schöne Details und Ma­terialien erwartet... Der Pavillon konzentriert den Blick auf die Natur. Man vergisst glatt, dass man in London ist. In den Ecken ist es so dunkel, dass
man gar nicht sagen kann, wie tief der Raum ist. Wir stellen uns gerade vor, wie das Regenwasser einen durchsichtigen Vorhang vor den Pflanzen bildet.
Jamie und Robert | Ich glaube, das Konzept der Kontemplation funktioniert hier nicht. Es ist so eng, man sieht immer jemanden. Auf mich wirkt das klaustrophobisch. | Nach den Fotos habe ich mir das viel größer vorgestellt. Ich mag die Höhe der Pflanzen, weil die Besucher dahinter verschwinden. Die Textur
der Wand, dieses grobe Leinen, gefällt mir nicht. Das sieht unfertig aus. Ich fände eine weiche Oberfläche schöner. Aber offensichtlich haben sie die meiste Arbeit in den wunderbaren Garten gesteckt.
André mit Hanako und Jamie | Warum wir hier sind? Na, um was zu essen, das sieht man doch. Ich bin aus München zu Besuch. Hanako hat auf dem Schild gelesen, das hier sei eine Inspiration aus den Alpen. Man fühlt sich nicht wie in einem riesigen Park, sondern separiert. Der Kontrast mit dem Schwarz
ist interessant. Das ist einfach ein schöner Ort. Schreib doch das.
Ellen und Anna mit ihren Müttern | Wir dachten, hier ist ein Café und... Wow! Da waren die vielen Blumen. | Ich mag die mit Lila und Rot. Sie haben uns ein Buch gegeben, in dem wir unseren eigenen Garten zeichnen können. Schau. Salat, Zwiebeln und Erdbeeren. Ich möchte vielleicht mal Gärtnerin werden... | Und ich Architektin wie meine Mutter, es macht Spaß, sich Dinge auszudenken.
Galerieassistentin Rosie | Viele kommen extra wegen der Pflanzen. Andere wissen überhaupt nicht, wo sie sind. Manche erzählen von Zumthors Therme und wollen den Pavillon als Kunstwerk genießen. Einige fragen gleich nach dem Café. Ich muss nur aufpassen, wenn Kinder herumrennen. Der Boden ist nicht ganz eben.



Fakten
Architekten Zumthor, Peter, Haldenstein (Schweiz); Oudolf, Piet, Hummelo (Niederlande)
Adresse Rangers Lodge, Hyde Park, London, W2 2UH, Vereinigtes Königreich


aus Bauwelt 34.2011
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