Bauwelt

Pavillon für die Kunstbiennale



Text: Albani, Julia, Lissabon


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    Foto: Johannes Förster

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Zum 4. Mal fand Anfang März die Kunstbiennale von Marrakesch statt. Die üblichen Ausstellungsformate einer Biennale greifen in der nordafrikanischen Stadt zu kurz. Auch die Berliner Architekten Barkow Leibinger, um einen Beitrag gebeten, zeigten statt gelaserter High-Tech-Materialien eine handwerklich-verspielte Pavillonkonstruktion aus Garn und Holz.
Eine Biennale für zeitgenössische Kunst in Marrakesch aus­zurichten ist eine Herausforderung für die Kuratoren – wenn man, wie es Carson Chan und Nadim Samman bei der diesjährigen, der 4. Biennale-Ausgabe vorhatten, nicht bloß Kunst ausstellen, sondern einen möglichst direkten Kontakt mit den Bewohnern der Stadt anzuregen sucht. Man befindet sich schließlich nicht in einer biennaleerprobten Stadt wie Venedig, Berlin oder São Paulo, die ganz selbstverständlich im Kalender des internationalen Kunstzirkus stehen und quasi von selbst ihr Publikum finden.
Die Schwierigkeiten für die Ausstellung in Marrakesch beginnen beim einheimischen Publikum, das nicht mit zeitgenössischer Kunst sozialisiert wurde und dem die Gegenwartskunst als ein Privileg des Establishments gilt. Das eingespielte Ausstellungsprocedere funktioniert hier nicht, andere Strategien müssen erprobt und umgesetzt werden. Inhaltlich ging es den Kuratoren darum, den Post-Kolonialismus zu thematisieren; nicht ganz neu, außerdem hatten die politischen Ereignisse den eher theoretischen Fragen der Kunstszene zu diesem Thema einen verschärften Unterton gegeben. Das Selbstverständnis der Biennalen – also eine temporäre Bühne zu bieten, auf der aktuelle Tendenzen, Innovationen und Ergebnisse aktueller künstlerischer Arbeiten gezeigt werden – kann darüber hinaus nicht auf selbstverständliche Akzeptanz hoffen. Was üblicherweise in Form von „ Installationen“ oder „Pavillons“ als Ergänzung zur eigentlichen Ausstellung im öffentlichen Raum entsteht, musste hier gleichsam von Null an auf­gebaut und vermittelt werden. Die letzten Erfahrungen mit Kunst im öffentlichen Raum reichen in die 1960er Jahre zurück. Erstes Ziel der Kuratoren war deshalb, die Formen der Präsentation herauszulösen aus dem elitären Kontext. Begriffe wie Öffentlichkeit, Dialog, Erfahrung und Rezeption sollten in der Auseinandersetzung mit der Bevölkerung eine neue Bedeutung bekommen.
Initiiert wurde die „Arts in Marrakech“, kurz AiM genannt, bereits 2004. Die zeitgenössische Kunst und Kultur in Nord­afrika sollte gefördert und die lokale Kulturszene in einen Austausch mit der internationalen Szene gebracht werden. Ini­tiator und Finanzier der AiM ist die Britin Vanessa Branson, Schwester des britischen Geschäftsmanns Richard Branson (Virgin Group). Bekannt wurde Frau Branson bereits in den neunziger Jahren durch den Kauf der 500 Hektar großen Insel Eilean Shona auf den Hebriden, jener Insel, auf der der schottische Autor J. M. Barrie einst Peter Pan erfunden hatte.
Higher Atlas
Als Thema der diesjährige Biennale haben die beiden Kuratoren „Higher Atlas“ gewählt. Mit diesem Begriff war einerseits eine gewisse Transzendenz („high“), andrerseits der lokale und geographische Bezug intendiert; das Atlas-Gebirge ist von al­len Biennale-Standorten aus zu sehen. Insgesamt 37 Teilnehmer sollten an unterschiedlichen zivilen, ländlichen und his­torischen Standorten das Biennale-Thema möglichst weit in die Stadt hinein wirken lassen. Neben Künstlern, Musikern, Schriftstellern, Filmemachern und Komponisten wurden auch Architekten beauftragt, ortsspezifische Arbeiten zu entwickeln
– immer in Zusammenarbeit mit lokalen Handwerkern.
Die in den Kunstwerken behandelten Themen waren vielfältig: der arabische Aufbruch und die politische Ereignisse in Marokko, der demokratische Fortschritt und allgemeine Wahlen. Die Kuratoren hatten es bei der Umsetzung nicht immer leicht. Die Hauptaustellung (die noch bis 3. Juni zu sehen ist) musste kurzfristig verschoben werden, weil der ursprüngliche Veranstaltungsort im El Badi Palast nicht mehr zur Verfügung stand und das gesamte Ausstellungskonzept reorganisiert werden musste. Ersatz bot schließlich der unvollendete Bau des Théâtre Royale von 1968, eine überaus eindrucksvolle Ruine. Kuratorisch war dieser Bau allerdings nur schwer zu meistern. Die meisten Installationen wirken eher verloren im Kampf mit den massiven und brutalen Betonhallen. Eine interessante Debatte gab es am Rande, bei der Beantwortung der Frage: „Wie findet die Kunst ihre städtische Öffentlichkeit?“ Denn da die Werbung im öffentlichen Raum verboten ist, müssen sich alle Akteure – das betrifft auch die Werbung – subtiler Kommunikationswege bedienen; die Kunst konkurriert also auf eher unübliche Weise mit ihren kommerziellen Antipoden.   
Als Teil einer solchen subtilen Vermittlungsstrategie lässt sich auch die Installation der Berliner Architekten Barkow Leibinger verstehen. Für die transparenten „Zelte“ nutzten die Architekten örtliche Handwerkstechniken und generierten unter Verwendung aktueller CAD-Modelling-Software eine hyperbolische Dachkonstruktion – eine nach allen Seiten offene und dabei doch einen gewissen Schutz bietende Konstruktion, fremd und vertraut zugleich.



Fakten
Architekten Barkow Leibinger, Berlin
aus Bauwelt 20.2012
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