Bauwelt

Olivenmühle


Olivenöl aus Portugal


Text: Hoetzel, Dagmar, Berlin


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    Foto: Fernando Guerra

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Glücksfall für einen Architekten. Ricardo Bak Gordon erhielt von einem Olivenöl-Unternehmen den Direktauftrag für eine der größten Mühlen, die bisher gebaut wurden. Dabei ging des dem Bauherrn nicht um ein kostengünstiges Produktionsgebäude, sondern um eine elegante Großform, mit der zukunftsweisend geworben werden soll.
Die Wegbeschreibung, die der Architekt Ricardo Bak Gordon mir gibt, als ich ihn Ende Juli in seinem Lissaboner Büro besuche, ist denkbar einfach: Autobahn A2 Richtung Süden bis zur Ausfahrt Beja/Ferreira do Alentejo und dann immer der Landstraße folgen, bis linker Hand unübersehbar die Olivenölfabrik auftaucht.
Die Dimension
Olivenbäume bis zum Horizont und mittendrin die Mühle. Es gibt keine Grundstückseinfriedungen oder Tore, hier gehört alles der Sovena Group. Das portugiesische Konsortium mit Tochterfirmen in Brasilien, Spanien, Marokko, Angola, Tunesien und den USA ist der zweitgrößte Olivenölproduzent der Welt. Seit 2007 hat die Gruppe 10.000 Hektar Olivenhaine in Portugal erworben – das entspricht knapp einem Prozent der Landesfläche.
Die ambitionierte Unternehmensstrategie setzt einen klaren Fokus auf die portugiesische Landwirtschaft und die Rekultivierung des Olivenanbaus, der in den letzten zwanzig Jahren immer weiter zurückgegangen war. Damit will die Sovena Group ihre führende Rolle auf dem Olivenölmarkt weiter ausbauen – und setzt in ihrer Marketingstrategie auf Gesundheit und auf die uralte Bedeutung der Oliven für die heimische Tradition und Kultur. Zur Strategie gehören auch Investitionen im Kunstbereich. So beauftragt das Unternehmen Fotografen und andere Künstler mit Arbeiten, bei denen es um Oliven geht – und auch Architektur soll zu dieser Kulturarbeit beitragen. Nach der Eröffnung der Olivenölmühle in Ferreira do Alentejo im vergangenen November startete eine große Medienkampagne, bei der die Dachform des neuen Bauwerks im Vordergrund stand. Große Plakate zeigten unter weitem Himmel die markante Silhouette einer ins Unendliche reichenden Landschaft mit Olivenbäumen.
Der Auftrag
Zunächst beabsichtigte die Firma, den Entwurf eines großen Ingenieurbüros zu realisieren, denn im Grunde ist eine Olivenölmühle ein technisches Bauwerk mit einfachem Raumprogramm und festgelegten, prozessbedingten Abläufen. Dann aber erhielt Ricardo Bak Gordon einen Direktauftrag. Der 1967 geborene Lissaboner Architekt hatte bis dahin eine Reihe von Wohngebäuden gebaut – einfache, aber prägnante Baukörper. In einer Architektursprache, die, folgt man der Begründung beim Gespräch mit Bak Gordon, dem Wunsch des Bauherrn nach einem zeichenhaften Gebäude, einem Wahrzeichen, entsprach. Und so ist auch die Idee für die Ölmühle knapp und prägnant: „dunkelgrauer Sockel und weißes Dach“. Für den Architekten sollte das Gebäude „aus der Erde“ kommen, wie die Olivenbäume, und das Dach, als Referenz an die verstreuten weißen Häuser in der ländlichen Provinz, als „ein weißes, abstrakt geometrisches Objekt in der unendlichen, horizontalen Landschaft des Alentejo“ gesehen werden.
Das Dach
Auf einer abgesenkten Fläche in der topografisch leicht bewegten Landschaft, umfasst von einer stellenweise bis zu vier Meter hohen Sichtbetonmauer, steht mittig das Produktionsgebäude. Das einhundert Meter lange Dach ist das prägende Element. Mit seinen weiten, zweiseitigen Auskragungen und den schräg angeschnittenen Seitenflächen scheint es über dem Boden zu schweben. Steht man vor dem Gebäude, hebt sich das weiße Dach von den dunklen, in den Eingangsbereichen zurückversetzten Außenwänden ebenfalls deutlich ab. Diese verschmelzen mit den umliegenden, geteerten Flächen und der ebenfalls grauen Umfassungsmauer zu einer Einheit, dem Sockelbereich. In dem ansonsten weiß-grauen Ensemble sind lediglich die Unterseiten der Dachauskragungen mit hinterleuchteten goldgelben Polycarbonatpaneelen verkleidet. So erstrahlt das Gebäude auf seiner Nord- und Südseite Tag und Nacht in der sanften Farbe des Olivenöls.
Die Stationen
Die Produktion ist auf vier linear angeordnete Raumeinheiten verteilt. Die erste Station – die Anlieferung der Oliven, das Waschen, Entstielen und Entlauben, das Wiegen und Klassifizieren, findet auf der Zufahrtseite unter dem auskragenden Dach statt. Auf der gegenüberliegenden Seite, in der letzten Station, werden die Tanklastwagen befüllt, die das Öl zum Abfüllen transportieren. Dazwischen, im Gebäudeinneren, befindet sich das Herz der Anlage, die Ölgewinnung und das Öllager. Zwischen den beiden Stationen liegt quer ein schmaler, zweigeschossiger Bereich. Im Erdgeschoss werden von einem grün gestrichenen Flur – ein Grün wie das von noch unreifen Oliven – Räume für die Mitarbeiter, Büros und das Labor erschlossen. Der Besuchereingang ist in Weiß und Grau gehalten. Eine gewendelte Treppe, eine Skulptur aus weiß lackiertem Stahlblech, führt auf eine Galerie, wo Konferenzen und Seminare veranstaltet werden. Denn die Olivenölmühle soll nicht nur reine Produktionsstätte sein, sondern auch ein Ort, wo der Öffentlichkeit Wissenschaftliches und Kulturelles rund um die Olive vermittelt wird. Einbauelemente wie die Deckenverkleidung aus Streckmetallgitter erinnern daran, dass man sich in einem Produktionsgebäude befindet – und natürlich auch der Blick in die Maschinenhalle. In dem großen, hohen Raum mit ebenfalls olivgrünem Boden steht eine Reihe noch nagelneu blitzender Maschinen, die meisten deutscher Herkunft.
Die Kaltpressung
In einem Mixer, in dessen doppelschaliger Wand sich warmes Wasser von exakt 28 Grad befindet – die ideale Temperatur für Kaltpressung – werden die Oliven zwei Stunden lang zu einer Paste verrieben. Danach werden in mehreren Zentrifugen zunächst die festen von den flüssigen Teilen getrennt, erst Haut und Steine, dann Wasser und Öl. Danach kommt das Öl für 24 Stunden in einen Tank zum Dekantieren, bevor es in dicken Rohrleitungen in das Lager im südlichen Bereich des Gebäudes transportiert wird. Hier stehen 48 Fässer, ein jedes fasst 80.000 Liter Öl.
Der Schatz
Bis zu 3,5 Millionen Olivenöl können in der Mühle aufbewahrt werden. Bei einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von zehn Litern pro Jahr lagert hier also ein Drittel des Gesamtverbrauchs in Portugal. Ein wahrer Schatz – produziert in nur 30 bis 40 Tagen im Jahr. Oliven müssen nach der Ernte innerhalb von zwei bis drei Stunden verarbeitet werden, um beste Resultate zu erzielen. Während der Erntezeit von Oktober bis Dezember herrscht Hochbetrieb in der Mühle. Dann wird in drei Schichten rund um die Uhr gearbeitet. Eine Million Kilogramm Oliven kann pro Tag verarbeitet werden, das ergibt circa 200.000 Liter Öl pro Tag. Die übrigen Monate des Jahres ist es eher still. Eine Person kontrolliert das Öl in den Fässern und führt Buch. Und ab und zu kommt ein Tanklastwagen.



Fakten
Architekten Bak Gordon, Ricardo, Lissabon
aus Bauwelt 34.2011
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