Bauwelt

Kultur- und Kongress­zentrum


Ein Haus mit Dach muss her


Text: Aicher, Florian, Leutkirch


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    Foto: Stefan Müller-Naumann

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Einen Steinwurf entfernt vom Kapellplatz, dem religiösen Zentrum Altöttings, ließ die Stadt ein Kultur- und Kongress­zentrum bauen, das geeignet gewesen wäre, den Maßstab des Wallfahrtsorts zu sprengen. Mit Fingerspitzengefühl haben Florian Nagler Architekten das immense Volumen eingepasst – ohne es kleinmütig zu verstecken.
„Kultur + Kongress Forum“ – denkt man da nicht an weitläufige Bauten mit großzügigen Foyers, in Parkanlagen oder Fluss­auen gelegen, ergänzt um ein üppiges Angebot an Parkplätzen? Und dann das: ein Haus für Veranstaltungen aller Art und Größe, einen Steinwurf vom Kapellplatz, dem Herz des Wallfahrtsorts, entfernt, in Art und Dimension den Bauten der al­ten Stadt verwandt, mit einem Platz davor, wo einst nur Nebengassen waren. „Mancher fragt nach dem neuen Haus, weil er meint, was er da Neues vor sich hat, sei doch immer schon da gewesen“, berichtet die Altöttinger Kulturamtsleiterin Martina Horn.
Erneut demonstriert Architekt Florian Nagler seine Souveränität im Spiel mit Tradition und Moderne. Kein Krampf, wo sich Neuartiges zeigt, kein Gähnen, wo auf Gewöhnliches zurückgegriffen wird – eher überraschende Züge eines Spielers, der die Regeln des Spiels intus hat. Die kräftige Geste war es, die den Entwurf beim Wettbewerb 2009 heraushob. „Uns war von Beginn an klar: Da muss ein Haus her – ein Haus mit einem Dach“, sagt Nagler. Was im Vergleich mit den Konkurrenten herausstach, ging im Stadtmodell hingegen fast unter: Durch die Konzentration der Baumasse unter einem steilen Dach ergab sich die Möglichkeit, öffentlichen Raum zu schaffen – wie es den Bauten im Zentrum von jeher gelingt.
Um genau zu sein: Foyer und dienende Räume, der große Saal sowie die Technik bilden den Bau von der Art eines Fruchtkastens, die restlichen fünf kleineren Säle und Büros sind ein­geschossig um kleine Innenhöfe, vermittelnd zum rückwärtig angrenzenden Klostergarten, untergebracht. Doch was prägt sind das riesige Dach und das geschlossene Volumen, in dem mit größter Selbstverständlichkeit in der Mitte der Eingang mit Foyer liegt. Das Dach, eine ungestörte Fläche aus Holzschindeln; die Wände, große Putzflächen, grob strukturiert mit glatten Faschen und Lisenen; das Foyer, eine breit lagernde Glasfront zwischen kräftigen Steinecken, flächenbündige Festverglasung in farblich betonter Metallfassung und daraus entwickeltem Vordach. Davor der gepflasterte Platz, gegenüber eine hohe, geputzte Mauer, dahinter uneinsehbar ein weiterer Klostergarten mit altem Baumbestand. Eine Kulisse, so selbstverständlich wie die Stadträume wenige Schritte abseits und kräftig wie der Massivbau dieser Region.
Der Blick nach oben
Betritt man das auf ganzer Breite vom Platz aus einsehbare Foyer, so verändert sich der Ton: Heller Steinboden, weiß lasiertes Holz und gespachtelter Beton erzeugen eine feinere, gedämpfte Stimmung. Doch sogleich wird der Blick von der Decke angezogen: Alle technischen Anforderungen an ein solches Bauteil wie Schallabsorbtion, Beschallung, Beleuchtung sind in einer ornamentalen Struktur aus Kreisverschränkungen verborgen, die sich in die Tiefe des Raumes entwickelt, sodass einem die Frage durch den Kopf geht, ob da Balthasar Neumann oder ein Dientzenhofer im Büro zu Gast waren. Zeigt deren Handschrift sich nicht am deutlichsten beim Blick nach oben? Ein festliches Foyer jedenfalls, dezent von den beiden flankierenden Seiten bedient, durch einen kleinen Saal erweiterbar. Und in den vier Ecken, aus Brandschutzgründen etwas verborgen und doch sinnfällig, die Treppen zum Hauptsaal darüber. Begleitet wird der Aufgang durch großformatige Wandbilder von Franz Ackermann, ein krachender Farbkon­trast zur Dezenz der Architektur.
Was dann der Saal oben, das gesamte Volumen füllend, bietet, steht dem freilich in nichts nach – ein Raumgebilde von funktionaler Strenge, auf einen Blick zu erfassen, konstruiert in Holz, silbergrau lasiert, knapp dimensioniert, logisch entwickelt, sachlich durch und durch. Wieder der Blick nach oben: Zwischen die Außenwände und auf begleitenden Stützen abgelastet, welche die Verkehrszone definieren, spannt sich ein Dachstuhl, bis in den First offen. Zu sehen ist ein Vierendeel-Tragwerk, eine orthogonale Struktur mit biegesteifen Ecken, reduziert auf einen Holzquerschnitt: ein Raumtragwerk, das mit dem Ingenieurbüro Merz Kley Partner ausgetüftelt wurde.
Und was sich da im Winkel des Dachs in einfachen Proportionen entwickelt, wird zum Maßgeber für die Gliederung von Wand und Boden. Natürlich gibt es praktische Gründe, das so zu machen: Vor allem die Möglichkeit, den Saal flexibel teilen zu können, verlangt Horizontalen zur Befestigung von Trennelementen. Hinzu kommt die Bewegungsfreiheit in der Struktur, um technische Installation zu führen – Licht, Beschallung, Sprinkler. Und die gewaltige Dimension des Dachspitzes ist keineswegs Luxus, sondern Luftraum für 1200 Personen und der Akustik geschuldet. Doch ob das allein die Form erklärt? Es spielt wohl eine gewichtige Portion Lust am Bau mit an einer solchen Konstruktion, die stimmt mit Details, die exakt passen – Präzision und helle Gewitztheit. Wie so manches Mal zeigte sich das in Reinform nur einmal: auf der Baustelle. Da stand der Dachstuhl, fix und fertig wie er sich heute zeigt, ohne Deckung – weiße Raumstruktur vor blauem Himmel – Sol LeWitt hätte es kaum besser hinbekommen.
Auf dem Rückweg über den Hauptplatz ein Blick in die spätgothische Stiftspfarrkirche, eine Hallenbasilika, wie sie in dieser Gegend verbreitet ist. Der Blick geht nach oben: eine Decke, die sich in einem Geflecht von Kreuzrippen entfaltet – Logik und Spiel, Konstruktion und Schmuck gleichermaßen. Von oben kommt’s: Auch da knüpft das große Dach von Florian Naglers neuem Kultur- und Kongresszentrum an die Dächer der Stadt an, ohne es ihnen auch nur einen Augenblick gleich zu tun.



Fakten
Architekten Florian Nagler Architekten, München
Adresse Zuccalliplatz, 84503 Altötting ‎


aus Bauwelt 46.2013
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