Bauwelt

Kapitel 5: Horizontale und vertikale Übergänge


Raumschichten im Haus A in Tokyo


Text: Schmidt, Marika, Berlin


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    Hisao Suzuki

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Ein langes, schmales, Nord-Süd-ausgerichtetes Grundstück in Tokyo. Von der Nachbarschaftsgasse aus ist „Haus A“ kaum einsehbar. Ein Hausfür eine Person, für Freunde und Gäste, die auch längere Zeit bleiben können. Das Gebäude wird von fünf stirnseitig aneinandergereihten Kuben gebildet. Die Kuben sind nach Funktio­nen geordnet und dimensioniert. Große und klei­nere wechseln sich ab, zwischen ihnen liegen nach Westen hin kleine Höfe. Der von der Grundfläche größte Körper befindet sich im Zentrum des Hauses. Der höchste Körper liegt im Süden, zum Zentrum des Hauses hin sind die Gebäudehöhen abfallend.

Man betritt das Gebäude über einen Pfad von der Gasse in Nordosten und kommt in die Eingangshalle des zweiten Kubus. Über ihr befin­det sich ein kleines Studierzimmer. Von der Eingangshalle gelangt man in den ersten Kubus, den Gästeraum, und in den mittleren Wohnraum. An ihn schließt die Küche an. Im fünften Kubus befindet sich ein geräumiges Wohnbad, darüber der Schlafraum, über diesem eine Dachterrasse, unterhalb des Wohnbades sind Ankleide und Hausanschluss angeordnet. Zwischen Wohnraum und Gästeraum sowie der Küche vorgelagert gibt es in den Höfen kleine Gärten.

Die Belichtung des Gebäudes erfolgt über große Fensteröffnungen an den Außenflächen. Die mittleren drei Kuben bilden nach Osten hin eine Rückwand aus. Die einander zugewand­ten Seiten der Kuben sind mit einer Festverglasung versehen und im Innern jeweils raumhoch als Durchgänge geöffnet; schmale Wandscheiben bilden Raumschalen aus. Die Konstruktion des Hauses besteht aus Stahl, außen mit Aluminiumpaneelen verkleidet; der innere Wand­abschluss ist aus Gipskarton, weiß gestrichen. Der Boden zwischen den Kuben ist fugenlos ausgebildet, einzig in Wohnbad, Schlafraum und Studierzimmer erfolgt mit der hölzernen Oberfläche eine Zäsur, die auf den nicht gemeinschaftlichen Charakter dieser Räume verweist. Leichte weiße Vorhänge ermöglichen die Entkoppelung einzelner Räume.

Je nach Proportion, Belichtung und Position der Räume im Gefüge des Hauses ergeben sich Situationen unterschiedlichen Charakters. Der hallenartige Wohnraum ist nach Lage und Dimension das Gravitationsfeld des Gebäudes. Er untergliedert sich durch Einfall des Lichts, Wegspur und Raumfläche in verschiedene Orte. Mittels der kleinen Höfe verlagert sich entsprechend der Stelle, an der man sich gerade aufhält, das räumliche Gewicht – der innere Wohnraum wird Puffer zwischen privatem Bereich und Gast, die Küche bildet in der Ebene, sowie das Studierzimmer in der Höhe, Subzentren, die gleichsam inmitten und am Rand des Geschehens sind. Vollkommen emanzipiert vom Gesche­hen sind die privaten Räume und der Gast. Bad und Schlafraum haben gewohnte Dimensionen, der Gastraum ist als turmartiges Zimmer mit Oberlicht, Ausblick in Garten und Eingangsbereich vollkommen bei sich.

Die plastische äußere Erscheinung des Gebäudes nimmt innen eine andere Gestalt an. Un­terstützt von der in Teilen sichtbaren Konstruktion werden die Raumflächen zu Reglern der Sphären. Eine Vielzahl von Orten existiert gleichzeitig in der Durchdringung im dreidimen­sionalen Raum, bei der die nachbarschaftliche Bebauung als eine Schicht präsent ist. Stadt­räumliche Nähe wird so auch zum anteilnehmen­den Dekor des Inneren. In der Addition verdichten sich Orte, Licht, Räume und Ausblicke zur Kulisse und geben Halt. Im Zentrum umfassen sie mehrgeschossig den zentralen Wohnraum, der durch das Öffnen des großen Dachfensters plötzlich Innenhof und Außenraum ist. Erstaunlich für den Besucher bleibt, dass die kompo­sitori­sche Kraft des Ge­füges sein Wohlbefinden nicht überfordert. Wie nebenbei werden Masse, Volumen, Wand und Öff­nung der Architektur hin­terfragt.



Fakten
Architekten Kazuyo Sejima, Ryue Nishizawa, SANAA, Tokyo
aus Bauwelt 33.2010

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