Music for Pieces of Wood
Konzertbesuch im Borusan Music House
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Getrommelt wurde auf allem, was herumstand – nur nicht auf den diagonalen Stahlstützen, die das neue Innenleben des Music House tragen.
Wir haben uns daran gewöhnt, die Häuser, über die wir schreiben, zu eigentlich völlig unpassenden Gelegenheiten aufzusuchen. Wir schauen Neubauten an, wenn man sie ehrlicherweise noch als Baustelle bezeichnen müsste. Und wird das Haus bereits benutzt, arrangieren die Architekten einen Termin, bei dem keinerlei Gefahr besteht, dort jemanden anzutreffen: Grundschule am Nachmittag, Büroetage am Samstag, Schauspielhaus in den Theaterferien.
Warum hier davon? Nun, weil bei meinem Besuch des Borusan Music House in Istanbul-Beyoğlu alles anders lief. Nicht nur, dass das Kulturzentrum bereits seit Monaten in Betrieb war, ich war an einem Freitagabend dort. Dann, wenn alle jungen Ausgehwütigen der 13-Millionen-Metropole in die zahllosen Kneipen und Clubs von Beyoğlu strömen. Das Haus steht an der Istiklal Caddessi. Die ist um diese Uhrzeit so überlaufen, dass man unmöglich die frisch sanierte denkmalgeschützte Fassade des Hauses in Ruhe hätte betrachten können, ohne umgerannt zu werden. Es gab ein Konzert im Music House, und wir waren spät dran. Keine Zeit also, der Kunst am Bau im Erdgeschoss mehr als einen flüchtigen Blick zuzuwerfen. Mit dem gläsernen Fahrstuhl ging es, ohne Halt im Ausstellungsraum im ersten Obergeschoss, in die zweite Etage, die untere Ebene des doppelgeschossigen Konzertsaals. Der war für die Veranstaltung an drei Seiten und auf der Galerie bestuhlt. Den meisten Platz nahm ein opulentes Aufgebot von Schlaginstrumenten in Anspruch. Eine Gruppe junger Percussionisten brachte ein schwer zu fassendes Repertoire von Steve Reich über Frank Zappa und Lou Reed bis zu Songs á la Björk zu Gehör. Getrommelt wurde auf allem, was herumstand – nur nicht auf den diagonalen Stahlstützen, die das neue Innenleben des Music House tragen. Das Konzert war ausverkauft, das Publikum angenehm gemischt.
Erlebt man einen solchen Ort derart „aktiviert“, denkt man anschließend mehr darüber nach, wie positiv das Haus angenommen wird, wie gut sich der unspektakuläre Raum für Konzerte zu eignen scheint und dass man sich hier schlicht wohl fühlt – und weniger über architektonische Details, die man schwierig findet, oder über die grundsätzlichen Probleme, die in einer solchen Kombination von völlig Neu hinter aufpoliertem Alt stecken.
Zum Schluss doch noch ein paar der gewohnten Fakten: Das Borusan Music House ist das neueste Projekt der Borusan Kocabıyık Vakfı, einer Stiftung, die die kulturellen Aktivitäten der rührigen Inhaberfamilie des Borusan-Konzerns bündelt. Dazu gehören u.a. ein Sinfonie-Orchester, ein Streichquartett, ein Haus für Künstlerstipendiaten und allerlei Kultursponsoring. Architekt des Music House ist Gökhan Avcıoğlu mit seinem Istanbuler Büro GAD, das international kürzlich mit dem neuen
Fischmarkt in Beşiktaş von sich reden gemacht hat
http://www.bauwelt.de/cms/ausgabe.html?id=1173229.
Zu wenig Architekturkritik? Das nächste Gebäude besuche ich wieder außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten. Versprochen.
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