Bauwelt

Ein Jahrhundert Architektur für die Forschung


Eine kurze Geschichte des Friedrich-Loeffler-Instituts auf Riems im Spiegel seiner Bauten


Text: Lissok, Michael


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    Ältestes Haus auf Riems ist heute das ehemalige Wohn- und Laborgebäude aus dem Jahr 1910. Als „Friedrich-Loeffler-Haus“ beherbergt es eine Aus-stellung zur Geschichte des Instituts.


    Foto: Michael Lissok

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    Ältestes Haus auf Riems ist heute das ehemalige Wohn- und Laborgebäude aus dem Jahr 1910. Als „Friedrich-Loeffler-Haus“ beherbergt es eine Aus-stellung zur Geschichte des Instituts.


    Foto: Michael Lissok

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    Von 1925 an entstand der groß dimensionierte neue MKS-Komplex
    Foto um 1930: FLI

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    Von 1925 an entstand der groß dimensionierte neue MKS-Komplex

    Foto um 1930: FLI

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    Das Hauptgebäude, fertiggestellt 1940, wurde denkmalgerecht saniert
    Foto: Udo Meinel

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    Das Hauptgebäude, fertiggestellt 1940, wurde denkmalgerecht saniert

    Foto: Udo Meinel

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    Anders als der MKS-Komplex hat sich die westlich benachbarte Wohnanlage mit dem „Alten Kasino“ bis heute erhalten
    Foto rechts, um 1930: FLI

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    Anders als der MKS-Komplex hat sich die westlich benachbarte Wohnanlage mit dem „Alten Kasino“ bis heute erhalten

    Foto rechts, um 1930: FLI

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    Bronzekopf Friedrich Loefflers, im Kunstbesitz des FLI
    Foto: Michael Lissok

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    Bronzekopf Friedrich Loefflers, im Kunstbesitz des FLI

    Foto: Michael Lissok

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    Wohnanlage mit "Alten Kasino"
    Foto: Udo Meinel

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    Wohnanlage mit "Alten Kasino"

    Foto: Udo Meinel

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    Foto: Udo Meinel

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    Foto: Udo Meinel

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    Die ehemalige Konsumverkaufsstelle in Riemserort ist schon seit Jahren geschlossen.
    Foto rechts: A. Krüger, aus „Die Bauten der Universität Greifswald“, 2006

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    Die ehemalige Konsumverkaufsstelle in Riemserort ist schon seit Jahren geschlossen.

    Foto rechts: A. Krüger, aus „Die Bauten der Universität Greifswald“, 2006

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    Eines der rund 40 Typenhäuser aus den 50er Jahren
    Foto: Udo Meinel

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    Eines der rund 40 Typenhäuser aus den 50er Jahren

    Foto: Udo Meinel

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    Um die wachsende Zahl von Beschäftigten unterzubringen, wurden in Riemserort auch Geschosswohnungsbautypen errichtet
    Foto: Udo Meinel

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    Um die wachsende Zahl von Beschäftigten unterzubringen, wurden in Riemserort auch Geschosswohnungsbautypen errichtet

    Foto: Udo Meinel

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    Letzter Bau des Instituts aus DDR-Zeiten ist der Isolierstall an der „Wache Süd“, fertiggestellt im Jahr 1990
    Foto: Udo Meinel

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    Letzter Bau des Instituts aus DDR-Zeiten ist der Isolierstall an der „Wache Süd“, fertiggestellt im Jahr 1990

    Foto: Udo Meinel

Riems, das ist eine kleine, schmale Ostseeinsel von knapp 28 Hektar Größe. Nahe dem vorpommerschen Festland gelegen, umspülen sie die Gewässer des Greifswalder Boddens und der Gristower Wiek. Vom Riemser Eiland aus ist die Südküste Rügens leicht zu erkennen, und auch die hohen Kirchtürme des rund 12 Kilometer entfernten Stadtzentrums von Greifswald befinden sich in Sichtweite. Hier, auf „dem Riems“, inmitten einer herben wie reizvollen Küstenlandschaft, hat das Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, seinen Hauptsitz. Die Einrichtung gehört heute zu den weltweit größten und modernsten ihrer Art, die es auf dem Sektor der Erforschung infektionsbedingter Tierkrankheiten und verwandter Wissenschaften gibt. Seine recht exklusiv erscheinende topographische Lage und der Name des herausragenden Naturwissenschaftlers Friedrich Loeffler, den das Institut trägt, bilden quasi zwei Grundkonstanten in der Historie einiger wichtiger Bereiche der Erforschung von Tierkrankheiten. Sie wären auch die Fixpunkte, wollte man eine Chronik verfassen, die lückenlos über alle wesentlichen Entwicklungsetappen und Leistungen berichten sollte, welche sich seit den Anfängen einer modernen Veterinärmedizin und tierpathogenen Virusforschung bis in die jüngste Vergangenheit hinein vollzogen haben bzw. erbracht worden sind. Hingegen kann mit diesem Beitrag nur eine geraffte chronikalische Darstellung geboten werden. Sie informiert über die wechsel- und spannungsvolle Geschichte des Friedrich-Loeffler-Instituts (nachfolgend FLI) vorrangig mit Blick auf die bestimmenden Relationen zwischen Gesellschaft, Wissenschaft und Architektur.

Die Vorgeschichte des Instituts

Ausgang des 19. Jahrhunderts wurde der Kampf gegen die damals weit verbreitete Maul- und Klauenseuche (MKS) im Deutschen Reich zur „Staatsangelegenheit“. Durch die Bereitstellung öffentlicher Gelder sollte die Erforschung die-ser gefährlichen Tierkrankheit intensiviert werden, welche in der Agrarwirtschaft großen Schaden anrichtete. Hauptziel war es, ein wirksames Mittel gegen MKS zu finden. Dazu machte 1897 ein kleines Wissenschaftler-Team in einem Berliner Labor die entscheidenden Entdeckungen, mit denen es zugleich einen neuen Forschungszweig, die Virologie, begründete. Diesem Team gehörte auch Friedrich Loeffler (1852–1915) an. Er stand zu der Zeit bereits im Ruf, eine Kapazität auf den Gebieten der Hygiene und Bakteriologie zu sein. Ihm war es etwa gelungen, den Diphterie-Erreger zu entdecken. Loeffler, dessen glänzende Laufbahn als Schüler und Mitarbeiter von Robert Koch begonnen hatte, lehrte und forschte seit 1888 an der Universität in Greifswald. Dort setzte er seine Experimente auch fort, was jedoch vorerst unter recht provisorischen Bedingungen geschah. Unbedingt benötigte man Gebäude bzw. Räumlichkeiten in isolierter Lage. Loeffler strebte deshalb nach der Schaffung einer neuen, selbstständigen Forschungseinrichtung, für deren Standort und Aufbau strengste seuchenhygienischen Kriterien gelten sollten. Klar, dass sich dafür ein Stück unbewohntes Land in natürlicher Insellage als besonders geeignet empfehlen musste, sofern es in dessen Umgebung keine größeren Ortschaften gab und sich trotzdem eine gute verkehrstechnische Anbindung, stete Kommunikation und Versorgung gewährleisten ließen. Die Wahl, welche auch die von Professor Loeffler war, der bereits 1906 für solch einen insularen Platz plädiert hatte, fiel schließlich 1908 auf das Eiland Riems.

Die erste Aufbau- und Arbeitsphase, 1909/10–1915

Als man begann, auf „dem Riems“ ein neues Kapitel der Veterinärmedizin zu schreiben, war dort nur eine spärliche, baumlose Vegetation vorhanden, die im Wesentlichen aus kargen Wiesen und Schilfbewuchs entlang einzelner Uferpartien bestand. Auf der Insel gab es lediglich eine Bauernwirtschaft, deren Inhaber zugleich Besit-zer des Riems war. Dieser wurde mitsamt den Wohn- und Wirtschaftsbauten seines Gehöfts in die junge Loefflersche Forschungseinrichtung integriert. Ab 1909/10 kamen dann die ersten Institutsneubauten hinzu. Ausgeführt wurden ein kleines Gebäude mit Laborraum und Dienstwohnung sowie ein Isolierstall. Zusammen mit dem Bauernhof bildeten sie den „Nukleus“ des späteren FLI. Zudem wurden noch Um- und Ausbaumaßnahmen an den Stall- und Scheunenbauten des alten Bauernhofs vorgenommen. Somit war die baulich-räumliche Erstausstattung äußerst bescheiden. Sie genügte jedoch, damit das weltweit erste virologische Forschungsinstitut seine Arbeit aufnehmen konnte. Als dessen „Geburtstag“ gilt der 10. Oktober 1910. Dieses Datum trägt jenes kurze dienstliche Schreiben Loefflers, mit welchem er den zuständigen Minister in Berlin vom Beginn der Forschungen auf dem Riems unterrichtet hatte. Wertvolle Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Tätigkeit in insularer Abgeschiedenheit ließen nicht lange auf sich warten. So wurden am Institut die ersten 75 Liter eines praktisch brauchbaren Schutzserums gegen MKS hergestellt, und es gelang, den Beweis für die Immunisierung von Rindern vor dieser Seuche durch Anwendung eines weiteren Serum-Gemischs zu erbringen.
Die ersten Instituts-Gebäude wurden von Kräften der staatlichen Bauadministration in der Region projektiert. Sie griffen dabei auf bereits vielfach realisierte Musterpläne und schon bewährte Typen aus dem Bereich des ländlichen Wohn- und Wirtschaftsbaus zurück. Diese wurden adaptiert und den spezifischen Erfordernissen der Forschungseinrichtung angepasst. Genauso ging man beim Um- und Ausbau der vom Bauerngehöft übernommenen Gebäude vor. Auf pragmatische Weise wurden so die für Forschungszwecke notwendigen Sonderbauten geschaffen, welche entsprechend unspektakulär waren und sich äußerlich in nichts von zeitgenössischen Architekturen auf den umliegenden Großgütern unterschieden. Vom Baubestand der Erstphase blieb allein das ehemalige „Assistenten- und Laborhaus“ erhalten, ein kleiner eingeschossiger Putzbau über rechteckigem Grundriss. Er trägt ein hohes Krüppelwalmdach, das von einem Zwerchhaus und kleineren Gauben durchbrochen wird und besitzt als spätere Zutat eine Veranda. Deutlich erkennbar ist seine Verwandtschaft mit Wohnbauten im ländlichen Mi-lieu, wie sie seit Beginn des 20. Jahrhunderts etwa für Gutsinspektoren, Forstbeamte, Domänenpächter, aber auch für Siedlerstellen im Rahmen der Binnenkolonisation errichtet wurden. Dahingehend kann hier von einem Exempel der Heimatschutzarchitektur gesprochen werden. Heute ist es das „Loeffler-Haus“ und beherbergt nach gründlicher Sanierung eine Dauerausstellung zur Institutsgeschichte. Eine geeignetere Nutzung für das älteste Bauwerk auf dem Riems lässt sich kaum vorstellen. Spätestens
mit Loefflers Tod 1915 ging die dynamische „Gründungsphase“ des Instituts zu Ende, der dann, vor allem aufgrund des Ersten Weltkrieges, Jahre des Stillstands folgten.

Die zweite Auf- und Ausbauphase,
1919–1933

Nach kriegsbedingter Stagnation setzte die wissenschaftliche Arbeit auf dem Riems ab 1919/20 wieder ein, nun unter den neuen Verhältnissen der Weimarer Republik. Um an Loefflers frühe Erfolge anzuknüpfen, musste das Institut vergrößert und modernisiert werden. Man wollte Forschung und Praxis noch enger miteinander verbinden, was wiederum hocheffiziente Leitungs- und Organisationsstrukturen erforderte, die agrarökonomisch und betriebswirtschaftlich ausgerichtet waren. All dem widmete sich Prof. Otto Waldmann (1885–1955), welcher ab Juni 1919 an der Spitze des Instituts stand und dessen Fortentwicklung bis in den Zweiten Weltkrieg hinein energisch vorantreiben sollte. Schon während seiner frühen Amtszeit sorgte Waldmann mit dafür, dass der Forschungseinrichtung vom Staat ein gesicherter Status sowie ein solides Budget zuerkannt wurden. An
der Finanzausstattung beteiligten sich auch (privat-)wirtschaftliche Zweck- und Interessenverbände, voran eine potente Tierseuchen-Forschungsstiftung. Nach dem Ende der Inflation und der zeitweiligen Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse flossen ab 1924/25 reichlich Mittel für einen umfassenden Ausbau der „Staatlichen Forschungsanstalt Insel Riems“, wie die Einrichtung seit 1920 hieß. Von 1925 bis 1930 erhielt die Insel ihre einzigartige Infrastruktur, u.a. durch die Realisierung eines ambitionierten Bauprogramms. Dabei entstand ein großer, sowohl mehrteiliger als auch in sich geschlossener MKS-Komplex. Dieser enthielt ein Gebäude mit zwölf Laboren, eine separate Serumsabteilung für die enorm gesteigerte Impfstoff- (Vakzine)-Produktion, einen Bau mit Kleintierställen sowie vier Rinderställe von imposanter Dimension. Des Weiteren wurde ein Heiz- und Maschinenhaus errichtet, dessen ursprünglich 45, heute noch 35 Meter hoher Schornstein eine Höhendominante auf der Insel ist. Wegen der isolierten Lage und um die hohen Hygiene- und Sicherheitsstandards zu erfüllen, waren noch weitere Einrichtungen und Bauten erforderlich, welche vor allem auch der Versorgung und dem Transfer von Mensch und Tier zu dienen hatten. Ein kleiner Hafen mit Mole wurde an der Südflanke der Insel angelegt; dort, wo sie dem Festland am nächsten war, installierte man eine Seilschwebebahn. Mit dieser robusten Metallkonstruktion war dann ab 1926 endlich eine permanente Verbindung vorhanden. Ebenso
Priorität hatte der Bau von Wohnstätten für einen Teil des wissenschaftlichen Personals, der technischen Kräfte und ihrer Familien. So erhielt die Forschungsinsel einen gesonderten Wohn-, Versorgungs- und Verwaltungsbereich, ausgeführt als eindrucksvolles Ensemble miteinander korrespondierender Bauten (Planung: Baurat Fritsche und Dipl.-Ing. Sichert, Greifswald). Sie verliehen dem insularen Gesamtkomplex einen urbanen Akzent, zeigt sich doch deren Gestaltung beeinflusst von Leitbildern des Siedlungs- und Wohnungsbaus sowie der Villen- bzw. Landhausarchitektur in (vor-)städtischen Quartieren bzw. Lagen. Besonders evident wird dies bei der repräsentativsten Baugruppe auf der Insel, bestehend aus dem „Alten Kasino“ und zwei identisch gebildeten Häusern, die es flankieren, einer Architektur mit unverkennbar exklusiv-bürgerlichem Habitus. Im Bereich des Wohnkomplexes und auf einer auch als Abstandszone zum „Seuchenbetrieb“ bzw. „Werksviertel“ fungierenden Freifläche wurden zudem verschönernde Bepflanzungen vorgenommen, Gärten angelegt und Sportstätten eingerichtet, wie etwa Turn-, Ballspiel- und Tennisplätze. Mit dem Anstieg der Belegschaft (1919 noch 80 Mitarbeiter, um 1930 bereits rund 200) erweiterte sich das Spektrum des Bauens erheblich. Es umfasste nun auch alle relevanten sozialen und kulturel-len Bereiche, die es mit zu bedenken und zu bedienen galt, wenn wie hier ein Ideal-Zustand anstrebt wurde, der letztlich auf völlige Autarkie hinauslief. Dazu gehörte die Gewährleistung eines gemeinschaftlichen wie individuellen Daseins für sämtliche Institutsangehörige auf bestmöglichem Niveau.

Das Institut während der NS-Diktatur, 1933–1945

Der Machtantritt Hitlers und die Etablierung des NS-Regimes brachten für das Institut vorerst keine gravierenden Veränderungen, welche etwa seine inneren Strukturen und Forschungsschwerpunkte betroffen hätten. Direktor Prof. Waldmann lenkte weiterhin die Geschicke „sei-ner“ Einrichtung, die bei der Erforschung infektiöser Tierkrankheiten eine Spitzenposition einnahm. Außer zur MKS forschte man auf dem Riems ebenso erfolgreich über Schweine- und Geflügelpest sowie seuchenhafte Anomalien bei Pferden. An qualifiziertem Personal mangelte es nicht, ebenso wenig an der materiellen Ausstattung. Es existierte etwa eine modern eingerichtete Schweinepestabteilung, die in neuen Gebäuden untergebracht war. So wurden wichtige Entdeckungen möglich, die dem Institut internationales Renommee einbrachten. Dazu gehörte eine die MKS-Bekämpfung revolutionierende Immunisierungsmethode. Dass das NS-Regime dann sämtliche Forschungstätigkeit auf seine Kriegsvorbereitungen und Eroberungspläne ausrichtete, bestimmte seit spätestens 1935 die weitere Entwicklung des Instituts. Sein Beitrag zur Absicherung der Nahrungsgüterproduktion wurde zu einer Aufgabe von primär „wehrwirtschaftlicher Bedeutung“, genauso wie der Einsatz für die Gesundheit des Pferdebestandes beim Militär in den Vordergrund rückte. Damit ließen sich auch die ehrgeizigen Erweiterungsvorhaben für das Institut begründen, zu deren Umsetzung ab 1938 abermals umfangreiche Bauarbeiten im Gange waren. 1940 konnte das Hauptgebäude der Forschungseinrichtung bezogen werden, ein langgestreckter, zweigeschossiger Bau, dessen Hauptfassade zum Meer ausgerichtet wurde. Streng symmetrisch gebildet, besitzt das Gebäude einen leicht erhöhten Mitteltrakt, der u.a. ein großzügig dimensioniertes Treppenhaus enthält. Der Eingangsbereich wurde mit Kalksteinplatten verkleidet. Die Hervorhebung des Baukörpers als stereometrischer Solitär von monumentaler Wirkung muss als zeittypisch gelten, entsprach hier auch den staatsoffiziellen Doktrinen. Diese Merkmale des Hauptgebäudes hatte es bis dahin in der Instituts-Architektur auf dem Riems nicht gegeben. Während des Zweiten Weltkrieges reduzierte sich die Bautätigkeit stetig und kam 1943/44 völlig zum Erliegen. Immerhin konnte das Institut noch 1942 eine neue, leistungsfähigere Seilbahn als Verbindung zum Festland in Betrieb nehmen. Am 1. April 1943 erhielt die Einrichtung mit der Bezeichnung „Reichsforschungsanstalt Insel Riems“ zen-tralstaatlichen Charakter. Von nun an oblag dem Institut auch offiziell die Betreuung aller sonstigen Tierimpfstoffanstalten im Reich.

Riems von 1945 bis 1970

Ende April 1945 nahmen Truppen der Roten Armee die Insel ein, ohne dass es dabei zu Kampfhandlungen kam und die Institutsgebäude zu Schaden kamen. Wenig später wurde deren gesamte Einrichtung als Reparationsleistung in die Sowjetunion verbracht. Knapp ein Jahr nach dieser Demontage folgte der Erlass der Sieger- und Besatzungsmacht zur Wiedereröffnung des Instituts. Obwohl unzureichend ausgestattet, sollte es wegen der grassierenden MKS in der sowjetischen Besatzungszone möglichst bald wieder eine große Menge an Impfstoff herstellen. 1948 wurden dann die Weichen für einen Neubeginn gestellt. Ihm schloss sich nahtlos die erste Phase an, die das Institut unter realsozialistischen Bedingungen während der (Wieder-) Aufbaujahre in der DDR erlebte. Sie ist untrennbar verbunden mit der Persönlichkeit von Professor Heinz Röhrer (1905–1992), der 1948 zum Präsidenten der Einrichtung berufen wurde. Wie zuvor Loeffler und Waldmann hat er das Institut stark geprägt, ihm Profil und Bedeutung verliehen. Seine Amtszeit ist als „Ära Röhrer“ in die Geschichte des Riems eingegangen. Von Röhrer und seinen engsten Mitarbeitern stammte auch der Vorschlag, die Schutzimpfung gegen die MKS landesweit per Gesetz einzuführen. Er wurde 1950 umgesetzt, sodass die DDR weltweit das erste Land war, in dem es eine Impfpflicht für Rinder gab. Die Forschungsanstalt erhielt 1952 den Namen ihres Gründers Friedrich Loeffler und wurde der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (der DDR) zugeordnet. Der abermalige Aufschwung und die Vergrößerung des FLI hatten wiederum umfangreiche Bauarbeiten zur Folge. Mit ihnen wuchs der Gebäudebestand des Instituts nochmals erheblich an. Dabei expandierte das FLI auch territorial, indem es sich mit seinen Einrichtungen und Bauten auch auf die der Insel nächstgelegenen Festlandsbereiche ausdehnte. Punktuell war dies bereits vor dem Zweiten
Weltkrieg geschehen, etwa als ab 1927 nahe der Schmalstelle zwischen Festland und Insel eine Logistikzentrale mit „Kraftfahrerhaus“, Kfz-Werkstatt und Garagen geschaffen wurde. Was danach folgte, das war eine „komplette Ortschaft“, realisiert als Wohnsiedlung mit musterhafter Infrastruktur für Mitarbeiter des FLI, die 1957 den Namen „Riemserort“ erhielt. Deren Bebauung und Wegeführungen wurden den topographischen Gegebenheiten angepasst, sind somit sehr natur- bzw. landschaftsnah gehalten, woraus sich ein dörflich-intimes Gesamtbild ergab. Ein ganzer Typen-Katalog an Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern fand dabei bis Ende der sechziger Jahre seine Umsetzung. Wegen der re-trospektiven Bezüge zu Werks- und Gartenstadtsiedlungen entspricht Riemserort so gar nicht den Klischee-Vorstellungen von einer homogenen „DDR-Architektur“. Die Abteilung für angewandte Virusforschung des FLI kam ebenfalls auf das Festland. Sie erhielt ihr Gebäude 1956 unweit der Siedlung. Doch auch auf der Insel wurde eifrig gebaut. 1966 ging eine moderne Produktionsanlage für MKS-Zellkulturvakzine in Betrieb. Ermöglicht wurde sie durch eine der wichtigsten Innovationen, die aus den Laboren des FLI kam, der Züchtung des zur Serumherstellung notwendigen Virus aus künstlichen Zellkulturen (der zuvor aus lebenden Rindern gewonnen wurde).

Von 1970 bis zur „Wende“ 1989/90

Das Ende der Amtszeit von Prof. Röhrer als Institutspräsident 1970 markiert auch einen Wechsel bei den Schwerpunktsetzungen und Zielstellungen des FLI. Eine noch striktere politisch-ideologische Ausrichtung bestimmte fortan den Gang der Dinge auf dem Riems. Dies bedeutete zugleich, dass das Institut von der zentral gelenkten sozialistischen Planwirtschaft immer mehr in die Pflicht genommen wurde. Die Grundlagenforschung musste zurückgefahren werden zugunsten einer ständig zu steigernden Impfstoff-Produktion. Neue Tierkrankheiten, deren Erforschung man sich am FLI zu widmen hatte, gehörten auch zu den negativen Folgeerscheinungen einer industrialisierten Agrarwirtschaft, die zunehmend Mensch, Tier und Umwelt schädigte. Mannigfache ökonomische Probleme und Zwänge prägten das letzte Jahrzehnt des FLI im „Arbeiter- und Bauernstaat“. 1985 wurde es als „VEB Friedrich-Loeffler-Institut“ Teil des „VEB Kombinat Veterinärimpfstoffe Dessau/Tornau“ und damit auch in formal-administrativer Hinsicht auf die Produktion festgelegt. Die Aufschüttung eines befahrbaren Dammes, der ab 1971 anstelle der Seilbahn den Riems mit dem Festland verbinden sollte, steht ebenso symbolhaft für die Zäsuren am FLI, welche jenen zweiten und zugleich letzten Abschnitt seiner „DDR-Geschichte“ einleiteten. Während dieser Zeit kam die genormte Großblockbauweise auf der Insel und in Riemserort zum Einsatz. Sie war auch das probate Mittel, um Wohnraum für die Institutsangehörigen zu schaffen, deren Zahl sich um 1970 auf knapp 600 belief und 1989 immerhin rund 800 betragen sollte. Errichtet wurden u.a. einige drei- bzw. fünfgeschossige Wohnblöcke aus der WBS-70-Reihe. Zudem führte man neben dem Hauptgebäude einen nüchternen Verwaltungsbau auf. Ein letztes größeres Projekt für den VEB FLI wurde noch 1988 begonnen. Es handelte sich um einen Isolierstall, dessen Fertigstellung erfolgte, als das Ende des Staates DDR schon besiegelt war.

Das FLI seit 1990

Nach der Wende und mit der Wiedervereinigung musste das FLI einen langwierigen Um- und Neustrukturierungsprozess durchlaufen, der für dessen Fortexistenz notwendig war und ihm zugleich neue Chancen und Perspektiven eröffnen sollte. Dies im Rahmen eines Übersichtsbeitrags mit Hauptaugenmerk auf die Architektur schildern zu wollen, ist nicht möglich, selbst in extrem geraffter Fassung. Darum seien hier nur die wichtigsten Eckdaten genannt. Bis 1991 waren die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Grundlagenforschung wieder zentrale Bedeutung erhielt. Unter dieser Prämisse wurden etliche Versorgungs- und Produktionsbereiche ausgegliedert bzw. aufgegeben. Davon betroffen war auch die Siedlung „Riemserort“: An eine Baugesellschaft veräußert, wurden ihre Häuser pri-vatisiert. Nach dem Beschluss zur Erhaltung des Standortes ging es darum, sich gemeinsam mit den anderen Forschungsanstalten auf dem Gebiet der Tierseuchen im Ost- und Westteil der Republik zwecks Bündelung und/oder Zusammenführung von Kapazitäten und Ressourcen neu zu orientieren. Am 1. Januar 1992 wurde das Riemser Institut als Teil der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BFAV) neu gegründet. Unter Professor Thomas C. Mettenleiter, der seit 1996 Präsident des BFAV ist und bereits zuvor auf dem Riems leitend tätig war, sind dann weitere Konzentrations- und Konsolidierungsmaßnahmen von großer Tragweite vollzogen worden. 1997 wurde der Riems zum Hauptsitz des BFAV, das 2004 seinen heutigen Namen erhielt. Nach Eingliederung weiterer Fachinstitute aus dem Forschungsfeld der Tiergesundheit stellt das FLI einen leistungsfähigen Verband von elf Fachinstituten dar; sechs davon befinden auf dem Riems. Für dieses komplexe und hochmoderne Forschungszentrum sind nun in den vergangenen Jahren adäquate Gebäude geschaffen worden. Dazu wurde zwischen 2006 und 2013 in drei Stufen eines der größten zivilen Bundesbauprojekte realisiert. Was in diesem Zusammenhang an bemerkenswerter Architektur für das FLI entstand, ist im nächsten Beitrag zu erfahren.
Fraglos verfügt das Institut auf der kleinen Ostseeinsel über ein beeindruckendes Ensemble historischer und modernster Bauten, die entscheidend zur Unverwechselbarkeit und Attraktivität seines äußeren Erscheinungsbildes beitragen. Auch in dieser Beziehung hat es sich also ausgezahlt, dass parallel und korrespondierend mit den Neubauaktivitäten wertvolle Altbauten auf dem Riems aufwändig saniert und restauriert worden sind.




Adresse Südufer 10, 17493 Greifswald


aus Bauwelt 43.2014
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