Bauwelt

Klima- und ressourcenschonende Bauwende

Neuausrichtung an den planetaren Grenzen

Text: Meyer, Ulf, Berlin

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Klima- und ressourcenschonende Bauwende

Neuausrichtung an den planetaren Grenzen

Text: Meyer, Ulf, Berlin

Man soll Bücher nicht nach ihrem Cover beurteilen, besagt ein Sprichwort. Bei diesem Kriterium käme das Buch von Robert Kaltenbrunner über die Bauwende schlecht weg. Die Gestaltung des Titels wirkt nicht nur wie eilig und lieblos hingewischt, die Abwesenheit von einem sinnvollen Satz macht ihn schwer lesbar: „Ressource- nschonende“ – so ist der Titel in einer optisch wenig ansprechenden Typo gesetzt. Die Publikation wurde vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) herausgegeben, aber das rechtfertigt kein derartiges Layout. Für ein einfach ausgestattetes, vom Steuerzahler ko-finanziertes Taschenbuch ist sein Preis zudem ungewöhnlich hoch.
Gegliedert ist der Band in sieben Kapitel. Außer Kaltenbrunners einleitendem Text sind diese von bis zu fünf Autoren gemeinschaftlich geschrieben worden. Wie das wohl ging? Alle Autoren dieser Gruppen-Texte sind Mitarbeiter des Instituts.
Um bis 2045 den Gebäudebestand in Deutschland klimaneutral zu bekommen, wie die politische Vorgabe lautet, wäre es nötig, alle Ener- gieverbräuche auf Null zu reduzieren und/oder vollständig auf erneuerbare Quellen umzustellen. Das scheint unerreichbar. „Es bedarf grundsätzlicher Änderungen, die Architektur alleine wird es nicht richten“, so Kaltenbrunner. Allzu oft würden oberflächliches „Greenwashing“ und das „Vertagen der Probleme“ präferiert. Die Arbeit von Architekten wie Arno Brandlhuber oder Lacaton & Vasall dienen Kaltenbrunner als Beispiele für den einzig gangbaren Weg – den des Gebäude-Erhalts. Ihre Projekte zeigt das Buch aber nicht. Dabei sind Gebäude der vorletzten Jahrhundertwende oft leichter umzubauen als die der Moderne – Brandlhuber wie Lacaton & Vasall beschäftigen sich genau mit diesen schwierigeren Fällen. Kaltenbrunner plädiert für eine „Politik der langen Fristen“, „Genügsamkeit“ beim Konsumenten und „low tech“ in der Haustechnik – sein Text gleicht einem Aufruf.
Nach dieser aufrüttelnden Einleitung geht es in den Texten seiner Co-Autoren deutlich sachlicher, auch dröger zu. Der Leser erfährt nun Details: „DIN-konform werden positive und nega-tive Emissionswerte hier nur informativ mitgeführt“ und dergleichen. Im Klein-Klein der Politbürokratie wird der große Bogen, den Kaltenbrunner spannen wollte, schnell zur Erbsenzählerei. Wie sollen sich Bauherren da zurechtfinden? Die Autoren sehen eine „Ambitionslücke“ und „Umsetzungslücke“ in der Politik. Die einzige Lösung scheint ihnen „Suffizienz“ und die „Abkehr vom Wirtschaftswachstum“ zu sein. Wie das gehen soll, verraten sie nicht. Stattdessen definieren sie einen „Soll-Flächenkonsum für Alleinstehende von max. 30 m2 Wohnfläche“ – kompensiert durch „für private Treffen geeig-nete Außenräume“. Anhand der Sanierung eines Berliner Bürohochhauses der Nachkriegszeit werden unterschiedliche Sanierungs-, Abriss- und Neubau-Szenarien bewertet. Die Autoren plädieren für die „Vermeidung von Neubau“, denn „Effizienz allein reicht nicht aus“. Das ist zwar richtig, aber ist die Politik mit derlei Aussagen gut beraten?
Ansprechen will das Buch „Leser aus Wissenschaft, Politik und Baupraxis“. Der Bund selber baut derweil riesige Ministerien und erweitert das Bundeskanzleramt – ein Sichtbetonbau für hunderte von Millionen Euro. Wie soll diese Politik die wohlgemeinten Kleinst-Regulierungen, die die Autoren vorschlagen, umsetzen, ohne sich lächerlich zu machen?
In ihren „Handlungsempfehlungen“ am Ende des Bandes appellieren die Autoren an die Politik, einheitliche Definitionen und Rechenregeln für das klima- und ressourcenschonende Bauen zu definieren. Die derzeitige Bundesregierung dürfte dafür jedoch ein weniger offenes Ohr haben als die vorige. Der Herausgeber ist kurz vor Veröffentlichung des Buches überraschend verstorben, so beginnt der Band mit einem Nachruf auf ihn. Fast wirkt das Buch in Gänze wie ein Nachruf auf eine Politik, die bereit gewesen wäre, den Suffizienz-Gedanken in Architektur und Städtebau zu verankern.
Fakten
Autor / Herausgeber Robert Kaltenbrunner (Hrsg.)
Verlag transcript Verlag, Bielefeld 2025
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