Bauwelt

Bestattungsforum Ohlsdorf



Text: Seifert, Jörg, Hamburg


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Die Neuprogrammierung von Fritz Schuhmachers Krematorium, das zu den bedeutendsten Hamburger Baudenkmalen zählt, verlief nicht ohne Reibungen. tsj Architekten und Dohse Architekten hatten nicht nur baukonstruktive, sondern auch ver­fahrenstechnische Probleme zu bewältigen.  
Fritz Schumacher, ab 1909 Leiter des Hamburger Hochbau­wesens und ab 1924 Oberbaudirektor, hat bekanntlich das Gesicht der Hansestadt wesentlich geprägt. Neben umfassenden Siedlungs- und Freiraumplanungen realisierte er zahlreiche öffentliche Bauten: vom Institut für Geburtshilfe, die Davidswache und das Hamburgmuseum über Schul- und Verwaltungsbauten bis zum 1933 in Betrieb genommen „neuen Krematorium“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof – Schumachers letz­ter öffentlicher Bau vor seiner Zwangspensionierung durch die Nationalsozialisten.

Schumachers Entwurf
Bei dem axialsymmetrisch angelegten Entwurf achtete Schumacher auf eine strikte Trennung zwischen zeremoniellem und technischem Bereich – ein Prinzip, das u.a. auf gesellschaftliche Vorbehalte gegen Feuerbestattungen im 19. Jahrhundert zurückgeht, aber auch 1998 beim Krematorium Berlin-Baumschulenweg von Axel Schultes Anwendung fand. Schumacher trennte die Bereiche horizontal wie vertikal: Kremationsöfen, Kühlräume und alle anderen betrieblichen Notwendigkeiten organisierte er in einem unteren Geschoss, das direkt über einen westlich gelegenen, straßenseitigen Betriebshof zugänglich ist. Um den Zugang zu den darüberliegenden Feierhallen zu ermöglichen, lagerte er dem Bau auf der Ostseite, zum Friedhof hin, eine erhöhte Terrasse mit Freitreppe und seitlich flankierenden offenen Galerien vor.
Wie schon 1911 in Dresden-Tolkewitz vermied Schumacher die bis dato üblichen Historismen, die das erste Hamburger Krematorium von 1891/92 prägen. Während die Entwürfe seinerzeit meist „in verschämter Weise“ mit dem Pro­blem des Schornsteins gerungen hatten, entwickelte Schumacher die Kubatur der großen Feierhalle aus den technischen Bedingungen heraus. Die erforderlichen acht Abzüge fasste er zu einem 25 Meter hohen Massiv zusammen, das er mit der trapezförmig aufragenden 16 Meter hohen Halle zu einem zentralen monolithischen Baukörper verschmolz. Er wählte eine Stahlbetonkonstruktion aus sechs Bindern, in deren Zwischenfeldern er je drei schmale, vertikale Fenster anordnete. „Um den Ernst des Baus zu steigern“, griff er die Feuersymbolik auf und verwendete außen nur dunkel gebrannten Oldenburger Klinker, mit dem auch die 70 Grad geneigten Seitenflächen der großen Feierhalle belegt wurden. Im Inneren nimmt ein mittig über dem Katafalk angeordnetes Wandmosaik von Puhl & Wagner das Flammenmotiv auf. Die an die Architektur von Grabmalen angelehnte Objekthaftigkeit der Anlage verkörpert Schumachers Suche nach einem angemessenen architektonischen Ausdruck für einen konfessionsübergreifend nutzbaren Sepulkralbau. An dieser Eigenständigkeit nahm die gleichgeschaltete Presse Anstoß, die den Bau unmittelbar nach Inbetriebnahme als kulturbolschewistisch verfemte.

Sanierungsbedarf, Betreiberintentionen und Bieterverfahren
Aufgrund finanzieller Engpässe nach der Wirtschaftskrise konnte der Ursprungsentwurf nur unvollständig umgesetzt werden. Nicht realisiert wurden eine dritte Feierhalle und eine große Leichenhalle, die dann in den fünfziger Jahren in geänderter Form angebaut wurden, ferner zwei von Schumacher geplante Innenhöfe und eine Verwalterwohnung. 1966 erfolgte eine Grundüberholung, im Zuge derer u.a. die schadhaft gewordenen Steildachflächen der großen Feierhalle eine Kupferdeckung erhielten. Während des weiteren Betriebs hatten sich dann über Jahrzehnte hinweg verschiedene Pro­bleme derart verdichtet, dass sich die kommunale „Hamburger Friedhöfe AöR“ vor gut sechs Jahren erheblichem Handlungsdruck ausgesetzt sah. Die Bausubstanz wies zum Teil gravierende Schäden auf. Zudem musste die Kremationsanlage, die nicht mehr den Auflagen der Immissionsschutzverordnung entsprach, komplett stillgelegt werden; die letzten Einäscherungen erfolgten bis 1998 nur noch mit Sondergenehmigung. Hinzu kamen betriebswirtschaftliche Schwierigkeiten mit der denk­malgeschützten, in ihrer Erscheinung mittlerweile aber deutlich veränderten großen Feierhalle. Wegen ihrer schlechten Akustik war sie kaum noch von Bestattungsunternehmern angemietet worden. Stattdessen hatte man die räumlichen Alternativen des weltgrößten Parkfriedhofs vorgezogen, auf dem neben Hans Albers, Gustaf Gründgens, der Widerstandskämpferin Anna Seegers und Aby Warburg auch Schumacher selbst bestattet ist. Trauerfeiern fanden zunehmend in den zwölf weiteren Kapellen auf dem 400-Hektar-Areal statt, das über 22 Bushaltestellen erschlossen ist.
In dieser Situation entschied der Betreiber, den denk­mal­geschützten Schumacher-Bau zu einem zeitgemäßen Bestattungsforum zu erweitern. Das Konzept hierfür orientierte man an neuen niederländischen Krematorien mit stärkerem Servicecharakter und Offenheit gegenüber individuellen Wünschen der Hinterbliebenen. Zentrales Anliegen war es dabei, Trauerfeier und Urnenbeisetzung am selben Tag durchführen zu können, sowie das Einfahren des Sargs in den Kremationsofen im Beisein der Angehörigen zu ermöglichen. Für die Trauerfeierlichkeiten sollte ein Gastronomiebereich vor Ort genutzt und so die Zeit der Einäscherung überbrückt werden können. Weitere Bestandteile des neuen Konzepts sind Abschiedsräume, zu denen die Hinterbliebenen per Chipkarte 72 Stunden freien Zutritt haben. Außerdem sind den Feierhallen Familienzimmer zugeordnet, die den engsten Angehörigen direkt vor der Feier einen Rückzugsort bieten.
Auch hinsichtlich Planung, Umsetzung und Betrieb standen die Niederlande Pate. Dort werden derartige Projekte meist mit Generalübernehmern abgewickelt. Folglich wurde im Juli 2007 ein europaweiter Investorenwettbewerb für ein PPP-Verfahren ausgelobt, das neben Planung und Ausführung optional auch Betrieb und Finanzierung des Bestattungsforums einschloss. Irritiert durch eine unverbindliche Visualisierung in der Lokalpresse, schaltete sich die Fritz-Schumacher-Gesellschaft in den Prozess ein. Wolfgang Purwin, Ge­schäftsführer der Hamburger Friedhöfe AöR, war für Kritik offen und setzte zur Begleitung des Verfahrens eine Architekturkommission ein, der neben Hans Günther Burkhardt von der Fritz-Schumacher-Gesellschaft u.a. auch Oberbaudirek­-
tor Jörn Walter und Frank Pieter Hesse, Leiter des Hamburger Denkmalschutzamts, angehörten. Die Kommission nahm entscheidend Einfluss auf Baumassenentwicklung, Materialität und zahlreiche denkmalpflegerische Fragen.
Die meisten der ursprünglich neun Angebote schienen unrealistisch hinsichtlich des veranschlagten Kostenrahmens, überzeugten architektonisch nicht oder ließen Erfahrung und Referenzen vermissen. So verblieben nur zwei Bieter in der engeren Wahl: die Züblin Development GmbH (ZDE) mit Störmer Murphy and Partners und die BAM Deutschland AG mit dem Lübecker Büro tönies+schroeter+jansen (tsj). Beide Entwürfe wiesen Vor- und Nachteile auf. Städtebaulich reagierten sie beide durch zurückhaltende Höhenentwicklungen auf den Bestand. Während aber das Büro Störmer Murphy and Partners in Teilen die Kubatur des unvollendeten Schu­macher-Entwurfs im identischen Klinker ergänzte und einen weiteren Baukörper mit goldbraun eloxierten, vertikalen Aluminiumpaneelen von diesem Alt-Neu-Konglomerat absetzte, arbeiteten tsj über mehrere Varianten am Motiv des schlüssigen Weiterbauens. Hielt die Architekturkommission bei Störmer Murphy and Partners die innere Organisation des Forums und die Proportionierung der Feierhallen für qualitätvoller, so war bei tsj die von Schumacher angelegte Trennung in öffentlichen Bereich und Betriebshof konsequenter fortgeführt. Kritisch war jedoch auch für die verbliebenen Anbieter der Kostenrahmen. Vorübergehend schien das Projekt an diesem Punkt zu scheitern. Der Bauherr erwog kurzzeitig die Nutzung des Schumacher-Baus komplett zugunsten eines Neubaus im Friedhofsinneren aufzugeben, zumal die Wiederinbetriebnahme des Krematoriums den aufwändigen Einbau einer unterirdischen Rauchgasreinigungs- und Kühlanlage erforderte. Anfang 2009 bewilligte der Senat dann aus dem Konjunkturprogramm zehn Millionen Euro für die Sanierung. Züblin Development legte jedoch eine neue Kostenkalkulation vor, die offenbar als Abwehrangebot zu verstehen war, sodass letztlich das Projekt von BAM und tsj realisiert wurde.  

Die Erweiterungsbauten von tsj Architekten
Die zwei Neubauflügel stärken die Axialität des Ursprungsentwurfs und gehen eine gelungene Symbiose mit dem markanten Bestand ein. Der eingeschossige Nordflügel des Betriebshofs ist bis an die Straße zum überdachten Be­statter-Parkplatz verlängert worden. Der zweigeschossige Südflügel an Stelle der 50er-Jahre-Bauten beherbergt im oberen Geschoss die für 100 Personen ausgelegte Cordes-Halle mit Familienzimmer sowie Foyer, Gastronomie, Küche, Büro- und Nebenräume und im unteren die 25 Personen fassende Linne-Halle, vier Abschiedsräume sowie diverse Funktions- und Nebenräume. Während in der Cordes-Halle der Sichtbezug zum dominanten Schumacher-Bau über vertikale, im Dachbereich fortgesetzte Fensterschlitze gelungen ist, kann die Linne-Halle, die den Trauernden die Begleitung des Sargs bis zum Kremationsofen ermöglicht, in ihrer Raumwirkung nicht überzeugen. Zwar wurden die logistischen Abläufe geschickt gelöst, doch angesichts des recht kleinen Raumes mit kaum mehr als 3 Metern Höhe, der wie das angrenzende Familienzimmer ganz ohne natürliche Belichtung auskommen muss, wirkt der Begriff Halle etwas euphemistisch. Gut gelöst ist dagegen die Vorzone der Abschiedsräume. Hier ist ein intimer Bereich entstanden, der auch ins untere Geschoss Tageslicht einlässt und im Zusammenspiel von Brüstungsmauer, Sichtbetonstelen und gefasster Wasserfläche eine Atmosphäre ausstrahlt, die Assoziationen zur Architektur eines Barragán oder eines Mies van der Rohe weckt.
Die tiefen Betonstelen, die sich über einen weiten Bereich der Südfassade hinziehen, bilden ein wichtiges Element in der Haltung zum Bestand. Sie machen den Neubau als spätere Ergänzung kenntlich, obwohl dieser im Klinker des Schumacher-Baus erstellt wurde und fast überall ohne Trennfuge anschließt. Unterscheidbar sind Alt und Neu aber auch an Details: Während Schumacher im Blockverband mauern ließ, wurde die Klinkerschicht der neuen Hülle im wilden Verband ausgeführt. Das Motiv des Weiterbauens, das sich auch in der seitlichen Fortführung der Schumacher’schen Terrasse ausdrückt, gilt bekanntlich nicht gerade als „common sense“. Wer auf Amalgamierung statt auf Kontrast setzt, gerät schnell in die Nähe von Konservativismus und Laiengeschmack. Dietmar Kirschner, federführender Entwurfsverfasser und ehemaliger Projektleiter bei tsj, steht denn auch der Architektur der Fuge eines Karljosef Schattner näher als die realisierte Lösung in Hamburg vermuten lässt. Tatsächlich hatte sich der Erstentwurf farblich und räumlich noch stärker abgesetzt. Doch das Ergebnis, dem ein sehr intensiver Prozess zwischen Denkmalpflege und Architekten vorausgegangen ist, befriedigt nicht nur Bauherrn und Friedhofsbesucher. Die Entscheidung zum bewussten Weiterbauen wirkt in ihrer Unaufgeregtheit dem Ort angemessen, räumliche Hierarchien konnten folgerichtig herausgearbeitet werden.

Arbeiten am Baudenkmal: Dohse Architekten

Nicht in der Hand von tsj lag die Denkmalsanierung. Um den diesbezüglichen Aufwand besser einschätzen zu können, wurden im Frühjahr 2009 Dohse Architekten aus Hamburg mit der Erstellung eines Sanierungsgutachtens sowie einer Leistungsbeschreibung beauftragt und anschließend auch mit der Grundinstandsetzung der denkmalgeschützten Bereiche betraut, die in Zusammenarbeit mit dem Generalübernehmer BAM und in Abstimmung mit tsj erfolgte.
Neben dem Umbau der ehemaligen kleinen Feierhalle Schumachers zum Kolumbarium und diversen Außenarbeiten, so wurden zum Beispiel die verlorenen Klinkerkeramiken ersetzt und die scharrierten Betonuntersichten im Galeriebereich wiederhergestellt, konzentrierten sich Dohse-Architekten auf die große Feierhalle – heute Fritz-Schumacher-Halle. Im Inneren mussten sämtliche Oberflächen – Beton, Putz, Terrazzoboden – wie auch die Blei- und Schutzverglasungen der Fenster saniert werden. Denkmalpflegerisch bedeutsam war die Wiederherstellung des Originalfarbkonzepts. Bis auf die vordere Stirnseite in leichtem Taubenblau, waren ursprünglich alle Wand- und Deckenflächen in einem gebrochenen Weißton gehalten, während die Giebelwände und Betonbinder nachträglich mit einem dominanten beigefarbenen Anstrich versehen wurden. Schumacher dagegen hatte als einzigen Farbakzent die Glasfenster von Ervin Bossányi vorgesehen, die vom Katafalk zum Ausgang hin von kalt-blau allmählich zu wärmeren, helleren Tönen übergehen. Zur Verbesserung der Akustik wurde mit dem Elmshorner Fachplaner Frank Chilinski eine technisch wie ästhetisch überzeugende Lösung entwickelt.
Dohse Architekten regten auch an, bei der Sanierung der Steildachflächen wieder auf die ursprüngliche Klinkeroptik zurückzugehen. Friedhofsbetreiber und städtische Öffentlichkeit hatten sich über Jahrzehnte an das patinierte Kupfer gewöhnt, und auch dem Denkmalschutzamt war der Originalzustand nicht mehr präsent. Dohse Architekten zogen alte Fotografien heran und nahmen zwei Konstruktionsvorschläge mit Klinkeroberflächen in ihr Gutachten auf. Denkmalschutzamt, Oberbaudirektor und Fritz-Schumacher-Gesellschaft wurden sich schnell darin einig, den monolithischen Charakter wieder herzustellen. Der Bauherr plädierte dagegen aus Kostengründen für eine neue Kupfereindeckung, obwohl infolge starker Unterwurzelung eine umfassende Sanierung nötig war. Von dritter Seite wurde schließlich diskutiert, inwiefern nicht das 1966 verlegte Kupferblech inzwischen selbst zum Teil des Denkmals geworden sei, zumal man ja technisch nicht auf den Ursprungszustand – konstruktiv freilich eine Fehlplanung – zurückgehen könne.
Wie also ist die letztlich realisierte Lösung mit Betonfertigteilen und auf drei Zentimeter abgesägten, eingelassenen Klinkern zu bewerten? Im Alternativabgleich fällt es nicht schwer, der größtmöglichen Annäherung an die Intentionen des Originalentwurfs Vorrang zu geben. Mit der nachträglichen Eindeckung waren zwar konstruktive Mängel behoben, aber wesentliche konzeptionelle Aussagen verfälscht worden. Der vermeintlich simple Eingriff hatte dem Baukörper und seinen Teilen eine Eindeutigkeit zugewiesen, die so nie angelegt war. Während Schumacher von geneigten Wänden gesprochen hatte, wurden diese durch die Kupferdeckung unmissverständlich zum Steildach deklariert. Dagegen wird ins­besondere im Innenraum deutlich, dass Schumacher eben gerade an der Ambivalenz der Bauteile gelegen war, die sich zu einer fließenden Hülle verbinden. Die sechs frei sichtbaren Betonbinder – an ihrer Innenseite parabolisch gekurvt – lassen Wand, Schräge und Decke miteinander verschmelzen und den Betrachter somit im Unklaren darüber, ob es sich bei den zu fünf Dreiergruppen zusammengefassten vertikalen Einschnitten links und rechts um Wand- oder Dachfenster handelt. Schumachers fließender Raum war als Raum des Übergangs konzipiert. Form und Konstruktion, die Feuersymbolik, der allmähliche Farbtonwechsel der Bleiglasfenster zur Orgel­empore hin – all das fügt sich zur Metapher des Hinübertretens. Angesichts dieses starken Raumkonzepts ist die Frage sekundär, ob sich dessen explizit gewollte Ablesbarkeit im Au-
ßenraum konstruktiv mit einer „sauberen Lösung“ wiederherstellen lässt. Und der Vollständigkeit halber sei ergänzt, dass Schumacher fast alle späteren Bauten in Stahlbetonbauweise erstellte und mit Klinkern verkleidete.

Herausforderung Prozesskommunikation

Das Beispiel zeigt, dass die Abstimmungsprozesse in derart komplexen Sonderbauvorhaben nicht konfliktfrei verlaufen. Während die beiden Architekturbüros tsj und Dohse schnell zur guten Zusammenarbeit fanden, war für Hans Günther Burkhardt wie auch für Rouven Feist von tsj die Arbeit mit dem Generalübernehmer problematisch. Die Architekten waren in dieser Konstellation stark in ihren Entscheidungen eingeschränkt. Das juristische Konstrukt sieht vor, dass jegliche Kommunikation über den Generalübernehmer erfolgt – was im Interesse der Ausführungsqualität nicht immer geschah und zu größeren Spannungen geführt habe. Doch auch zwischen tsj und dem Bauherrn kam es zu Meinungsverschiedenheiten. Letzterer war nicht mit dem zeitlosen Innenraumkonzept der Architekten einverstanden und beauftragte nachträglich JOI-Design, ein Hamburger Innenarchitekturbüro mit Referenzen im Hotel- und Gastronomiebereich. JOI Design zeichnen verantwortlich für die Urnenkrypta im Untergeschoss und auch für die „sehr gemütliche und warme Atmosphäre“ in den Feierhallen, den Familienzimmern und im Café Fritz, auf die ein aktueller Werbefilm des Bestattungsforums verweist. Lutz Rehkopf, Sprecher der Hamburger Friedhöfe, begrüßt ausdrücklich die städtebauliche Gelenkfunktion des Bestattungsforums am westlichen Friedhofsrand, die sich vor allem aus der konsequenten Positionierung der Gastronomie zur vielbefahrenen Fuhlsbüttler Straße ergibt. Die Trauerfeiern in der Fritz-Schumacher-Halle können – wie kürzlich, als 450 Personen Abschied von Kiez-Kneipenwirt Hanne Kleine nahmen – über Großbildschirme ins Foyer übertragen werden. Im Bestattungsforum finden Theateraufführungen, Ausstellungen und Vorträge statt, und auf dem Friedhof kann man ein Museum besuchen sowie vogelkundliche Führungen oder Märchenspaziergänge buchen. All dies könnte man zum Anlass nehmen, um über Eventisierungstendenzen der Bestattungskultur zu räsonieren. Man kann es aber auch als Bemühen lesen, den Hinterbliebenen so viel Normalität wie möglich zu vermitteln, ohne dem Tod seine Würde zu nehmen. Hierfür bietet das Ensemble aus Alt- und Neubau einen angemessenen Rahmen. Trauer-, Bau- und Stadtkultur verbinden sich in Ohlsdorf auf selbstverständliche Weise.  



Fakten
Architekten tsj Architekten; Dohse Architekten
Adresse Fuhlsbüttler Straße 756, 22337 Hamburg


aus Bauwelt 18.2012
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