Simulacrum einer geglückten Transformation
Der Tour Bois le Prêtre im DAZ
Text: Thein, Florian, Berlin
Simulacrum einer geglückten Transformation
Der Tour Bois le Prêtre im DAZ
Text: Thein, Florian, Berlin
„Niemals abreißen, abbauen oder ersetzen, immer erweitern, ändern und neu verwenden!“ lautet die Antwort der Architekten Frédéric Druot, Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal auf die Frage nach dem Umgang mit dem oft ungeliebten Erbe der Nachkriegsmoderne.
Der Tour Bois le Prêtre, ein 16-geschossiges Pariser Wohnhochhaus der 60er Jahre, wurde von ihnen dementsprechend behandelt (Bauwelt 27.07). Das Projekt ist Gegenstand einer von Ilka und Andreas Ruby zusammen mit Something Fantastic kuratierten Ausstellung, die nach dem DAM in Frankfurt nun im Berliner DAZ zu sehen ist.
Zur Konzepterläuterung genügt eine Wand mit Zeichnungen und Texten am Ausstellungseingang – so prägnant einfach wie überzeugend folgen die Architekten ihrem Manifest. Sie befreien den einstigen Abrisskandidaten von seinem rosaroten Asbestplattenkleid, einer Sanierungssünde der 80er Jahre, und erweitern ihn durch vorgefertigte Wintergartenmodule mit Balkon, die durch raumhohe Glasschiebeelemente mit den Wohnungen verbunden sind. Aus den ehemals muffig-dunklen Appartements wird so, zu einem Bruchteil der Kosten von Abriss und Neubau, ein lichtdurchfluteter, bezahlbarer Wohnraum.
Auf dessen atmosphärischer Wirkung liegt der Fokus einer raumgreifenden Installation, mit der die Kuratoren dem Dilemma der Ausstellbarkeit von Architektur begegnen. Als umlaufende Tapete bilden Fotografien von Philippe Ruault die Innenräume, mit Blick durch die Wintergärten nach draußen, im Maßstab 1:1 ab. Die Aufnahmen dokumentieren einen möblierten Zustand, persönliche Reliquien der Bewohner weisen die gezeigten Räume als individuell gestaltetes Zuhause aus. Man wähnt sich stets als Gast in einer der Hochhauswohnungen an der Porte Pouchet. Verstärkt wird der Eindruck durch die Ergänzung der Fotografien mit Möbeln, Pflanzen und Theaterrequisiten, die in Anlehnung an den jeweiligen Stil der Bewohner ausgewählt und zu den Fotos drapiert wurden. Farbige Vorhänge aus alukaschierter Schafwolle, der thermische Abschluss der Wohnungen zum Wintergarten, teilen den Ausstellungsraum in kleinere Einheiten.
Man kann der Szenerie einen gewissen Schaueffekt nicht absprechen, die Komposition der Versatzstücke schafft es jedoch, mehr zu sein als bloße Abbildung. Bewusste Verschiebungen in der Perspektive und Unstimmigkeiten zwischen Vorder- und Hintergrund erzeugen als präzise formulierte Brüche eine Betrachtersituation, die über einen sozialromantisch verklärten Voyeurismus erhaben ist und gleichzeitig offenbart, worin die größte Leistung dieser Architektur besteht: Ihre räumliche Qualität wird durch Benutzung nicht geschmälert, sondern erst vollendet.
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