Bauwelt

Plattform der Künste und Kreativität

Text: Guimarães, Carlos M., Porto

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Plattform der Künste und Kreativität

Text: Guimarães, Carlos M., Porto

Der Mercado Municipal der Stadt Guimarães war aus dem städtischen Leben herausgefallen. Das Kulturhauptstadtjahr 2012 bot die Chance, den Ort zu revitalisieren. Pitágoras Arquitectos haben den Bestand gesichtet und neu gestaltet. Der Bau eines Kulturzentrums hat den Platz zu einem neuen Mittelpunkt der Stadt gemacht.
Guimarães ist meiner Ansicht nach eine der interessantesten Städte in Portugal. Ihre Vergangenheit als „Wiege der Nation“ und ihre mittelalterliche Bausubstanz sollten sorgsam, aber ohne Angst vor der Zukunft gepflegt werden. Ein Gleichgewicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu finden, ist mehr denn je ein entscheidendes Kriterium für die Lebensqualität der heutigen europäischen Städte. Eine Chance, dieses Gleichgewicht neu auszubalancieren, bot sich im vergangenen Jahr. Die nordportugiesische Stadt war 2012 gemeinsam mit Maribor in Slowenien die Kulturhauptstadt Europas. Diese Rolle bestimmt formal und inhaltlich den Kontext der neuen „Plataforma das Artes e da Criatividade“. Die Errich-tung des Gebäudes wurde aus Mitteln finanziert, die die Europäische Union für das Kulturhauptstadtjahr bereitgestellt hatte. Ziel des Projekts war es, zwei wichtige Gewerbezweige zu stärken: den Tourismus und die Kultur. Darüber hinaus gibt die mit dem Projekt verbundene Stadterneuerung eine Antwort auf die Frage, wie in unseren Städten mit Vergangenheit und Gegenwart umgegangen werden sollte. Diese Frage zählt für den Denkmalschutz in Europa gegenwärtig mit zu den wichtigsten.
Für das Bauprojekt wurde ein Gelände gleich nördlich der Altstadt von Guimarães, einer Weltkulturerbestätte der UNESCO, ausgewählt. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass historische Stadtzentren lebendige Organismen sind; Palimpseste, die nicht als Freilichtmuseen oder als in sich abgeschlossene „Kunstwerke“ angesehen werden sollten. Kontinuität und Vitalität heißen die wesentlichen Stichwörter für mögliche Eingriffe; keinesfalls gewünscht ist ein wie immer gearteter Bruch mit der Vergangenheit.
Vor der Neuplanung befand sich auf dem Gelände zwischen der Avenida Conde di Margaride und der Rua Paio Galvão ein auf drei Seiten von Gebäuden umstandener Marktplatz, dessen tiefgreifende Erneuerung dringend geboten schien. Neben einigen interessanten baulichen Merkmalen wie der niedrigen, offenen Umbauung und dem gegenüber der Altstadt abgesenkten Niveau des Marktplatzes bestand der Hauptwert der Anlage in ihrer schieren Größe und in ihrer Bedeutung als öffentlicher Raum. Der „Mercado Municipal“ war sehr gut an die Stadt angebunden, doch mit dem Niedergang der umliegenden Bebauung und der späteren Schließung des Marktes vergaßen die Menschen den Platz und kamen nicht mehr her. Aus diesem Grund lassen sich die von der Stadtverwaltung angestrebten Ziele des Eingriffs gut verstehen: Es sollten dem Ort seine verloren gegangene Lebendigkeit zurückgegeben, die vorhandenen Gebäude programmatisch neu definiert und gleichzeitig eine neue Kultureinrichtung geschaffen werden. 
Vor drei Jahren fand die öffentliche Ausschreibung statt; das siegreiche, in Guimarães ansässige Büro Pitágoras Arqui-tectos wurde damit beauftragt, das neue Kunstzentrum zu entwerfen sowie Gestalt und Funktion der alten Marktgebäude und des Platzes neu zu definieren. Das Budget belief sich alles in allem auf rund 12 Millionen Euro. Die Architekten sollten den Entwurf innerhalb von anderthalb Jahren ausarbeiten und umsetzen.
Da das Projekt vorsah, den früheren Markt als öffentlichen Platz zu erhalten, bekam es große Bedeutung für das Leben der Stadt. Darüber hinaus wurde der Platz als ein urbaner Schnittpunkt definiert, weil er eine direkte Anbindung an eine der Hauptstraßen der Altstadt besitzt. So wurde der einst vorhandene Dialog zwischen dem historischen Stadtkern und seinen Erweiterungen beibehalten.
Drei Wege der Erneuerung
Das Marktgebäude an der Ostseite des Platzes ist ein Werk des bedeutenden portugiesischen Architekten José Marques da Silva (1869–1947); es wurde mit einigen kleinen programmatischen Umgestaltungen restauriert. Im Obergeschoss, das auf dem Niveau der Rua Paio Galvão liegt, sind Ladenflächen untergebracht; das an den Platz angebundene Erdgeschoss erhielt neue Gewerberäume, die vermietet werden.
Der Nordflügel wurde hinter der erhaltenen Straßenfassade komplett neu gebaut, jedoch unter Beibehaltung seiner ursprünglichen Volumetrie. Zum Platz hin jetzt mit einer Glasfassade geöffnet, besitzen seine Innenräume, die heute als Ateliers vermietet werden, eine neue Beziehung zum Außenbereich.
Der Südflügel wurde zur Gänze abgerissen, an seiner Stelle entstand das neue, goldfarbene Kunstzentrum. In ihm befinden sich die Dauerausstellung von Werken des portugiesischen Künstlers José de Guimarães, ein Saal für Wechselausstellungen, eine kleine Bibliothek und ein Auditorium.
Kein Großbehältnis
Das Gebäude bemüht sich um einen zugleich menschengerechten und urbanen Maßstab. Zum Platz hin markieren vorkragende Bauteile den Eingang und das Freiluft-Auditorium. An der Rückseite präsentiert sich das Gebäude hingegen mit einer flächigen Fassade ohne Einschnitte in den Baukörper und ohne sichtbare Fenster. Hier zeigt sich das Gebäude als abstrakte Form und betont mit seiner geschlossenen Fassade die bestehende, schmale Straße.
Die Verkleidung besteht in erster Linie aus Messingtafeln. Mittels Farbe und Textur soll, wie Paul Roque, der leitende Architekt von Pitágoras Arquitectos betont, „eine klare Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart“ hergestellt werden. Da Messing mit der Zeit Patina entwickelt, wird sich das Gebäude farblich schnell den Bauten der Altstadt anpassen. In den ausgesparten Abschnitten bildet dunkles Glas die Außenhülle, das, zusammen mit dem Messing, das Gebäude ruhig und streng wirken lässt. Bei Dunkelheit entfaltet das Gebäude durch die farbige Hinterleuchtung der Fassade eine deutliche Präsenz.
Im Inneren vermitteln weiße Wände jene Klarheit und Ruhe, die man normalerweise mit Ausstellungssälen verbindet. Von einem zentralen Raum, der als Eingang, Hauptfoyer und Museumsshop fungiert, startet der Rundgang durch die Säle der Dauerausstellung, die sich in Proportion und Größe unterscheiden. Dank dieser Variationen erleben Besucher eine gegliederte Raumfolge und nicht einen abstrakten Container. In manchen Räumen sind sorgfältig einige wenige Fenster platziert, die Tageslicht hereinlassen oder einen Ausblick gestatten.
Und nach dem Kulturhauptstadtjahr?
Die „Plataforma das Artes e da Criatividade“ nimmt selbstbewusst ihren Platz im architektonischen Panorama der Stadt ein und demonstriert ein gelungenes Gleichgewicht zwischen Aufbruch und Tradition. Guimarães brauchte kein neues Stadtwahrzeichen, und dieses Gebäude strebt einen solchen Status auch gewiss nicht an. Freilich kann man die Frage stellen, ob eine Stadt wie Guimarães mit gerade mal 50.000 Einwohnern tatsächlich einen so großen Gebäudekomplex benötigt. Ob sich das Projekt in der Zukunft als Erfolg erweist, hängt sicher auch davon ab, in welcher Form die Stadtverwaltung wirtschaftliche Anstrengungen unternimmt, um es kulturell und künstlerisch mit Leben zu erfüllen, so dass die Bewohner es akzeptieren, sich dauerhaft für diese Stätte interessieren und sich für sie einsetzen. 


Übersetzung aus dem Englischen: Christian Rochow
Fakten
Architekten Pitágoras Arquitectos, Guimarães
aus Bauwelt 21.2013
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