Keine Behübschungsdisziplin
Frischer Wind im Kunstgewerbemuseum Dresden
Text: Landes, Josepha, Dresden
Keine Behübschungsdisziplin
Frischer Wind im Kunstgewerbemuseum Dresden
Text: Landes, Josepha, Dresden
Seit Jahresanfang hat das Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden eine neue Direktorin: Tulga Beyerle, die 2007 die Vienna Design Week mit ins Leben rief. Ihren Einstand gibt sie mit einer Ausstellung, die als Brückenschlag zwischen Wien und Dresden verstanden werden kann: „WerkStadt Vienna“.
In beiden Städten gilt Althergebrachtes viel. Der Barock ist Touristenmagnet der Elbestadt, wie es in Wien Klassizismus und Jugendstil sind. Eher schwer haben es hingegen neue Impulse. „WerkStadt Vienna“ zeigt anhand von Kooperationen alter Wiener Handwerksbetriebe mit jungen Designern, wie profitabel ein Austausch zwischen Tradition und Experiment sein kann.
Das Kunstgewerbemuseum ist seit 1963 im Schloss Pillnitz untergebracht, dem Sommerschloss von August dem Starken. Die Bauten der Anlage sind Zwitterwesen zwischen fernöstlicher Exotik und europäischer Bautradition. Hinter Fassaden, die japanische Wandmalerei ziert, öffnen sich Enfiladen, die an Meißner Porzellan-Nippes und Wandmalerei überborden. Für die Ausstellung platzierten die Ausstatter im sogenannten Bergpalais blanke Holzgestelle, die wie provisorische Kulissen anmuten. Die Exponate sind zeitgenössische Interpretationen traditioneller Produkte und Fertigungstechniken. Ins-trumentenbauer, Uhren- und Geschirrhersteller, Hutmacher und Juweliere ließen junge Gestalter ans Werk. Entstanden ist Praktisches wie eine als schlichter Armreif gehaltene Digitaluhr aus Horn, aber auch Phantastisches wie eine Tandem-Ukulele.
Der Kontrast zwischen dem Prunk des Austellungsorts und dem Purismus des Ausstellungsdesigns ist gewiss gewollt, jedoch fraglich. So gut das Problem der Rückwärtsgewandtheit des Dresdner Kulturbürgertums erkannt wurde, so wenig geht die Schau darauf ein. Dabei enthält sie selbst den Weg zum Ziel, formuliert in einer Videosequenz: Ein Uhrmacher kommentiert seine Zusammenarbeit mit den jungen Designern mit den Worten, er sei angetan, wie sie das Gleichgewicht zwischen Identität und Potenzial seiner Marke zu wahren wüssten; der Kunde dürfe nun mal nicht verschreckt werden.
WerkStadt Wien ist sehenswert, wirkt aber deplatziert. Nicht weil pastellfarbene Wanddekorationen hinter weißen Stellwänden verborgen werden, sondern weil die Schau einfach verpflanzt wurde. Auf ihren letzten Stationen, bei Design-Veranstaltungen in Wien, Rotterdam und Helsinki dürfte sie zum Publikum gepasst haben. In zwei Sälen im Barocktourismus-Milieu erscheint sie wie eine Notlösung.
„Rochaden“, Beyerles zweite, eben eröffnete Ausstellung, entspricht ihrem Anliegen schon eher. Auch dort kommen junge Designer zum Zug, allerdings mit Bezug zur Sammlung. Sie waren eingeladen, im Depot des Museums zu stöbern und Verstaubtem neuen Atem einzuhauchen. In einer Rauminstallation etwa macht die Berliner Designerin Judith Seng mittels Klöppeltechnik menschliche Interaktion sichtbar. Von der Decke hängen schwarze Schnüre in einem dicken Strang, an den Wänden traditionelle Klöppeldeckchen. Zur Vernissage führten Tänzer das verknotete Miteinander in einer Performance vor.
Auf derart subtile und interdisziplinäre Weise könnte es Beyerle gelingen, dem Dresdner Kunstgewerbemuseum ein neues Image zu geben – und allen Besuchern den zeitlosen Sinn von „Design als Motor für Entwicklung und Lernen und nicht Behübschungsdisziplin“ bewusst machen.
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