Bauwelt

Changing the Face

Eine neue Fassade für das Puschkin-Kino in Moskau

Text: Meyer, Friederike, Berlin

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2. Preis: Adrian Reinboth, Franziska Böttcher, Jenny Grossmann

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2. Preis: Adrian Reinboth, Franziska Böttcher, Jenny Grossmann


Changing the Face

Eine neue Fassade für das Puschkin-Kino in Moskau

Text: Meyer, Friederike, Berlin

Das „Puschkin“ am gleichnamigen Platz war einmal das Premierenkino der Sowjetunion. Der einstige Glanz ist verblichen. Ein Ideenwettbewerb wollte den Ort ins kulturelle Bewusstsein zurückholen und die Produkte des Auslobers promoten.
Bauteilhersteller denken sich immer neue Konzepte aus, um mit Wettbewerben für ihre Produkte zu werben. Früher reichte es, Fotos von Anwendungen zu erbitten und die besten samt ihren Planern zu prämieren. Heute sind gesellschaftliches Engagement oder ein wie auch immer gearteter Forschungsansatz gefragt, was in der Aufgabe für die Teilnehmer deutlich gemacht wird. Einige Hersteller haben inzwischen Themen besetzt, die zu ihren Produkten passen, Licht und frische Luft sind es zum Beispiel bei Velux (Bauwelt 42.10), barrierefreies Bauen ist es bei Schindler (09.11), Nachhaltigkeit bei Zumtobel oder Holcim (34.09, 37.10).
Die Firma DuPont, die von Chemikalien bis zu fertigen Werkstoffen viele Produkte herstellt, sucht den verblichenen Glanz international bekannter Bauten. In europäischen Städten wählt sie jedes Jahr ein Gebäude aus, das an einem zentralen Ort steht, eine öffentliche Funktion hat und in schlechtem Zu­stand ist. Die Teilnehmer ihres jeweils mit lokalen Partnern ausgelobten Ideenwettbewerbs bittet sie um Ideen für die Neugestaltung der Fassade. Alles ist möglich, die einzige Bedingung: Eines der Produkte muss aus dem Sortiment des Auslobers stammen. Im Jahr 2008 beschäftigte man sich mit dem Kolosseum in Rom, 2009 folgten der Palast des Volkes in Bukarest und das Prager Nationaltheater „Neue zene“ mit seiner expressionistischen 70er-Jahre-Fassade, 2010 das ungenutzte Hochhaus am Athener Hafen von Piräus. Nutzen ziehen, so erklärt es der Organisator Wlodzimierz Sobon, beide Sei-ten: Die Gebäude werden durch die öffentliche Preisvergabe und die Berichterstattung über den Wett­bewerb ins städtische und internationale Bewusstsein gerückt, der Auslober erhält attraktive Bilder für die Anwendung seiner Produkte.
Vorhang auf
In diesem Sommer stand das Moskauer PuschkinKino im Mittelpunkt. Am Puschkinplatz auf dem Boulevardring wurde es 1961 nach Plänen von Yu. N. Schewerdiajew, D. S. Solopow unter dem Namen „Rossia“ als Palast für das Internationale Moskauer Filmfestival (MIFF) und als Premierenkino gebaut. Seine Fassade könnte Vorbild für das Kino International in Berlin gewesen sein, das zwei Jahre später fertig wurde und das Premierenkino für die DDR war. Heute gehört das ehemalige „Rossia“ zu Karo-Film, der größten Kinokette Russlands, wurde 1997 im Inneren umfassend renoviert und in „Puschkin“ um­benannt. Leider ist das Äußere nicht gut erhalten, Anbauten und billige Fassadenmaterialien haben den einst strahlenden Eindruck verblassen lassen.
Unter dem Titel „Changing the face. Rescue an icon of Moskow“ hatte DuPont gemeinsam mit dem russischen Architektenverband, Karo, dem türkischen Bauinfozentrum YEM, RIBA und dem Architekturblog Architizer einen Wettbewerb ausgelobt. Mit einer „Rettung der Ikone“ aber haben die Vorschläge der 485 Teilnehmer nichts zu tun. Im Gegenteil: Ihre zum Teil wild gerenderten Visionen scheinen das Kino unter Orgien des DuPont-Produkts Corian zu begraben. Auf www.architizer.com, wo alle Ideen veröffentlicht sind, kann man sehen, dass nur die wenigsten die Qualitäten des Kinos erkannt haben.
Auf den 2. Platz hat die achtköpfige Jury (Moskauer Architekten und Gewinner der Vorjahre) den Vorschlag von Adrian Reinboth, Franziska Böttcher und Jenny Grossmann gesetzt. Die Designstudenten der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hildesheim wollen die Glasfassade vor dem Foyer mit elektrolumineszierenden Kabeln verhängen, die nachts wie ein leuchtender Vorhang wirken. Eine simple Idee, deren Realisierung das Experiment wert wäre.
 Schade nur, dass das DuPont-Engagement für das Kino mit dem Wettbewerb zu Ende ist. So fühlten sich die deutschen Preisträger zwar sehr willkommen auf der Preisverleihung in Moskau, doch von ei­nem Interesse an einer eventuellen Zusammenarbeit spürten sie nichts. Dabei scheint ihr Vorschlag weit realistischer als die Sprühnebel- und Eiszapfenidee des Kolumbianers Juan Andrés Díaz Parra (1. Preis). Er will das Kino mit kleinen durchlöcherten Corian-Kugeln umhüllen, die Wasserdampf versprühen, der im Sommer kühlt und im Winter zu Eiszapfen gefriert. Doch wie soll man dann sicher ins Kino kommen?
Fakten
Architekten Díaz Parra, Juan Andrés, Kolumbien; Reinboth, Adrian; Böttcher, Franziska; Grossmann, Jenny, Deutschland
aus Bauwelt 34.2011
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