Bauwelt

Wir haben uns mit der Flora und Fauna des Landes beschäftigt

Interview mit Jürgen Engel zur Großen Moschee von Algier. Nach der Erstplatzierung bei einem eingeladenen Generalpla­ner-Wettbewerb folgte eine aufwendige und erkenntnisreiche Planung und Realisierung.

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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    Blick von Westen über die Stadt Algier auf die Moschee.
    Foto: Schnepp Renou

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    Blick von Westen über die Stadt Algier auf die Moschee.

    Foto: Schnepp Renou

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    Im Umfeld der Moschee östlich des Zentrums wird ein neues Stadtquartier entstehen. Links der Gebetssaal mit Kuppel Foto: Schnepp Renou

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    Im Umfeld der Moschee östlich des Zentrums wird ein neues Stadtquartier entstehen. Links der Gebetssaal mit Kuppel

    Foto: Schnepp Renou

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    Blick von Nordosten auf die Gesamtanlage. Im Vordergrund die Ostseite des Gebetssaals mit Kuppel. Die Autobahn, die an der Moschee entlangführt, wird mit Bäumen zum Boulevard umgebaut.
    Foto: Schnepp Renou

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    Blick von Nordosten auf die Gesamtanlage. Im Vordergrund die Ostseite des Gebetssaals mit Kuppel. Die Autobahn, die an der Moschee entlangführt, wird mit Bäumen zum Boulevard umgebaut.

    Foto: Schnepp Renou

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    Detail mit den Calla-Stützen aus Schleuderbeton. Im Hintergrund die Moucharabieh-Fassadenelemente des Minaretts.
    Foto: Schnepp Renou

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    Detail mit den Calla-Stützen aus Schleuderbeton. Im Hintergrund die Moucharabieh-Fassadenelemente des Minaretts.

    Foto: Schnepp Renou

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    Südlich der Moschee schließt ein Wohngebiet an. Im Hintergrund die Loggia zur Stadt.
    Foto: Schnepp Renou

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    Südlich der Moschee schließt ein Wohngebiet an. Im Hintergrund die Loggia zur Stadt.

    Foto: Schnepp Renou

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    Die lichtdurchlässige Facettenkuppel mit Ornamentstruktur. Der Wettbewerbsentwurf war noch ohne Kuppel.
    Foto: Schnepp Renou

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    Die lichtdurchlässige Facettenkuppel mit Ornamentstruktur. Der Wettbewerbsentwurf war noch ohne Kuppel.

    Foto: Schnepp Renou

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    Das Wasserbassin auf der großen Plattform am Eingang. Links das Minarett (28 x 28 m). Im Hintergrund die offene Esplanade und der Zugang in den Hof vor dem Gebetssaal.
    Foto: KSP Jürgen Engel

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    Das Wasserbassin auf der großen Plattform am Eingang. Links das Minarett (28 x 28 m). Im Hintergrund die offene Esplanade und der Zugang in den Hof vor dem Gebetssaal.

    Foto: KSP Jürgen Engel

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    Auf den freien Platz mit der Loggia zur Stadt folgt die Esplanade.
    Foto: KSP Jürgen Engel

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    Auf den freien Platz mit der Loggia zur Stadt folgt die Esplanade.

    Foto: KSP Jürgen Engel

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    Alle Teilbereiche der Moschee prägen die„floralen Säulen“ mit ausladenden Kapitellen.
    Foto: Schnepp Renou

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    Alle Teilbereiche der Moschee prägen die„floralen Säulen“ mit ausladenden Kapitellen.

    Foto: Schnepp Renou

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    Jürgen Engel Studium an der TU Braunschweig, ETH Zürich, RWTH Aachen und am MIT, Cambridge, USA; 1986–89 Büroleiter bei O.M. Ungers, Frankfurt/Main; seit 2009 Geschäftsführender Gesellschafter bei KSP Jürgen Engel
    Foto: Iona Teichert

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    Jürgen Engel Studium an der TU Braunschweig, ETH Zürich, RWTH Aachen und am MIT, Cambridge, USA; 1986–89 Büroleiter bei O.M. Ungers, Frankfurt/Main; seit 2009 Geschäftsführender Gesellschafter bei KSP Jürgen Engel

    Foto: Iona Teichert

Wir haben uns mit der Flora und Fauna des Landes beschäftigt

Interview mit Jürgen Engel zur Großen Moschee von Algier. Nach der Erstplatzierung bei einem eingeladenen Generalpla­ner-Wettbewerb folgte eine aufwendige und erkenntnisreiche Planung und Realisierung.

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Sechs Jahre nach dem Baustellenbesuch, den ich mit Ihrem Projektleiter machen konnte (Bauwelt 27.13), ist die Große Moschee von Algier fertiggestellt. Warum haben Sie sich 2008 für die Teilnahme an diesem eingeladenen Generalplaner-Wettbewerb entschieden? Sie hatten doch damals gar keine Erfahrungen, in Algerien zu bauen.
Unser Partnerbüro Krebs + Kiefer fragte an, ob wir uns bewerben möchten. Ganz zu Beginn haben wir uns keine großen Gedanken gemacht, was da auf uns zukommen könnte. Die Bauauf­gabe hat uns neugierig gemacht. Sakrale Räume hatten wir bis dahin nicht geplant, es war aber ein Thema, das mich auch persönlich besonders faszinierte.
War diese neue Aufgabe nicht ein Risiko?
Wir haben sie eher als Chance gesehen und uns beworben. Von unserem damaligen Büro in Dubai sind wir nach Algerien gereist und haben uns ein Bild der Lage gemacht. Als dann die detailreichen Unterlagen eintrafen, waren wir überrascht von der Größe und dem Umfang der Aufgabe. Trotzdem haben wir uns entschieden, das riesige Projekt anzugehen.
Wenn man aus einem ganz anderen Kulturkreis kommt, ist es schon sehr ungewöhnlich, sich der anspruchsvollen Bauaufgabe der drittgrößten Moschee der Welt zu widmen.
Ich habe mich seit dem Studium intensiv mit historischen Kirchenbauten beschäftigt. Deswegen war mir die Aufgabe gar nicht so fremd. Leider hatten wir bei den Kirchenbauprojekten in Deutschland bislang kein Glück.
Was waren die großen Hürden bei der Planung?
Als Generalplaner waren wir zusammen mit den Ingenieuren Krebs + Kiefer zunächst für alles verantwortlich, inklusive der Bauleitung vor Ort. Von unseren Projekten in China wussten wir, wie wichtig es ist, auch die Phase der Objektüberwachung zu betreuen, um eine gute Qualität zu erreichen. Es hätte dem Projekt sehr geschadet, wenn in der letzten Phase ein Planungsbüro hinzugekommen wäre, das sich mit dem Vorhaben überhaupt nicht hätte identifizieren können und das über keinerlei Erfahrung mit dem bautechnischen Niveau verfügt hätte.
Der französische Vertrag, den wir abgeschlossen haben, war kein Werkvertrag, wie wir ihn kennen. Er beinhaltete Mechanismen der Vertragsbindung und des Ablaufs, die ausgesprochen bürokratisch waren. Meiner Meinung nach diente er in erster Linie dem Bauherrn und war damit verhältnismäßig unausgewogen. Trotzdem haben wir uns danach verhalten, und am Ende sind wir mit diesem strengen Vertrag sogar gut gefahren. Eine wirkliche Hürde waren jedoch die unglaublich vielen Beteiligten. Der Bauherr hatte einen kanadischen Projektsteuerer beauftragt, der bereits in Algerien tätig war, doch diese Maßnahme hat nicht unbedingt zur Vereinfachung der Projektarbeit beigetragen.
Wie lief die Zusammenarbeit mit den algerischen Partnern?
Das war eine wichtige und bereichernde Erfahrung. Was mich am meisten fasziniert hat, war die Sprache. Ich spreche hinlänglich Französisch. Die blumige, poetische Sprache und die guten Gespräche, die wir zum Teil führen konnten, haben zu sehr interessanten Momenten geführt, die mir auch persönlich viel gebracht haben. Aber es war immer wieder auch schwierig, die Verhandlungen zu führen, weil die Denk- und Vorgehensweisen an vielen Punkten sehr verschieden sind. Meine Mitarbeiter vor Ort haben vor allem das Bürokratische kennengelernt. Das Bauordnungsrecht in Algerien war für so eine große und außergewöhnliche Baumaßnahme nicht konzipiert. Für vieles gab es keine Vorschriften, sodass wir mit der Behörde zusammen neue Wege finden mussten.
Kommen die Baumaterialien aus Algerien?
Wir hätten bei der Moschee gerne lokale Materialien verwandt, doch in unserem Vertrag war festgelegt, dass international bekannte Normen zu erfüllen waren. So kamen viele lokale Mate­rialien nicht in Frage, weil sie nicht zertifiziert und zugelassen waren. Das hätte man leicht umgehen können, wenn von offizieller Seite eingegriffen worden wäre. Etwas mehr Pragmatismus hätte hier geholfen. Wir haben dann im Einzelfall alles genau prüfen lassen, um die Qualität zu erreichen, die wir uns vorstellten.
Welche Bauherrn-Vorgaben waren wichtig?
Unser damaliger Bauherr, der erste Generaldirektor Mohamed L. Aloui, legte Wert auf eine hohe Qualität. Er gehörte zur ANARGEMA (Agence Nationale de Réalisation de Gestion de la Mosquée d’Alger) und war dem Bau- und Religionsministerium unterstellt. Als verlängerter Arm der Regierung hat er das Projekt in der ersten Zeit gesteuert. Es folgten aber in den Jahren drei weitere Generaldirektoren. Manche haben sich voll identifiziert, andere waren nur hohe Verwaltungsbeamte, die sich nicht in der Tiefe mit dem Bauvorhaben auseinandergesetzt haben. Man verhandelt verbal und anschließend wird nur das ins Protokoll aufgenommen, worüber man sich einig ist. Am nächsten Tag kommt man wieder zusammen und verhandelt über die nächste Sache. So wird Thema für Thema abgearbeitet. Wir mussten immer sehr vorausschauend denken und wenn es zu komplex wurde, auch mal die Bundesregierung einschalten. Der deutsche Botschafter in Algier war sehr offen und hat uns gelegentlich geholfen.
Welche konzeptionellen Neuerungen gibt es im Vergleich zu anderen großen Moscheen?
Jede andere große Moschee, die ich kenne, zum Beispiel in Casablanca, ist in einem urbanen Kontext entstanden. In unserem Fall befindet sich das Areal zwar inmitten der Bucht von Algier, aber eher am Rande der Innenstadt zwischen Stadtzentrum und Flughafen im Stadtteil Mohammadia. Daher haben wir die gesamte Anlage als einen neuen urbanen Raum angesehen, von dem Impulse für die zukünftige Stadtentwicklung ausgehen. Einen wirklich städtischen Ort zu schaffen, der in Folge weitere Stadtquartiere generieren kann, war uns sehr wichtig. Mit dieser klar definierten städtebaulichen Grundsituation setzte sich unser Entwurf für den Moscheekomplex von der Konkurrenz ab. Insgesamt haben wir uns an die Grundprinzipien der spezifisch maghrebinischen Sakralbautradition gehalten.
Hatten Sie ein konkretes Vorbild vor Augen?
Ich kannte die Moschee-Kathedrale von Córdoba. Fasziniert hat mich dort sehr, dass der Besucher in einen Garten hineingeht und erst dann in die Moschee. Sie ist als Pfeiler- und Bogenan­lage konzipiert, die wir bei christlichen Kirchen nur aus der Pfeilerhallenkirche der Spätgotik kennen. Sonst ist uns ein solch großer, säulenbesetzter Raum fremd. Mich hat begeistert, keine große Halle vor mir zu haben, die alles überspannt und in der sich die Besucher etwas verloren vorkommen, sondern eine Halle, in der als wiederkehrendes Thema überall Säulen stehen. Ich bin geschützt, habe aber trotzdem einen großen Raum.
Wie soll sich das Gebiet um die Moschee herum entwickeln? Beim Besuch der Baustelle 2013 existierten noch keine Pläne. Gibt es inzwischen ein Konzept?
In Algier wurden die Weichen für eine große Stadtentwicklung gestellt. Diese Entwicklung beginnt jetzt. Bereits heute ist zu sehen, wie der küstennahe Bereich „Les Sablettes“ als neues Freizeit- und Erholungsgebiet mit Park genutzt wird. Die Stadtautobahn, die nördlich der Moschee entlangführt, wird zum Boulevard umgestaltet. Dort wurden schon mehrere Tausend Bäume bis zum Stadtzentrum gepflanzt.
Warum hat ein großes chinesisches Unternehmen den Auftrag für den Bau erhalten?
Gesucht wurden in der Ausschreibung Baufirmen mit mindestens einer Milliarde Euro Jahresumsatz. China State Construction Engineering Corporation (kurz CSCEC), das größte Bauunternehmen der Volksrepublik, war am günstigsten. Wir haben mit der Firma bereits in China gebaut und wussten, worauf wir bei den Details und der Bauüberwachung achten müssen. Am Ende der Bauarbeiten lief allerdings unser Vertrag aus und wurde nicht verlängert. Die Bauleitung glitt uns dann doch noch aus den Händen. Das hat uns damals sehr geschmerzt, und ich glaube, die algerische Seite hat es später auch bereut.
Wer übernahm die Bauleitung von Ihnen?
Um die weitere Ausführung kümmerten sich französische Firmen, die der Baufirma sehr nahe standen. Wir waren hingegen mit unseren hohen Qualitätsansprüchen nicht besonders beliebt bei der Baufirma. Gleich zu Beginn haben wir beispielsweise den Sand untersuchen lassen und festgestellt, dass er zu viel Schwefel enthielt. Da mussten sie den ganzen Sand wieder abfahren. Das hat den Bauherrn und die Baufirma natürlich genervt. Außerdem haben wir Betonproben gezogen, jedes Detail genauestens inspiziert und alles bemängelt, was zu bemängeln war. Während der Zeit des ersten Generaldirektors Mohamed L. Aloui war das auch so gewünscht. Er beharrte auch auf der präzisen Ausführung der Calla-Säule, die ein florales Motiv aufnimmt.
Wie kamen Sie auf das Motiv der floralen Säulen und wie erklärt sich die von Ihnen ge­wählte Materialität?
Wir haben das Motiv gewählt, nachdem wir uns in der Wettbewerbs- und Entwurfsphase mit der Flora und Fauna des Landes beschäftigt hatten. Die tragende Calla-Säule finden Sie über das gesamte Projekt verteilt – insgesamt sind es 618 Säulen. Beim Stein haben wir in Bezug zum Land ein Material ausgesucht, das die Wüste mit ihrer Farbigkeit im besonderen Licht widerspiegelt. Algerien besteht zu 80 Prozent aus Wüste. Wir haben uns für Travertin entschieden. Der erste Generaldirektor hat uns dabei sehr unterstützt und dafür gesorgt, dass wir italienischen Travertin bekommen haben. Aus Kostengründen mussten wir für die angrenzenden Bauten türkischen Travertin verwenden.
War auch die Aussichtsplattform für Touristen oben im Minarett Ihre Idee?
Ja. Man fährt mit dem Aufzug ganz nach oben, blickt auf die Stadt herunter und nimmt die Dimension der Moschee wahr. Außerdem haben wir im Minarett ein Museum und Forschungsbereiche für Wissenschaftler in fünf Segmenten untergebracht. Von der jeweiligen Skylobby sind die Ausstellungsebenen über offene Treppen zu erreichen. Die Gliederung in fünf Abschnitte bezieht sich auf die fünf Säulen des Islam.
Warum erhielt die offentlich zugängliche Aussichtsplattform als Kopf des Minaretts eine geschlossene Glasfassade?
Die Glaskonstruktion ist ein Windschutz. Dort oben werden auch Veranstaltungen stattfinden. Deshalb war es notwendig, den Raum zu schließen. Da man mit einer elektrischen Anlage den Ausruf des Muezzins zum Gebet verbreitet, war es auch nicht erforderlich, den Raum offen zu lassen. Von einer Höhe von 265 Metern würde ja auch kein Mensch einen Ton hören. Das Minarett ist das höchste Gebäude Afrikas.
War es der Wunsch des Bauherrn, das höchste Gebäude zu bauen?
Wir hatten im Wettbewerb eine etwas geringere Höhe vorgesehen, aber bereits deutlich über 200 Meter. Dann wurden 265 Meter festgelegt.
Die Erdbebensicherheit war für Sie ein wichtiges Thema. Welche Folgen hatte das bei ei­-nem Projekt dieser Größe?
Wir haben daran sehr intensiv gearbeitet. Das Minarett steht mit seiner Kompositstruktur aus Stahl und Beton auf einer Barrett-Gründung, die bis zu 60 Meter tief in den Erdboden reicht. Die rund 150 x 150 Meter große Gebetshalle ruht auf seismischen Isolatoren, großen Stoßdämpfern, die dafür sorgen, dass das Bauwerk im Erdbebenfall abgefedert wird und sich in alle Richtungen komplett verschieben kann. Rund um das Bauwerk herum gibt es breite Fugen, die eine solche Verschiebung zulassen.
Hatten Sie in der Gebetshalle Einfluss auf die Details der Ausgestaltung?
In der Moschee haben wir bei der Ausgestaltung viel Raum gelassen für lokale und religiöse Ausdrucksmittel. Wir haben an Details wie den Friesen mitgearbeitet, in die Kalligrafien eingebracht wurden. Für die ein paar Kilometer langen Kalligrafien hatten wir algerische Wissenschaftler, die das Schriftbild ausgearbeitet haben. Die Herstellung der Friese erfolgte maschinell. Die religiöse Ornamentik wurde von Hand prachtvoll ausgeführt und tritt als Relief hervor. Wir haben auch in mehreren Bereichen sogenannte Moucharabieh verwendet. Die großen Moucharabieh-Elemente der Esplanade sind aus Faserbeton hergestellt. Am Ende wurde noch ein zusätzliches Ornament eingebracht, das konnten wir nicht beeinflussen.
Wo wurden die Betonfertigteile gefertigt?
Die Moucharabieh-Elemente wurden in Dubai hergestellt – hoch komplizierte und sehr feine Tragwerke. Die teilweise 22,5 bis 34 Meter hohen, achteckigen Schleuderbeton-Stützen stammen hingegen von der Firma Europoles aus Neumarkt in der Oberpfalz.
Der Gebetssaal wird von einer zentralen Kuppel gekrönt, die an ihrem Scheitelpunkt circa 70 Meter hoch ist und an ihrer Basis einen Durchmesser von etwa 50 Metern hat. Welche Wirkung entfaltet sie im Inneren? Wie ist sie konstruiert?
Die Kuppel ist eine lichtdurchlässige Facettenkuppel. Sie ist außen mit einem Zierwerk, einer Ornamentstruktur, verkleidet. Zwischen Außenschale und Innenkuppel befindet sich die eigent­liche Konstruktion aus Stahl. Eine Spiegelanlage in diesem Zwischenraum lenkt das von außen einfallende Tageslicht durch Reflexion nach oben in die Kuppel, um den Gebetsraum auf natürliche Weise indirekt zu belichten. Zusätzlich wird der große Kristall-Lüster von oben mit einem ringförmigen Kranz aus Spots angestrahlt und das Licht über die Glaskristalle gleichmäßig in den Raum gestreut.
Wer hat den riesigen Lüster entworfen?
Das ist ein klassischer Lüster, für den es Kunsthandwerker vor Ort gab. Auch die immensen Holztüren wurden von Hand in einer beeindruckenden Qualität gestaltet und ausgeführt.
Während der documenta 14 im Jahr 2017 haben Sie sich mit einem Beitrag zu den Bauarbeiten der Moschee im Kasseler Architekturzentrum beteiligt. Im Begleitheft schreiben Sie: „Wir müssen lernen, unsere europäische Perspektive in Frage zu stellen, um handlungsfähig zu bleiben.“ Was meinen Sie damit?
Man fängt in vielen Bereichen bei null an. So musste die Baufirma auch ein Betonwerk vor Ort bauen. Doch dann stellten wir fest, dass wir bei den hohen Temperaturen den von uns ausgeschriebenen, besonders tragfähigen Beton nicht produzieren konnten. Es musste Eis herangeschafft werden, um den frischen Beton zu kühlen. Später hatten wir eine Eismaschine auf der Baustelle. Das chinesische Bauunternehmen war sehr experimentierfreudig. Die Bauarbeiter mussten zwischen unserer Planung nach europäischen Normen und dem materiellen Mangel in Algier vermitteln. Ihre Fähigkeit zur Improvisation konnte man an vielen Orten der Großbaustelle beobachten. Unser Ausstellungsbeitrag aufder documenta wollte auf diesen Pragmatismus aufmerksam machen, von dem wir hierzulande lernen können. Es geht um das direkte Anpacken und Lösen von Problemen vor Ort mit den zur Verfügung stehenden Mitteln. Außerdem bedarf es einer leistungsstarken Generaldirektion als Partner im Land, die zügig Entscheidungen fällen kann.
Wann ist die Eröffnung geplant? Ist der separate Gebäudeteil mit der theologischen Hochschule schon in Betrieb?
Die Postgraduiertenschule für Religionswissenschaften und das Kongresszentrum sind zum großen Teil fertig, auch die Bibliothek. Die Übergabe wird aber voraussichtlich erst stattfinden, wenn nach dem Rücktritt von Abd al-Aziz Bouteflika ein neuer Staatspräsident gewählt ist. Die Wahl hätte bereits stattfinden müssen. Eigentlich ist es ein ganz geregelter Prozess: Wenn der Präsident zurücktritt, dann muss das Parlament innerhalb von drei Monaten Wahlen abhalten. Es fanden aber bisher keine Wahlen statt, da man sich noch nicht auf eine Liste der Kandidaten ei­nigen konnte. Zuletzt wurde die Wahl auf den 12. Dezember festgesetzt.
Heißt das, die Eröffnung kann sich noch lange hinziehen?
So ist es. Bislang darf keiner rein. Die Fotos, die alle gegen Ende der Bauphase entstanden sind, zeigen daher noch den nicht ganz fertigen Zustand der Moschee und der Außenanlagen.
Wie viele Besucher erwarten Sie?
In der Freitagsmoschee kommen bis zu 120.000 Menschen zusammen. Der Gebetssaal ist für 36.000 Gläubige ausgelegt. Viele Besucher halten sich draußen auf, im Gebetshof (Cour), in den Gärten, auf der Esplanade und in den übrigen Bereichen.
Die Große Moschee soll der Katalysator für eine neue Stadtentwicklung sein

In jedem Fall. Die vielen Besucher treiben diese Bewegung automatisch voran. Französische Planer sind schon seit Längerem mit städtebau­lichen Projekten stark engagiert, um die Moschee zur Stadt hin einzubinden. Auch eine Straßenbahnlinie soll es geben. Für die Zukunft ist geplant, dass die Besucher auch per Schiff erreichen können. Es hat ja schon früher viele Erweiterungspläne entlang der großen Bucht von Algier gegeben, auch von Le Corbusier.
Sind Sie weiterhin in Algerien tätig?
Ja, wir haben ein Gutachterverfahren gewonnen und bauen zurzeit die Kanzlei der deutschen Botschaft in Algier.
Was empfinden Sie heute, wenn Sie auf das Gebäude zugehen? Können Sie das Gefühl beschreiben?
Es ist schon überwältigend und unvergleichbar. Man ist ganz andächtig und schätzt in diesem Moment das Alleinsein.
Sie mussten alle Pläne in Papierform abgeben. Eine Planlieferung war einmal in Kartons drei Meter hoch auf einem Lkw aufgetürmt. Alles in französischer Sprache?
Ja, wir mussten alles auf Französisch liefern, obwohl wir mit einer chinesischen Baufirma zusammenarbeiteten. Die Projektsprache war Französisch. Wir haben natürlich immer unter immensem Zeitdruck gearbeitet. Vor diesem Hintergrund haben alle Mitarbeiter eine unglaubliche Leistung hingelegt. Wir waren mehr als 100 Architekten und Ingenieure, die daran gearbei­tet haben, alles unter unserer Regie.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den Fachplanern erlebt – insbesondere mit den ausländischen?
Wir wollten sicher sein, dass wir die gültigen Normen einhalten und der französische Text hundertprozentig sitzt. So haben wir zu Beginn der Bauarbeiten auch große Ingenieurbüros in Frankreich angeschrieben und um Angebote gebeten. Das ausgewählte Büro fragte uns, wer die Ausführungsplanung machen würde. Ich antwortete: Natürlich wir. Das kam dort nicht gut an. Für das französische Ingenieurbüro war es ein No-Go, dass ein Architekt auch die Genehmigungs- und Ausführungsplanung macht. Wir haben später dennoch eine Firma gefunden, die alles fachlich noch einmal prüfte.
Unterscheidet sich die Zusammenarbeit von Architekten und Ingenieurbüros im Ausland von jener in Deutschland?
In Deutschland ist die Entwicklung ähnlich. Auch hier versuchen große Ingenieurbüros, Architektur zu machen. Im südlichen Ausland entwirft der Architekt oft nur noch bis zur Entwurfsplanung, lässt sich feiern und ist weg. Große Baufirmen reißen dann das Geschäft komplett an sich. Der Bauherr ist oft schon zweigeteilt – Entwickler und Investor. Wenn die Baufirma mit dem Entwickler zusammenkommt, was wir heute in Deutschland immer öfter erleben, leidet die Baukultur. Wir Architekten nehmen nicht wahr: Je weniger wir auf dem Bau präsent sind, desto geringer ist unser Einfluss auf die Qualität der Architektur.
Fakten
Architekten KSP Jürgen Engel Architekten, Frankfurt am Main
Adresse Pins Martimes El Mohammadia, Mohammadia, Algerien


aus Bauwelt 21.2019
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