Bauwelt

Mainz 1970–2000

Das neue Selbstverständnis in der Architektur

Text: Hädler, Emil, Mainz

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Mainz 1970–2000

Das neue Selbstverständnis in der Architektur

Text: Hädler, Emil, Mainz

Nach drei Jahren folgt der Publikation „Mainz 1945–1970 – Die verkannte Epoche des Wiederaufbaus“ (Bauwelt 17.2022) der Anschlussband „Mainz 1970–2000 – Das neue Selbstverständnis in der Architektur“. Das Team der Autorinnen und Autoren hat sich ein wenig verschoben. Einige sind ausgeschieden, neue sind hinzu gekommen. Grundsätzlich tritt das Projekt in veränderter Verantwortung an: „Die Betonisten“ waren 2021 als Studierende der Kunstgeschichte an der Uni Mainz Mitarbeiter und Koautorinnen des Stadtplaners, Architekturhistorikers und Herausgebers des ersten Bandes Rainer Metzendorf. Mittlerweile wurde ihre Initiative als Teil des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz mehrfach gewürdigtund ist nun Herausgeberin des zweiten Bandes. Metzendorf ist Koautor für acht Beiträge. Das ändert auch Etwas am Ergebnis und am Schwerpunkt.
Auf 112 Seiten – wiederum im Großformat 24 x 29,5cm und mit außergewöhnlich guten Abbildungen – zeigt der Band die zweite Phase des Wiederaufbaus in Mainz, gekennzeichnet von einem wachsenden Bewusstsein für den Denkmalschutz und einer stilistischen Neuformulierung jenseits der Nachkriegsmoderne. Während der erste Band den Schwerpunkt auf konzep-tionell widerstreitende Ideen und die städtebauliche Einbindung der Projekte legt, konzentriert sich das Buch in der Verantwortung der „Betonisten“ auf den stilistisch-formalen Wandel in der Architektur jener letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. In einem einführenden Abschnitt zur „Vielfalt der Moderne“ liefert eine Art Glossar die Lesbarkeit der vorgestellten Bauwerke: Moderne – Nachkriegsmoderne – Postmoderne – Brutalismus – Eklektizismus – Minimalismus – Strukturalismus – Dekonstruktivismus – High-Tech-Architektur.
Tatsächlich hat Mainz als Laboratorium der Nachkriegsarchitektur zu all diesen Erscheinungen allerhand zu bieten. Gegliedert nach Siedlungs- und Wohnungsbau, Sakralbau, Bauten für Bildung und Sport, Theater und Rundfunk, für Industrie, Handel und Gewerbe, Verwaltung und Hotels ist die Auswahl an Beispielen beachtlich – wenn auch im Wohnungsbau dieser Epoche ei-nige exzellente Projekte fehlen. In den Jahren nach Arne Jacobsens Rathaus-Meisterbau – im ersten Band beschrieben – akzeptiert die Landeshauptstadt nolens volens den dauerhaften Verlust ihrer Gewerbe- und Industriegebiete auf dem rechten Rheinufer an Wiesbaden. Die trotzige Devise „Rechts des Rheins ist auch noch Mainz“ wird nur noch in Sitzungen der Mainzer Fastnacht vorgetragen. Die Stadt ändert ihr Gravitationsfeld: Eingemeindungen ehemals eigenständiger Dörfer im linksrheinischen Westen verschieben geographisch das Gefüge der Stadt mit typischen neu-en Bauaufgaben für die Infrastruktur als Landeshauptstadt und als Ersatz für die „verlorenen Ostgebiete“ jenseits des Rheins. Diese Akzentverschiebung wird im Buch zu wenig erklärt. Hier setzt sich anstelle des stadtplanerischen der kunsthistorische Blick auf das Bauen durch.
Besonders Beispiele der Postmoderne sind reichlich vertreten mit Bauten für Medien wie ZDF, SWR, 3Sat, Arte, Sat.1. Sie sind auch für Kenner der Mainzer Verhältnisse eine Überraschung, da das Publikum sich kaum in diesen „gated areas“ bewegt. Die Postmoderne findet sich auch bei Bauten für Universität und Gewerbe, Bank oder Hotel. Hier bieten sich Stilfragen wegen ihrer historisch-stilistischen Anspielungen besonders für die kunsthistorische Betrachtung an. Aber auch Polizei und Feuerwehr beanspruchen günstiger gelegene Standorte im neuen Gefüge der Stadt. Die Universität wächst rasant. Das Umland und der Anschluss an die Autobahn A60 werden wichtiger. Gleichzeitig beginnt eine umfassende Altstadtsanierung mit neuer Verkehrs-erschließung. Diesen übergeordneten Rahmenbedingungen trägt das Buch zu wenig Rechnung. Die Texte zur stilistischen Einordnung der gestalterischen Lösungen sind etwas eng gefasst und in ihrem Tiefgang eher heterogen. Zielpublikum sind interessierte Laien, nicht Fachleute. Das kann auch ein Gewinn sein. Eine Darstellung der Projekte vorwiegend ohne Modell oder Planmaterial reduziert Architektur allerdings zu sehr auf Stil- und Materialfragen. Insgesamt liegt mit diesem zweiten Band zum Mainzer Wiederaufbau ein Buch vor, das durchaus in den Bücherschrank zur Stadt- und Architekturgeschichte gehört.
Fakten
Autor / Herausgeber Die Betonisten
Verlag Morisel Verlag, Asbach 2024
Zum Verlag
aus Bauwelt 15.2025
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