Bauwelt

Luigi Snozzi

(1932–2020)

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

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Luigi Snozzi, 1990
Foto: Wojciech Kaczura

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Luigi Snozzi, 1990

Foto: Wojciech Kaczura


Luigi Snozzi

(1932–2020)

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

Wer Luigi Snozzi gekannt hat, wird ihn als einen markanten Mann in Erinnerung behalten. Der schlanke Tessiner mit wachen Augen und einer lebhaften Gestik war einer vom alten Schlag: Er rauchte viel, trank gern und hatte außerdem eine Vorliebe für schnelle Autos, was ihn immer wieder den Führerschein kostete. 1932 in Mendrisio geboren, zeichnete er sich aber nicht nur durch eine gewinnende Geselligkeit aus, sondern auch durch einen streitbaren Geist. Bruno Jenni, sein langjähriger Büropartner, sagt im Rückblick, dass Snozzi zwei Leidenschaften gehabt habe: neben der Architektur das Angeln, bei dem er auf dem Lago Maggiore den Ausgleich suchte.
Snozzi war der genaue Gegentypus zum geschmeidigen, globalisierten Architekten unserer Jahre, der fallweise auch Diktaturen dient. Gern wurde er als „soziales Gewissen der Schweizer Architektur“ bezeichnet. Das mochte übertrieben klingen, traf aber zu. Zusammen mit Mario Botta, seinem ersten Partner Livio Vacchini und anderen begründete er Ende der 1960er Jahre die „Tessiner Schule“ als Gruppe junger Architekten, die eine radikale Erneuerung der modernen Tradition auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Ihre „Architektur des Aufbegehrens“ richtete sich sowohl gegen die Zerstörung der Tessiner Landschaft durch die Bodenspekulation als auch gegen eine kommerziell entleerte Moderne.
Luigi Snozzi, an der ETH Zürich ausgebildet, gründete 1958 in Locarno sein eigenes Büro. Bekannt wurde er durch städtische Sozialbauten, vor allem aber durch Wohnhäuser, die er häufig für topografisch schwierige und damit preiswertere Hanglagen entwarf. Als besonderes Meisterwerk gilt die 1976 vollendete Casa Kalman oberhalb von Minusio, deren Aussichtspergola den Blick auf den Lago Maggiore wie in einem Rahmen fasst. Sein bevorzugtes Material war von Anfang an ein heller Sichtbeton, eine schöne Entsprechung zur Farbigkeit der Felsformationen in seiner Heimat.
Snozzis urbanistisches Meisterstück wie überhaupt der Tessiner Schule ist seine 1977 begonnene Sanierung von Monte Carasso, einer Gemeinde nahe Bellinzona. Bei diesem Langzeitprojekt konnte der charismatische Sozialist, der zeitweise in seiner Region auch politisch tätig war, an einem „konkreten Ort“ zeigen, was Planung vermag. Sein Ausgangspunkt war eine säkularisierte, verwahrloste Klosteranlage, die er schrittweise zu einer Grundschule mit Gemeinderäumen umbaute und schließlich durch einen modernen Flügel erweiterte. Auch bei seinen anderen Entwürfen ließ er sich von seinem Ausspruch leiten: „Jeder bauliche Eingriff bedingt eine Zerstörung: Deshalb zerstöre mit Verstand!“
Aus seiner Lehrtätigkeit an der Eidgenössischen Hochschule in Lausanne wie aus seinem Büro sind mehrere hoch begabte Schüler hervorgegangen, die mit einer ähnlichen Haltung arbeiten, darunter Michele Arnaboldi, Raffaele Cavadini und Paolo Moro. Weniger Glück hatte Snozzi bei städtebaulichen Wettbewerben. Retrospektiv ist es etwa ein Jammer, dass er beim neuen Regierungsviertel in Vaduz nicht zum Zuge kam. Er wurde aber nicht müde, für eine Veränderung der baukulturellen Verhältnisse zu kämpfen. So reiste er im Jahr 2012 auf Einladung eines Hilfswerks nach Nairobi und Kampala, um in Afrika Aufbauhilfe zu leisten. Nichts charakterisiert sein Leben besser als der Titel eines Vortrags, den er auch an der ETH Zürich gehalten hat: „Es lebe der Widerstand!“ Am 29. Dezember 2020 ist der schon länger erkrankte Luigi Snozzi im Alter von 88 Jahren an den Folgen einer Covid-19-Infektion gestorben.
Fakten
Architekten Snozzi, Luigi (1932–2020)
aus Bauwelt 2.2021
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