Bauwelt

Rathaus in Holzwickede


Bez + Kock haben das Rathaus von Holz­wickede mit großer Souveranität erneuert und ergänzt. Eine große Halle zwischen Alt und Neu steht allen offen.


Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin


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    Eine große Halle im Zentrum: Bez + Kock haben das Rathaus im westfälischen Holzwickede ...
    Foto: Brigida González

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    Eine große Halle im Zentrum: Bez + Kock haben das Rathaus im westfälischen Holzwickede ...

    Foto: Brigida González

Auf einer Ansichtskarte aus der Zeit kurz nach Fertigstellung ist das 1915 errichtete Gebäude als „Gemeindehaus“ bezeichnet – als ein Gebäude für alle also, nicht nur für den Rat der Stadt; ein Haus, in dem auch das Leben der Bürgerinnen und Bürger Platz findet. Heute steht es, um einen Anbau ergänzt, als „Rat- und Bürgerhaus“ am Marktplatz von Holzwickede – die Widmung ist mithin geblieben. Für mich ist der Termin mit Bürgermeisterin Ulrike Drossel und Architekt Thorsten Kock ein Wiedersehen: Als Mitglied der Jury des BDA-Preises Dortmund-Hamm-Unna hatte ich das erneuerte Rathaus erstmals im Herbst 2023 besucht und war mir mit den anderen einig, dass dieses Projekt eine Auszeichnung verdiene.
Holzwickede zählt keine 20.000 Köpfe. Beschaulich geht es zu an diesem warmen Märztag in dem Städtchen südöstlich von Dortmund. Gegenüber dem Rat- und Bürgerhaus erhebt sich die historistische evangelische Kirche, dazwischen ist ein kleiner Wochenmarkt aufgebaut. Der Gastronom im Erdgeschoss der Rathauserweiterung hat Tische und Stühle in die Sonne gestellt, doch die Menschen stehen an der Bude des Fischhändlers nach Matjesbrötchen Schlange. Die weitere Umbauung des Platzes zieht keine Aufmerksamkeit auf sich: freistehende Wohn- und Geschäftshäuser, überwiegend zweigeschossig, vielleicht zum Teil noch aus den zwanziger Jahren, doch durchgehend mit Nachkriegsflair. Prägend sind die hohen Bäume, die den Platz säumen und in die Parkanlage um die Kirche übergehen.
Der Erweiterungsbau des Rathauses sticht aus diesem Rahmen hervor, doch er tut dies auf keineswegs effektheischerische Weise: Das vom Stuttgarter Büro Bez + Kock geplante Gebäude gibt sich als zeitgenössisch und öffentlich zu erkennen, hält formal Distanz zum frühmodernen Altbau mit seinem Mebes’schen „Um 1800“-Duktus, ohne dass es sich von diesem absetzt, gar auf Konfrontation ginge. Die Haltung der Architektur ist der skandinavischen Nachkriegsmoderne verwandt, setzt auf die Wirkung von Material (in diesem Fall Ziegel – eine Sondermischung –, Messing und Eichenholz), das rich­tige Maß von Öffnungen und Wandflächen und einen insgesamt „menschlichen Maßstab“ – von Monumentalität keine Spur. Doch repräsentativ wirkt der Anbau durchaus, mit seiner großen Uhr in der oberen Fassadenecke, die den Markthändlern anzeigt, wann es einzupacken gilt, oder der Hochzeitsgesellschaft, wann es Zeit ist, die repräsentative Treppe des Altbaus hinaufzusteigen zum Trauzimmer.
Zwei wesentliche Bestandteile des Projekts sind damit angesprochen: die Erweiterung des Altbaus einerseits, die funktionale Neuordnung und barrierefreie Erschließung des alten „Gemeindehauses“ und die Neudefinition seiner wichtigsten baulich-räumlichen Bestandteile andererseits. Im Wettbewerb 2015 wurde der Entwurf der Stuttgarter mit dem Ersten Preis ausgezeichnet, und Architekt Kock ist durchaus stolz da­rauf, dass sich Bürgerinnen und Bürger erstaunt an ihn wenden mit der Feststellung, dass das fertige Gebäude ja genauso aussehe wie die Darstellung des Entwurfs seinerzeit. Dass Bez + Kock das Projekt durch alle Leistungsphasen betreut haben, dürfte dieses Resultat beeinflusst haben, aber auch, dass Stadt und Architekten hier in großem Einvernehmen zusammengearbeitet haben, wie Bürgermeisterin und Architekt einvernehmlich bekunden. Hier wurde für die Zukunft gebaut, so wirkt es: solide und beständig, und zwar formal wie baulich-konstruktiv. Dass die kleine Stadt dieses knapp zwanzig Millionen Euro teure Projekt stemmen konnte, überrascht allerdings – und ist einer Förderquote von rund sechzig Prozent und einem historisch niedrigen Zinsniveau während der Bauzeit zu verdanken.
Das Projekt erklärt sich von selbst und wurde wohl auch deshalb schnell von den Holzwickedern angenommen: Der mit einem großen Giebel und der bereits erwähnten, dem ehemaligen Haupteingang vorgelagerten Freitreppe Richtung Platzecke orientierte Altbau ist im Grundriss etwa L-förmig und wurde von Bez + Kock mit einem ebenfalls etwa L-förmigen Neubau ergänzt, sodass sich dazwischen eine große, Alt und Neu verbindende Halle bildet. Der neue Haupteingang sowie ein Nebeneingang von Westen liegen in den verglasten Fugen zwischen den beiden Gebäuden, der historische Haupteingang hat eine neue Aufgabe bekommen als Zugang zum Trauzimmer, das gleich daneben in der Ecke des Altbaus einen neuen Ort gefunden hat. Im Foyer des entkernten und mit einem neuen Aufzug barrierefrei erschlossenen Altbaus wurden historische Elemente wie das Rabitzgewölbe über dem Eingang, die Boden- und Wandfliesen sowie die historischen Türen, eine Sitzbank und ein Heizkörper bewahrt bzw. repariert – ein würdevoller Empfang für zwei Menschen, die in ein gemeinsames Leben starten wollen. Darüber, im ehemaligen Sitzungssaal, der mit 35 Plätzen längst zu klein war für die 43 Köpfe des Stadtrats, weshalb dieser in einer benachbarten Schule tagen musste, wurden die Büros des Verwaltungsvorstands eingerichtet. Der neue Ratssaal, der auch Vereinen zur Nutzung offensteht, befindet sich im Neubau; auf der Ostfassade bildet er sich mit großen Fenstern ab. Zur Halle angeordnet, hinter großen Fenstern, liegt ein Besprechungsraum für die verschiedenen Ausschüsse, einsehbar für die Bürgerinnen und Bürger auf dem Weg zum Bürgeramt. Die „Halle des Volkes“ ist aber nicht nur Verkehrsraum, sondern dient auch Veranstaltungen und Ausstellungen – auch dafür kann der Ratssaal mitgenutzt werden
und das Spektrum an räumlichen Situationen erweitern.



Fakten
Architekten Bez + Kock, Stuttgart
Adresse Allee 5, 59439 Holzwickede


aus Bauwelt 8.2025
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