Bauwelt

Castellmühle in Krefeld


Um zu Mehl zu werden, durchläuft Getreide heute einen hochtechnologisierten aber auch faszinierenden Prozess. Ein Besuch in der Krefelder Castellmühle, wo Tag und Nacht die Maschinen mahlen.


Text: Crone, Benedikt, Berlin


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    Am Krefelder Rheinhafen entlädt ein Kran Getreide aus einem Schiff. Über die Stahlbrücke gelangt es in die Vorreinigung. Am Horizont: die Stadtsilhouette von Krefeld.
    Foto: ATP/ Felix Friedmann

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    Am Krefelder Rheinhafen entlädt ein Kran Getreide aus einem Schiff. Über die Stahlbrücke gelangt es in die Vorreinigung. Am Horizont: die Stadtsilhouette von Krefeld.

    Foto: ATP/ Felix Friedmann

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    Blick in den Vorreinigungsturm und die Silo-Zellen im Bau.
    Foto: GoodMills/Christoph Seelbach

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    Blick in den Vorreinigungsturm und die Silo-Zellen im Bau.

    Foto: GoodMills/Christoph Seelbach

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    Wenig Staub, mehr Glanz: Durch die neue Mahlanlage der Krefelder Castellmühle fließen täglich hunderte Tonnen an Getreide.
    Foto: Christoph Seelbach/ GoodMills

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    Wenig Staub, mehr Glanz: Durch die neue Mahlanlage der Krefelder Castellmühle fließen täglich hunderte Tonnen an Getreide.

    Foto: Christoph Seelbach/ GoodMills

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    Im tiefen Raum über den Getreidesilos ermöglichten Holzbinder den Verzicht auf weitere Stützen.
    Foto: GoodMills/ Christoph Seelbach

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    Im tiefen Raum über den Getreidesilos ermöglichten Holzbinder den Verzicht auf weitere Stützen.

    Foto: GoodMills/ Christoph Seelbach

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    Die Vermahlung
    Foto: ATP/Felix Friedmann

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    Die Vermahlung

    Foto: ATP/Felix Friedmann

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    In den Walzenstühlen wird der Mehlkern aufgebrochen und von Schalenteilen getrennt. Danach unterteilt ein Plansichter ruckelnd, durch Sieben und Schichten, das Mahlgut in seine Bestandteile.
    Foto: ATP/Felix Friedmann

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    In den Walzenstühlen wird der Mehlkern aufgebrochen und von Schalenteilen getrennt. Danach unterteilt ein Plansichter ruckelnd, durch Sieben und Schichten, das Mahlgut in seine Bestandteile.

    Foto: ATP/Felix Friedmann

Nicht der Mensch habe den Weizen domestiziert, sondern der Weizen den Menschen. Diese steile These hat der inzwischen gern zitierte Bestseller-Historiker Yuval Noah Harari aufgestellt. Denn was steht auf freiem Feld? Der Weizen. Und wer lebt daneben im Haus? Der Mensch. Der vermeintliche Siegeszug der Menschheit über die Natur entpuppt sich so als ewige Verdammnis zur Sesshaftigkeit – und auf einen reduzierten Speiseplan, basierend auf Weizen, Reis oder Mais. Zugegebenermaßen ist der Versuchung einer fluffigen Pizza oder feurigen Reispfanne aber auch im kulturhistorischen Rückblick nur schwer zu widerstehen.
„Wir brauchen das Vollkornmehl für die Gesundheit des Körpers und das weiße Mehl für die der Seele“, begrüßt mich, als könnte er Gedanken lesen, Wolfgang Gruber, Müllermeister und Werksleiter in der Castellmühle in Krefeld. In dem Tempel der modernen Getreidewelt und dem neuen Produktionsstandort des europaweiten Mühlenkonzerns GoodMills können jährlich 408.000 Tonnen Weizen und Roggen zu Mehl und Kleie für Mensch und Tier verarbeitet werden. Das deckt den jährlichen Getreidebedarf von über 5 Millionen Menschen. Vierundzwanzig Stunden, sieben Tage die Woche mahlen die Mühlen. Rund 40 Menschen arbeiten an dem Standort. Das meiste erledigt ein beeindruckendes Maschinenkonzert aus verästelten Rohren, Mehlstaub prustenden Förderanlagen und wild wackelnden Kästen, den sogenannten Plansichtern, die nach jedem Vermahlungsschritt das Getreide durch 25 bis 30 Siebe rieseln lassen, um es in Schrot, Grieß und Mehl zu sortieren. Wer eine solche Mühle zum ersten Mal besucht, wird eher die Herstellung eines pharmazeutischen Wundermittels vermuten als die der Hauptzutat für das alltägliche Frühstücksbrötchen.
Ob ich nicht eigentlich für die Architektur gekommen sei, fragt mich Wolfgang Gruber, als er mich staunenden Auges durch das Innere der Maschinenwelt führt. Tatsächlich ist auch die auf den ersten Blick profane Architektur, ein großer Industriebetonbau des internationalen Architekturbüros ATP Architekten Ingenieure, bemerkenswert. In konsequenter Nüchternheit folgt der längliche Aufbau des Gebäudes den Verarbeitungsabläufen des Werks.

Ein Bau wie ein Mahlprozess

Von der Wasserseite (mit ihrer Anlegestelle für den Schiffstransport, Gleise für den Schienenverkehr und Spuren für Lastwagen) wird das Getreide in einen 66 Meter hohen Turm für die Vorreinigung gefördert. Dort werden Stroh, Spreu und andere Pflanzenreste entfernt und Proben entnommen. Das Mahlgut fließt weiter in den breiten Mitteltrakt und eine der 63 Zellen des Getreidesilos. In der Mühle zerkleinern Walzenstühle das Getreide, spalten die Kleie vom Mehlkörper ab, und Stein- und Farbsortierter schießen mit Luftstößen unerwünschte Körner aus dem Getreidestrom. Nach erneuter Siebung und Kontrollsichtung erreicht das Mehl schließlich das Mehlsilo, von wo es über die Verladung in Lastwagen und in 25-Kilo-Säcken zum Abtransport abgefertigt wird.
Vom tosenden Lärm der Maschinen ist weder draußen noch in den Verwaltungs- und Laborräumen des Bürokubus etwas zu hören. Der Bürobau wurde im Sinne kurzer Wege nah an die Vermahlung gesetzt. Überhaupt gibt sich der gesamte Komplex verschlossen hinter einer großen Sichtbetonfassade. Die angenehm fließend-flächige Ausführung des Betons geht auf das Gleitbausystem zurück, das ein Hochziehen der
60- Meter-Fassade in drei Wochen ermöglichte. Hierfür musste die Gleitbauschalung vorge­fertigt und in drei Abschnitten zusammengefügt werden. Der Baukörper der Mühle wurde konventionell in Ortbeton realisiert und fällt dadurch ästhetisch etwas ab.
GoodMills verarbeitet in Krefeld Weizen und Roggen nur aus EU-Ländern. Der Krieg gegen die Ukraine hat daher keinen direkten Einfluss auf die Produktion. Allerdings komme es zu Engpässen bei der Nachbestellung von Güterzügen, erzählt Gruber. Denn das Getreide kann derzeit aus der Ukraine nicht mehr wie üblich über den Seeweg abtransportiert werden, sondern fast nur noch über die Schiene. Generell nehme der Gütertransport über die Schiene zu – auch aus ökologischen Gründen. Derzeit kommt in Krefeld jeweils ein Drittel des Getreides über den Land-, den Schiffs- und den Schienenweg.
Für den neuen Standort gab GoodMills eine 100 Jahre alte Mühle in Köln-Deutz auf. In Krefeld bot sich ein 4,7 Hektar großes Hafengrundstück an, um einen Bau mit deutlich größerer Entladekapazität zu errichten. Die Stadt war bereit, auf ihr Vorkaufsrecht für das Areal zu verzichten, da GoodMills zusagte, die am Ort notwendigen, archäologischen Arbeiten für zwölf Monate zu finanzieren: An der Stelle am Wasser befand sich vor 2000 Jahren ein Marktplatz des römischen Kastells Gelduba. Entsprechend reichhaltig war der Fundus an antiken Relikten – darunter die Überreste eines Mahlsteins.
Zum Abschluss der Führung verrät mir Gruber das Geheimnis der Müllerskunst. Statt wie ein Bildhauer mit feinem Werkzeug ein Kunstwerk aus einem großen Block zu schälen, muss ein Müller mit großen Werkzeugen einen sehr kleinen Werkstoff bearbeiten: „Diese Millionen von Körnern, die unsere Maschinen mahlen, müssen wir so öffnen und trennen, dass das Mehl optimal von der Kleie separiert wird.“ In Krefeld wurde diese Präzisionsarbeit perfektioniert. Die Verbreitung solcher Großmühlen, die Millionen Menschen versorgen, bleibt durch die hohe Investitionssumme auf wenige Standorte begrenzt. Allein die Ingenieursleistung hinter dem System verdient aber staunend der Hochachtung.



Fakten
Architekten ATP architekten ingenieure, Wien
Adresse Castellweg, 47809 Krefeld


aus Bauwelt 15.2022
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