Bauwelt

Bergson Kunstkraftwerk in München-Aubing


Transformationsprojekte erfordern Geduld: Von der Stilllegung des Heizwerks in München-Aubing bis zur Wiedereröffnung als Veranstaltungsort ist mehr Zeit vergangen, als das Kraftwerk in Betrieb war.


Text: Brensing, Christian, Berlin


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    Ab 1955 nutzte die Deutsche Bahn das Heizwerk in Aubing.
    Foto: Sascha Kletzsch

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    Ab 1955 nutzte die Deutsche Bahn das Heizwerk in Aubing.

    Foto: Sascha Kletzsch

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    In den Achtzigern wurde es stillgelegt und im Laufe der Jahre zum Lost Place – seit 2007 denkmalgeschützt.
    Foto: Sascha Kletzsch

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    In den Achtzigern wurde es stillgelegt und im Laufe der Jahre zum Lost Place – seit 2007 denkmalgeschützt.

    Foto: Sascha Kletzsch

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    Das ehemalige Kesselhaus des Aubinger Heizwerks während des Umbaus durch Stenger2 Architekten und Planer

    Foto: Sascha Kletzsch

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    Das ehemalige Kesselhaus des Aubinger Heizwerks während des Umbaus durch Stenger2 Architekten und Planer

    Foto: Sascha Kletzsch

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    Zum „schicken Loft“ sollte das Kesselhaus nach der Sanierung nicht werden.
    Foto: Sascha Kletzsch

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    Zum „schicken Loft“ sollte das Kesselhaus nach der Sanierung nicht werden.

    Foto: Sascha Kletzsch

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    So blieb nicht nur die Fassade mit ihren Alterungsspuren weitgehend unangetastet, sondern auch im Innern legten die Architekten Wert auf den Erhalt einer gewissen Rohheit.
    Foto: Laura Thiesbrummel

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    So blieb nicht nur die Fassade mit ihren Alterungsspuren weitgehend unangetastet, sondern auch im Innern legten die Architekten Wert auf den Erhalt einer gewissen Rohheit.

    Foto: Laura Thiesbrummel

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    Umbau oder Neubau mit Teilerhalt von Bestand? Erhaltene Substanz ist in der Schnittperspektive schwarz, Neubau rot angelegt.
    Foto: Laura Thiesbrummel

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    Umbau oder Neubau mit Teilerhalt von Bestand? Erhaltene Substanz ist in der Schnittperspektive schwarz, Neubau rot angelegt.

    Foto: Laura Thiesbrummel

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    Die ehemaligen Kohlensilos wurden zur Ausstellungsfläche umgebaut.
    Foto: Laura Thiesbrummel

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    Die ehemaligen Kohlensilos wurden zur Ausstellungsfläche umgebaut.

    Foto: Laura Thiesbrummel

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    Sie wird von der Galerie König genutzt; weitere Räume des Kunsthändlers finden sich im Neubau.
    Foto: Laura Thiesbrummel

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    Sie wird von der Galerie König genutzt; weitere Räume des Kunsthändlers finden sich im Neubau.

    Foto: Laura Thiesbrummel

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    Für all die Nutzungen, die das Kulturzentrum anbieten sollte, war das alte Kesselhaus nicht annähernd groß genug.
    Foto: Laura Thiesbrummel

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    Für all die Nutzungen, die das Kulturzentrum anbieten sollte, war das alte Kesselhaus nicht annähernd groß genug.

    Foto: Laura Thiesbrummel

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    Konzertsaa , Veranstaltungssaal, Ausstellungsräume etc. finden im Anbau Platz.
    Foto: Laura Thiesbrummel

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    Konzertsaa , Veranstaltungssaal, Ausstellungsräume etc. finden im Anbau Platz.

    Foto: Laura Thiesbrummel

„Kraftwerk – das Wort verbindet Kraft und Stärke mit Arbeit und Werk. Es war notwendig, dass wir uns diese Begriffe immer wieder vergegenwärtigt haben, um eine obsolete Maschine dieses Maßstabs revitalisieren zu können“, sagt Markus Stenger von Stenger2 Architekten aus München, die mit dem Umbau und den Erweiterungsbauten des ehemaligen Heizwerks der Deutschen Bahn in München-Aubing beauftragt waren. Die Transformation des Industriebaus in das „Bergson Kunstkraftwerk“ – benannt nach dem französischen Philosophen Henri Bergson – sollte den Marketingslogan „Bergson – Kultur neu spüren“ verkörpern. Das Ergebnis ist eine der derzeit angesagtesten Kulturlocations der Isar-Metropole.
Vollständig eröffnet hat das Bergson Anfang Oktober 2024 mit Veranstaltungen im historischen Kesselhaus und im Neubau des angegliederten „Elektra Tonquartiers“. Münchens Kulturszene hat damit dank privatwirtschaftlicher Initiative der Allguth GmbH der Brüder Christian und Michael Amberger einen erstklassigen neuen Ort für das gesamte Spektrum der Künste. Es reicht von Ausstellungsräumen für Kunst, darunter eine Dependance der Kunstgalerie von Johann König, einem Live-Club im Untergeschoss, Vortrags- und Konferenzräumen, einem Konzertsaal und Eventflächen bis hin zu einem umfangreichen gastronomischen Angebot, bestehend aus Tagesbar, Restaurant, Biergarten und angegliedertem Ausschankgebäude.
Kraftwerke jedweder Art sind architektonisch-konstruktiv der Schwergewichtsklasse zuzuordnen. Nichts geschieht hier leichthändig, schnell, von allein oder gar einfach. Um einen solchen Riesen in einen attraktiven Ort für die Öffentlichkeit zu transformieren, braucht es Geduld. Markus Stenger spricht in diesem Zusammenhang von einer notwendigen initialen Phase der Schälung: „Glücklicherweise benötigt die Schälung in der Erstphase bei großen Gebäuden ihre Zeit. Der parallellaufende Entwurfs- und Findungsprozess profitiert von Rückläufen aus dieser Phase, bis zu dem Punkt, wo man aufsetzen und weiterbauen kann.“

Was bleibt?

Begriffe wie „obsolete Maschine“ seien in der Fragestellung aus dieser Anfangszeit entstanden, erzählt Stenger. „Was habe ich denn dastehen, sobald der Nutzungszweck der Energiegewinnung fehlt? Nur eine leere Maschinenhülle, die nun das Potential hat, Architektur zu werden und neu genutzt, unter anderen Vorzeichen wiederbelebt zu werden. Kraft und Werk passt zur Maschine. Wir haben uns dafür entschieden, durch die Wahl robuster Details und Materialien diese Kraft in die neue Nutzung zu transferieren. Durch Spolien und vor der Verschrottung gerettete Artefakte. Indem wir Patina und Altoberflächen erhalten.“
Aber bekanntlich wird die Erkundung der Geschichte eines Ortes, seiner ehemals inhärenten Funktion und des Sinns eines Gebäudes schon allein durch die im Laufe der Zeit getätigten Veränderungen – Verfall, Umnutzungen, neue ästhetische Ansprüche und so weiter – beträchtlich erschwert. Die Metamorphose von Maschinen- und Technikästhetik zur Event-, Musik- und Gastro-Architektur verläuft alles andere als geradlinig. Wie viel Erhalt des Altbaus ist möglich? Wie viel muss umgebaut oder ganz neu gebaut werden? Wie gelingt es, die Bausubstanz, Belange des Denkmalschutzes, Funktion und Ästhetik ins rechte Verhältnis zu setzen?
Einer der Gründe, warum Stenger2 Architekten von den Bauherren eingeladen wurden, sich mit dem Bergson zu beschäftigen, war ziemlich sicher, dass das Büro bereits ein Gas-Versuchskraftwerk aus dem Jahr 1961 in München-Ober­sendling bis 2018 in zwei Bauabschnitten revita-lisiert und zu einem Möbel- und Bürohaus umgebaut hat. Beiden Projekten gemeinsam ist die Methodik des „empirischen Planens und Bauens“, eine Vorgehensweise, die Markus Stenger folgendermaßen herleitet und definiert: „Der Umgang mit diesen Schwergewichten der Architekturtransformation zeigt die Schwächen im li-nearen Ablaufsystem der Leistungsphasen auf. Die Linearität von Vorentwurf, Entwurf, Bauantrag, Werkplanung, Ausschreibung, Vergabe und Bauüberwachung wird an den Schulen gelehrt, und es wird überwiegend auf dieser Grundlage Recht gesprochen.“
In der Praxis des Bauens im Bestand sei dieses Modell aber zunehmend schwerer umsetzbar. „Die Realität ist dort eine vollkommen andere“, so Stenger. „Um die Kosten und die Nutzungsvarianten überhaupt erst zu ermitteln, sind Arbeiten an konstruktivem Rückbau, Sondierungen, Evaluierungen und Entwurfsleistungen nötig, die in einem ständigen Vor und Zurück über die Klaviatur der Leistungsphasen laufen. Diese Vermengung der Phasen und die erforderliche Rückkopplung und Anpassung mit jenen Voraussetzungen, die sich aus der Schälung ergeben, nenne ich empirisches Planen und Bauen.“
Das Fazit über das Bergson hinaus lautet: Um die besonderen Herausforderungen der Revi-talisierung von Altbauten besser zu meistern, braucht es ein hohes Maß an Sensibilität gegenüber dem Bestand, Flexibilität bei der stufenweisen Umsetzung, substanzielle Bauerfahrungen von Architekten, Planern und Bauherren. Konkret auf das Bergson bezogen, ging es in erster Linie um die Arbeit mit dem vorhandenen Material. Der die Fassade prägende Ziegel und die Nagelfluh-Umrahmung der an Kathedralen gemahnenden Fenster wurden außen und innen aufwendig gesäubert, restauriert und, wo nötig, ersetzt.

Materielle Logik

Wo neu gebaut beziehungsweise ergänzt werden musste, haben die Architekten die materielle Logik des Kraftwerks weitergesponnen: Leitmaterial ist der Stahlbeton, ergänzt um neue, ebenfalls robust und zweckmäßig wirkende Materialien wie Schwarzstahl oder Bitu-Terrazzo. Das riesige Kesselhaus mit seinen 20.000 Kubikmetern Rauminhalt und 22 Metern Deckenhöhe bietet dem Auftritt der Materialien die große Bühne. Mit „Aufputzmontage“ bezeichnet Markus Stenger die Methode, die sie der Transformation im Inneren zugrunde gelegt haben. „Diese Haltung zeigt schonungslos alle sonst im Verborgenen liegenden Bereiche von Technik. Türgriffe und Lichtschalter sind heute oft das einzige sichtbare Ende der vielen Nervenbahnen aus Leitungsnetzen, Brandschutzklappen, Lüftungsrohren, Aggregaten und Luftwärmepumpen: Weshalb aber sollten all diese Teile, die heute mehr als vierzig Prozent der Baukosten ausmachen, hinter Gipskarton verschwinden?“ gibt Stenger zu bedenken.
Sanierung und Revitalisierung des ehemaligen Heizwerks in Aubing reichen jedoch über die baulichen Anforderungen des Altbaus mit seinen angegliederten Neubauten hinaus – sie kommentieren, wenn man so möchte, den umgebenden städtischen Raum. Von Anbeginn des Projekts sahen die Architekten gewaltige Chancen einer „dezentralisierten Urbanität“, die sich hier, weit außerhalb des Stadtzentrums, auftaten. Der Reflex, qualitätvolle Kunst und Kulturdarbietung immer automatisch in der Mitte der Stadt zu verorten, wird hier konterkariert durch die Verlagerung eines wertigen Kulturorts an die Peripherie der Metropolregion München. Die Strahlkraft des Bergson wirkt sich somit nicht nur auf die Landeshauptstadt, sondern auch auf Augsburg, Landsberg, Landshut und Ingolstadt aus.

Vom Heizkraftwerk zum Kulturort
1920er Jahre | Planung durch unbekannten Architekten
1937 | Baubeschluss durch Reichsbahndirektion München
1940 (schätzungsweise) | Baubeginn
1942 | kriegsbedingte Einstellung des Baus
1955 | provisorische Fertigstellung · Nutzung als Heizwerk der Deutschen Bahn'
1988 | Stilllegung · Lost Place
2005 | Erwerb durch die Allguth GmbH
2007 | Denkmalschutz (Aktennummer D-1-62-000-8068)
2015 | Planungsbeginn durch Stenger2
2016 | Biotop und Fledermausquartier
2018 im November | Baugenehmigung
2019 | Beginn der Rückbau-Arbeiten
2021 | Baubeginn
2024 | Fertigstellung und Eröffnung als Bergson



Fakten
Architekten Stenger2 Architekten und Partner, München
Adresse Am Bergson Kunstkraftwerk 2, 81245 München


aus Bauwelt 2.2025
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