Bauwelt

Potenzial des Vorhandenen

Im Aedes Architekturforum in Berlin werden derzeit Projekte des Madrider Büros Gutiérrez-delaFuente Arquitectos präsentiert. Unter dem Titel „Shaping the Unbuilt Environment – Working With the Already-There“ wird das Ungebaute als eigenständiger Raum erkannt.

Text: Rieken, Antonia, Hamburg

Bild 1 von 13
  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Hervorgegangen aus einer Beteiligung am Europan 9, entstand 2008 bis 2012 das Haus der Tagesmütter in Selb. Gutiérrez–dela Fuente konnten zusammen mit TallerDe2 beim Bauwelt-Preis 2013 punkten. Das Gebäude wurde als herausragendes erstes Werk ausgezeichnet.
    Foto: ©Fernando Alda

    • Social Media Items Social Media Items
    Hervorgegangen aus einer Beteiligung am Europan 9, entstand 2008 bis 2012 das Haus der Tagesmütter in Selb. Gutiérrez–dela Fuente konnten zusammen mit TallerDe2 beim Bauwelt-Preis 2013 punkten. Das Gebäude wurde als herausragendes erstes Werk ausgezeichnet.

    Foto: ©Fernando Alda

Potenzial des Vorhandenen

Im Aedes Architekturforum in Berlin werden derzeit Projekte des Madrider Büros Gutiérrez-delaFuente Arquitectos präsentiert. Unter dem Titel „Shaping the Unbuilt Environment – Working With the Already-There“ wird das Ungebaute als eigenständiger Raum erkannt.

Text: Rieken, Antonia, Hamburg

Von der Decke hängende Bildschirme formen im Zentrum des Ausstellungsraums einen Kreis, umhüllt von einem graublau schimmernden Vorhang. Über weiße Over-Ear-Kopfhörer lassen sich die aufgezeichneten Gespräche verfolgen. „Das Vorhandene sollte die Grundlage für die neuen Entwicklungen bilden. Es ist an der Zeit, Gebäude wiederzuverwenden.“, sagt Kristiaan Borret, Bouwmeester von Brüssel. Auf dem nächsten Bildschirm erklärt Aglaée Degros, Professorin für Städtebau an der TU Graz und Partnerin bei Artgineering: „Was wir oft vergessen, ist, dass Straßen und Infrastrukturen schlicht öffentliche Räume sind“.
Die Auseinandersetzung mit dem Bestand – als Notwendigkeit, nicht als Option – definiert die Rolle der Architekturpraxis neu. Die Ausstellung „Shaping the Unbuilt Environment – Working With the Already-There“ im Aedes zeigt, welches Potenzial das Bestehende birgt, und wie es genutzt werden kann. Kuratiert wurde die Schau vom Madrider Büro Gutiérrez-delaFuente Arquitectos, bestehend aus Natalia Gutiérrez und Julio de la Fuente, in Zusammenarbeit mit Architekturkritiker und Stadtplaner Kaye Geipel.
Schon beim Betreten wird deutlich: Diese Ausstellung will nicht nur dokumentieren, sondern argumentieren. Im Zentrum des Saals befindet sich die Filminstallation „European Encounter Cabinet“ – ein Denkraum, in dem das kuratorische Team den Dialog mit europäischen Stadtplanerinnen und Architekten sucht. Diskutiert werden Themen wie Wiederverwendung, Potenziale urbaner Räume, die Verantwortung der Architektur im ökologischen Wandel sowie die Vermittlung dieser Ansätze.
Entlang der hohen Wände erstreckt sich die Fallstudie, gegliedert in sechs Strategien. Diesen sind Projekte von Gutiérrez-delaFuente Arquitectos zugeordnet, die verborgene Potenziale eines Standorts aufdecken und aktivieren. Analysen, Pläne und (Modell-)Fotos von Arbeiten in Spanien, Deutschland, Belgien, Großbritannien und der Schweiz werden präsentiert. QR-Codes verlinken zu den einzelnen Projekten und laden zu einer vertieften Auseinandersetzung ein.
Seit seiner Gründung im Jahr 2006 widmet sich das Studio der Transformation des Vorhandenen, und wurde für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet. Es versteht sich als Vermittler zwischen dem Gebauten und Ungebauten. Architektur wird nicht isoliert betrachtet, sondern als Teil eines ökologischen und sozialen Netzwerks. Dabei zeigt sich, dass die Disziplin zwischen den Maßstäben agiert, und diese verknüpft – von großräumiger Landschaft bis hin zur unmittelbaren Umgebung.
Zwischenräume werden als Lebensräume verstanden, die neue Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt schaffen.
Offene und anpassungsfähige Entwurfsprozesse fördern soziale Inklusion – etwa beim Europan 9 Stadterneuerungsplan von Selb, in dessen achtjährigen Planungsprozess die lokale Gemeinschaft eingebunden wurde. So entstanden durch minimale Eingriffe Einrichtungen wie das „Haus der Tagesmütter“, in dem Kinder außerhalb von Schulzeiten betreut werden können.
Das Wiederentdecken verborgener Umweltqualitäten eines Standorts macht natürliche Ressourcen zu zentralen Entwurfselementen: Das Sozialwohnungsprojekt „Azur Social Housing“ in Brüssel verbessert durch den Umgang mit Wasser und Biodiversität die Grundwasserverhältnisse und Lebensbedingungen.
Auch Infrastrukturen können als öffentliche Räume neu gedacht werden, wie ein Entwurf für die Low Line London zeigt: Ungenutzte Flächen in Eisenbahnbögen werden für die Öffentlichkeit aktiviert.
Zentral bleibt die ständige Suche nach Strategien zur Reduktion von CO2-Emissionen – durch die Wiederverwendung von Bauteilen oder den Einsatz nachhaltigerer Materialien wie Holz, etwa bei der Sanierung des historischen Athenäums von Madrid.
Die präsentierten Arbeiten geben einen Einblick in die Herangehensweise des Architekturduos, das nach Lösungen für aktuelle klimatische und soziale Krisen sucht. Die Ausstellung ist eine Aufforderung, Architektur angesichts begrenzter Ressourcen neu zu denken – und ein Plädoyer für das Potenzial des Vorhandenen.


0 Kommentare


loading
x
loading

12.2025

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.