Phalanx im Licht
OMA haben die „Galerie der Könige“ im Museo Egizio in Turin umgebaut
Text: Meyer, Ulf, Berlin
Phalanx im Licht
OMA haben die „Galerie der Könige“ im Museo Egizio in Turin umgebaut
Text: Meyer, Ulf, Berlin
Das Museo Egizio in Turin gilt als wichtigstes Museum für Ägyptische Kunst außerhalb Ägyptens. Um ihm eine moderne Inszenierung und Besucherführung zu geben, hat das Haus seine Neugestaltung in die Hände von OMA aus Rotterdam gelegt. Sie krempeln das Haus in Grundriss und Gestaltung um: Wo die Artefakte zu-vor im Dunkel mit Spotlights präsentiert wurden, glänzen sie nun vor matten Aluminiumtafeln im Tageslicht. Die Statuen wurden so im Raum platziert, dass sie für Passanten schon von draußen durch die hohen Fenster zu sehen sind, auch bei Nacht – auf Augenhöhe, denn in der „Galerie der Könige“ gibt es keine hohen Sockel oder Podeste. Das Museum zu öffnen, visuell wie sozial, ist Ziel seines Direktors, Christian Greco. Der kühle Chic, in den die besten Ausstellungsstücke seines Museums pünktlich zur 200- Jahr-Feier der Gründung im Januar dieses Jahres getaucht wurden, eröffnet neue Wahrnehmungsmöglichkeiten der alten ägyptischen Steinmetzkunst.
Als das Museum gegründet wurde, um das Prestige des Königshauses der Savoyer zu mehren, wurde es im „Collegio dei Nobili“ untergebracht – in der Innenstadt und mit dem Raumprogramm eines Jesuiten-Internats. Der Architekt Michelangelo Garove hatte sein Internat 1679 um einen Hof herum organisiert, den die Architekten von OMA überdachen und so zum Ausgangspunkt des Museumsbesuchs machen. Andrea Tabocchini Architecture (T-Studio) aus Ancona sind ihre örtlichen Kontaktarchitekten.
Die Promenade der Besucher gleicht einer Reise durch einen ägyptischen Tempel. Besucher treten durch einen dunklen Ante-Raum ein mit einer Kunstinstallation von Sara Sallam. Die erste Halle zeigt eine Phalanx aus Sphinxen und löwenköpfigen Figuren. Eine Statue von Se-tis II. am Ende der Halle markiert den Höhepunkt. Der Rundgang kulminiert im zweiten Saal in der Statue von König Ramses II., die in der Mitte thront. Die Kuratoren haben alle Kleinobjekte in andere Etagen verlagert und lassen allein die Steine der Könige und Götter sprechen. Die Steine benötigen keine Vitrinen. Das gebürstete Alu spiegelt genug, um die Skulpturen auch von hinten zu zeigen. Eleganz schlägt Didaktik: Für Informationen ist auf den Alu-Paneelen wenig Platz. Die Schönheit der ausgestellten Werke wird ästhetisch zelebriert. Bei den archäologischen Grabungen wurde anfangs nicht dokumentiert, wo Teile aufgefunden wurden, eine genaue Nachempfindung ist also nicht möglich.
OMA hatte 2023 den Wettbewerb für die Überdachung des Hofes gewonnen. Die Neugestaltung der Hallen war ein Nebenauftrag, der direkt vergeben wurde. „Inklusiv, zugänglich und niedrigschwellig“ soll das Museum unter Greco sein. Für ihn ist die Geschichte der Sammlung genauso interessant wie die Artefakte. Einen Ausbau der Sammlung schließen die Kuratoren ebenso kategorisch aus wie die Rückgabe von Stücken an Ägypten.
Weil die Autoindustrie im Piemont eine Krise durchleidet, besinnt sich Turin auf seine Historie. Die ägyptische Sammlung diente einst der Profilierung Turins als Zentrum politischer Macht. Heute ist es der Kampf gegen den Bedeutungsverlust als Industriekapitale, der die Stadt Turin antreibt, ihre kulturellen Pfründe zu polieren. Der Gründungsort von FIAT verdankt dem Königshaus Savoyen sein Weltklasse-Museum pharaonischer Kunst. Wenn der überdachte Innenhof ein „jederzeit zugänglicher urbaner Platz“ (OMA) wird, erhält die Hauptstadt des Piemonts einen neuen städtischen Salon, dessen Geschichte nicht nur 200, sondern mehr als 4000 Jahre zurückreicht.
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