Bauwelt

Wie Lücken wieder Inhalt kriegen

Seit Anfang März läuft Europan zum 18. Mal. Die Kickoff-Veranstaltung behandelte neben den deutschen Standorten auch die Tragweite des Wettbewerbs in ernsten Zeiten.

Text: Kraft, Caroline, Berlin

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    Regensburg möchte eine Lücke im Norden schließen: Zwischen Gewerbegebiet und Siedlungsrand ist noch Platz.
    Abb.: Europan

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    Abb.: Europan

Wie Lücken wieder Inhalt kriegen

Seit Anfang März läuft Europan zum 18. Mal. Die Kickoff-Veranstaltung behandelte neben den deutschen Standorten auch die Tragweite des Wettbewerbs in ernsten Zeiten.

Text: Kraft, Caroline, Berlin

Was haben die Büros Riegler Riewe, MVRDV, NL Architects, Njiric & Njiric, nbundm* und Hild & K gemeinsam? Richtig: Sie alle haben in der Vergangenheit einmal den größten europäischen Wohn- und Städtebauwettbewerb für Architektinnen und Architekten unter 40 gewonnen. Seit 1989 beschäftigen sich die Teilnehmenden mit der Kompatibilität von Mensch, Stadt und Natur und suchen nach Lösungen für Wohn-, Ressourcen- und Mobilitätskrise. Die eingereichten Arbeiten stoßen bestenfalls neben dem fachlichen auch den öffentlichen Diskurs an, hinterfragen Altbewährtes und können ein wegweisender Schritt junger Planender sein.
Europan ist in die nächste Runde gestartet. Bei der digitalen Auftaktveranstaltung Ende März betonte Iris Reuther, die Senatsbaudirektorin der Freien Hansestadt Bremen und seit 2021 im Europan-Ausschuss ist, die ideelle Wichtigkeit des Wettbewerbs. Kaye Geipel, der im Vorstand des Europan-Vereins sitzt, erinnert, wen der Contest betrifft: Europa und alle Mitglieder dieser Gemeinschaft. Vieles, was gestern noch selbstverständlich war, sei inzwischen bedroht – das friedliche Zusammenleben mit den Nachbarn etwa, oder überhaupt das demokratische Aushandeln von Kompromissen.
„Ressourcen sind der Stoff, aus dem die Zukunft gemacht ist“, schrieb Kees Christianse vor etwa zehn Jahren in seinem Buch „Die Stadt als Ressource“. Was damals experimentell geklungen haben mag, sollte heute common sense unter Planenden sein. Europan 18 fasst diesen Ansatz unter „Re-Sourcing: Ressourcen neu denken“ und fordert damit die Teilnehmenden dazu auf, Bestehendem mit neuen Entwurfsstrategien zu begegnen. Zur Orientierung gibt es drei Leitmotive.
Zunächst verlangt E18, natürliche Elemente als Gestaltungspartner zu sehen und nicht gegen sie anzubauen. Wasser, Luft, Boden und Energie sind weder endlos und selbstverständlich da, noch bedeuten sie ausschließlich Risiken für die Planung, es gilt aber, clever mit ihnen umzugehen und sie, wo es geht, zu integrieren. Der zweite Leitsatz, „Neue Lebensweisen, andere Räume“ fasst eine seit der Pandemie drastisch beschleunigte Entwicklung. Der digitale Wandel prägt unser Zusammenleben, das Wohnen und Arbeiten. Er erzeugt neue räumliche Bedürfnisse und verschiebt die Grenzen des Privaten und des Öffentlichen. Konkret geht es um öffentliche Räume, die sich neu definieren und die spon­tanen, informellen Austausch ermöglichen müssen. „Bauen mit dem, was schon da ist“ klingt selbstverständlich. Dieser letzte E18-Leitsatz muss dennoch festgehalten werden. Unsere Ressourcen stecken im Bestand. Auf ihn aufzubauen und ihn als Materiallager zu sehen, ist bestenfalls schon lange Grundlage einer jeden Planung.
2025 liegen zwei der auf zwölf Länder verteilten 47 Standorte in Deutschland, beide zwar in Bayern, doch sehr verschieden. In Speichersdorf, einer 6000 Menschen zählenden Gemeinde in der Nähe von Bayreuth, gibt es drei mögliche Vertiefungsebenen: Als Gebäuderessource kann die ehemalige Festhalle aus den 1960ern bearbeitet und revitalisiert werden. Am Bahnhofs­areal plant die Deutsche Bahn aktuell Eingriffe, die Gemeinde nimmt das zum Anlass, den historischen Bahnhof mitsamt naher Umgebung als zweite Europan-Ebene aufzuführen, und fragt nach Ideen für ein zukunftsweisendes Bahnhofsviertel mit Wohn- und Stadtraum und Mobility Hub. Drittens sucht Speichersdorf auch nach Lösungen für den Umgang mit innerörtlichen Freiflächen in Bezug auf Klimaanpassung, Biodiversität und lokale Nahrungsmittelversorgung.
Der Ortskern soll also durch drei miteinander vernetzte Orte reaktiviert werden. Christian Porsch, Bürgermeister von Speichersdorf, machte den Vorbildcharakter der kleinen Gemeinde deutlich. 2023 hat der Ort in Begleitung durch das Architektur- und Stadtplanungsbüro UmbauStadt ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept eingeführt, zum Beispiel mit Beschlüssen zur autofreien Ortsmitte oder dem Vorhaben, nicht mehr in die Fläche zu wachsen, sondern Lücken zu schließen.
Knapp 120 Kilometer südlich, in Regensburg, liegt der Fokus auf dem Wohnungsbau. Florian Plajer, Planungs- und Baureferent der Stadt, stellte das etwa 107 Hektar fassende Areal vor. Auf einer der letzten großen Flächenreserven Regensburgs und zwischen Gewerbegebiet und Siedlungsraum liegend, soll hier ein Quartier mit bezahlbarem Wohnraum für mindestens 5000 Menschen entstehen. Ein Viertel für fast ganz Speichersdorf quasi, gemischt, autoarm, möglichst klimaneutral und 15-Minuten-Stadt-tauglich. Die Anbindung des Standorts ist durch die Deutsche Bahn geplant. Den Impulsvortrag für die Regensburger Aufgabe gab Anne Femmer mit der Betrachtung des von ihrem Büro Summacumfemmer, Büro Juliane Greb und der Kooperative Großstadt geplanten Wohnviertels San Riemo in München.
„Das Weiterschreiben von Stadtlandschaften“ ist, so Iris Reuther, die Aufgabe, unter der sich die beiden Standorte vereinen lassen. Regensburg und Speichersdorf sind repräsentativ für deutschlandweit präsente stadträumliche Fragestellungen. Inzwischen haben die Ortsbegehungen stattgefunden, die Protokolle der Kolloquien und Fragestellungen sind online nachzulesen. Bis zum 29. Juni können die Arbeiten online eingereicht werden, bis November werden die nationalen Juries die Auswahl der Siegerprojekte getroffen haben, nachdem sie lokal und vor europäischem Publikum vorsortiert wurden.

Einreichung unter www.europan-europe.eu

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