Bauwelt

Skulptur, Abenteuer und Aktion

Endlich wieder klettern, wippen, rutschen und schaukeln: Nach den Corona-Auflagen sind Spielplätze wieder offen. Dabei ist der Spielplatz noch nicht lange Teil des öffentlichen Raums. Die Ausstellung „The Playground Projekt“, die ihre siebte Station im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt aufschlägt, nimmt die Zeit von 1950 bis 1980 ins Visier – von den Kindern der Kriegsgeneration, denen der Spielplatz ein autonomer Raum bedeutete, bis hin zu den heutigen, für die er ein normiertes Gelände ist.

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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    Park Blijdorp in Rotterdam, im Auftrag von De Bijenkorf, 1970.
    Foto: Xavier de la Salle

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    Park Blijdorp in Rotterdam, im Auftrag von De Bijenkorf, 1970.

    Foto: Xavier de la Salle

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    Vier-Mast-Seilzirkus und Hängebrücke in der Siedlung Obstallee in Berlin-Spandau, 1978.
    Foto: Conrad Roland

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    Vier-Mast-Seilzirkus und Hängebrücke in der Siedlung Obstallee in Berlin-Spandau, 1978.

    Foto: Conrad Roland

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    Group Ludic: Workshops, Foyer Rémois in Reims, 1973.
    Foto: Xavier de la Salle

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    Group Ludic: Workshops, Foyer Rémois in Reims, 1973.

    Foto: Xavier de la Salle

Skulptur, Abenteuer und Aktion

Endlich wieder klettern, wippen, rutschen und schaukeln: Nach den Corona-Auflagen sind Spielplätze wieder offen. Dabei ist der Spielplatz noch nicht lange Teil des öffentlichen Raums. Die Ausstellung „The Playground Projekt“, die ihre siebte Station im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt aufschlägt, nimmt die Zeit von 1950 bis 1980 ins Visier – von den Kindern der Kriegsgeneration, denen der Spielplatz ein autonomer Raum bedeutete, bis hin zu den heutigen, für die er ein normiertes Gelände ist.

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Vielen Eltern mag erst durch die Pandemie aufgegangen sein, dass der Spielplatz nicht zuvörderst eine Ansammlung meist langweiliger Geräte ist, an denen sich das Kind leidlich ausprobieren kann. Erst das temporäre Aufenthaltsverbot gab den wie selbstverständlich vorhandenen Freiräumen eine Qualität, wobei „frei“ über den Außenraum hinaus auch für die kindliche Entfaltung anzuwenden ist.
So zumindest sahen es die Sozialreformer, die Ende des 19. Jahrhunderts die „herumlungernden“ Kinder durch ihnen vorbehaltene Orte in das städtische Grün integrierten. Neben Turn­geräten lag der Schwerpunkt lange auf dem bis heute populären Sandspiel. Im Wiederaufbau nach 1945 wurden Spielplätze dann zur Aufgabe von Architekten, Landschaftsarchitekten, Künstlern und nicht zuletzt sozialen Aktivisten.
Berühmt sind die rund 700 Plätze für Kinder, die Aldo van Eyck zwischen 1947 und 1978 auf den Restflächen und Brachen Amsterdams schuf; die statische, an abstrakte Kompositionen moderner Malerei erinnernde Gestaltung erschließt sich durch das Verständnis des niederländischen Architekten, dass „eine Stadt ohne die besonderen Bewegungen von Kindern ein bösartiges Paradox“ sei.
Seit 2006 recherchiert die schweizerische Stadtplanerin Gabriela Burkhalter zu Spielplätzen und veröffentlichte ihre Ergebnisse auf der Website www.architekturfuerkinder.ch. Daraus entstand eine erste Ausstellung 2013 in Pittsburgh, die danach auf Wanderschaft ging. An den Stationen wird der Bezug zum lokalen Kontext gesucht, im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt der Abenteuerspielplatz „Wildgarten“ in Sachsenhausen.
Der Abenteuerspielplatz ist die dritte Etappe in der Evolution der Spielplätze. Vorläufer waren mit skulpturalen Spielfiguren bestückte Anlagen und die landschaftsarchitektonisch gestalteten wie jene von van Eyck, Nachfolger waren aktionistische Formen. Wobei sich die Folge zeitlich verschob oder überlappte: Der erste „Gerümpelspielplatz“ etwa entstand 1948 in London, bevor die nunmehr als Abenteuerspielplatz stets betreuten Areale Ende der 1960er Jahre in den USA und Deutschland nachfolgten. Im Aufbruch der ohne Krieg sozialisierten Generation sollte nun auch den Kindern Kreativität, soziale Kompetenzen und Selbstorganisation nahegebracht werden, indem sie mit Werkzeug und Bauma­terial eigene Welten schufen. Zuvor waren Spiel­skulpturen und gestaltete Freiräume geläufiger. An den Geräten sollten sich die Spielenden körperlich ausprobieren, wie etwa an der „Jiggle Rail“ eines früheren Boxers, federnde Metallbänder oder Seile, an denen der Gleichgewichtssinn geschult wird; oder an abstrakten Skulpturen wie der „Octretra“ des amerikanischen Architekten Isamo Noguchi, die bestiegen und durchkrochen werden konnte. An Lebewesen erinnernde Skulpturen schuf die französische Künstlerin Niki de Saint Phalle, wohingegen die Group Ludic Paris Kinder mit futuristischen Gebilden einfing.
Diese wie auch die Abenteuerspielplätze waren geplant und gaben den Kindern etwas vor, mit dem sie Umgang finden konnten oder eben nicht. Der in den 1970er Jahren populäre Aktionismus setzte hingegen auf meist zeitlich begrenzte Handlungen mit ephemeren Ergebnissen. Aus ihnen sticht die Initiative KEKS (Kunst-Erziehung-Kybernetik-Soziologie) hervor, die ab 1968 mit einem Spielbus vier Jahre in Süddeutschland die Aneignung des Raumes durch Kinder fördert, auch mit umweltpolitischer Kritik, wie etwa dem Füllen von Autoabgasen in Plastiktüten an einer verstauten Kreuzung. Ebenfalls über einen längeren Zeitraum animierte der italienische Ar­chitekt Riccardo Dalisi zusammen mit Studenten die Kinder der sozial verwahrlosten Vorstädte
Neapels zu faszinierenden Skulpturen, die meist kaum den Tag überlebten.
Heutige Spielplätze haben aus Versicherungsgründen einen verschärften Sicherheitsstandard, Beton als Material ist nicht mehr zugelassen, was die Geräte für Gestaltende genauso unattraktiv macht wie für die Protagonisten. In der Ausstellung, die übrigens in dem gleichnamigen Buch anschaulich dokumentiert ist, steht eine benutzbare Spielskulptur im Zentrum der strengen Ausstellungshalle von Oswald Mathias Ungers. Der Gegensatz ist nur scheinbar: Ein bis heute funktionierender Abenteuerspielplatz gehört genauso zum Märkischen Viertel in Berlin wie der bekannte Ungersche Wohnkomplex.

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