Bauwelt

Mies? Auf in den Westen!

Collagen aus dem MoMA, der Ort eines Architektur-Erweckungserlebnisses, eine Textilfabrik: Wo sich Mies studieren lässt, während die Neue Nationalgalerie in Berlin geschlossen ist

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

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    Mies-Collagen aus dem MoMA – hier: Projekt für eine Konzerthalle, 1942 – in der Ausstellung im Ludwig Forum Aachen.
    Collagen: © The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florenz/VG Bild-Kunst, Bonn, 2016; Foto: Carl Brunn

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    Mies-Collagen aus dem MoMA – hier: Projekt für eine Konzerthalle, 1942 – in der Ausstellung im Ludwig Forum Aachen.

    Collagen: © The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florenz/VG Bild-Kunst, Bonn, 2016; Foto: Carl Brunn

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    Shedhalle auf dem Areal der VerSeidAG in Krefeld, die zurzeit saniert wird.
    Foto: Ulrich Brinkmann

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    Shedhalle auf dem Areal der VerSeidAG in Krefeld, die zurzeit saniert wird.

    Foto: Ulrich Brinkmann

Mies? Auf in den Westen!

Collagen aus dem MoMA, der Ort eines Architektur-Erweckungserlebnisses, eine Textilfabrik: Wo sich Mies studieren lässt, während die Neue Nationalgalerie in Berlin geschlossen ist

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

Mies van der Rohes Schaffen ist auch im fünften Jahrzehnt seit seinem Tod omnipräsent. Zwar gab es nach den Berliner Ausstellungen im Alten Museum (Bauwelt 1–2.2002) und im Vitra Design Museum (Bauwelt 44.2001) fünfzehn Jahre lang keine größere Mies-Schau in Deutschland. Doch wurde in Krefeld 2013 sein Golf-Club mit einem 1:1-Modell in Erinnerung gerufen (Bauwelt 29–30.2013), und in Dessau hat im Sommer dieses Jahres die Trinkhalle wiedereröffnet, mit der Mies wenigstens ein wenig Urbanität in Gropius’ Meisterhaussiedlung brachte. Mies’ Werk fasziniert bis heute Architekten – ob jung, ob alt, ob der Avantgarde oder der Tradition verpflichtet.
Nun wirft das Aachener Ludwig Forum für Internationale Kunst ein Schlaglicht auf das Wirken des großen Sohns der Stadt: Dort sind Mies’ Collagen und Montagen ausgestellt, die wie der gesamte Nachlass im New Yorker MoMA verwahrt werden. Dass der Fokus auf solch einen Ausschnitt nicht nur erlaubt ist, sondern Sinn ergibt, wird schnell deutlich. Die Collagen und Montagen behaupten sich als quasi eigenständige Werke im Gesamtschaffen. Sie sind zwar nicht losgelöst von den mit ihnen verbundenen Gebäudeplanungen zu sehen, gehen aber über eine kümmerliche Existenz als bloße „Vorstufen“ hinaus – die suggestiven Visualisierungen veranschaulichen vielmehr auf extrem verdichtete Weise Mies’ architektonisches Denken, seine konzeptionellen Raumideen. Gewiss, diese Erkenntnis lässt sich auch aus der entsprechenden Fachliteratur gewinnen, etwa dem Katalog zur erwähnten Berliner Ausstellung oder dem parallel erschienenen über „Mies in America“. Im Ludwig Forum aber treten die Darstellungen dem Betrachter in ihrer Original-Größe und -Materialität entgegen; die US-Flagge über der Menschenmenge in der Convention Hall etwa wird dort mit einem Mal als plastisches, in die zweidimensionale Visualisierung eingearbeitetes Readymade erkennbar.
Die Fahrt nach Aachen lohnt aber noch aus einem anderen Grund: Im Sommer ist dort nach rund dreißig Jahren endlich die Sanierung des Doms abgeschlossen worden, in dessen baulichem Kern, dem karolingischen Oktogon, Mies als junger Mensch den Beschluss gefasst haben soll, Architekt zu werden: eine Entscheidung, die nun wieder an Ort und Stelle nachvollzogen werden kann.
Und wer aus östlicher Richtung nach Aachen reist, kann ohne größeren Umweg in Krefeld die aktuellen westdeutschen Entwicklungen in Sachen Mies vollständig überblicken – und zwar nicht bei den Häusern Lange und Esters, über die 16 Jahre nach ihrer grundlegenden Sanierung (Bauwelt 41.2000) nicht viel Neues zu sagen ist, sondern auf dem Areal der „Vereinigten Seidenwerke AG“, kurz VerSeidAG. Für das von Lange und Esters geführte Unternehmen hatte Mies von 1930 bis 1938 geplant; realisiert wurden eine Produktionshalle und ein Geschossbau. Lange vernachlässigt, werden beide derzeit saniert. Das Pförtnerhäuschen, auch als Speditionshaus bekannt, wurde bereits von einem Teppichfliesenhersteller bezogen und mit einer verwirrenden Vielfalt von Formen, Themen, Farben und Materialien überzogen; zum Glück stammt das Gebäude nicht aus Mies’ Feder, sondern wurde von Erich Holthoff, in den 30er Jahren Leiter des VerSeidAG-Planungsbüros, entworfen. Bleibt zu hoffen, dass für die Shedhalle, die angesichts der Sanierungskosten als gehobener Büro­standort etabliert werden soll, ein Nutzer mit ausgeprägterer Architektur-Sensibilität gefunden wird. Wir kommen wieder. Ulrich Brinkmann
Fakten
Architekten Mies van der Rohe, Ludwig (1886-1969)
aus Bauwelt 40.2016
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