Bauwelt

Kein Sensibilisierungsworkshop

Die Gleichstellung der Geschlechter ist auch in der Architektur nicht erreicht. Ein zweitägiges Symposium an der Hochschule Düsseldorf möchte Raum zum Vernetzen und Handeln schaffen.

Text: Kraft, Caroline, Berlin

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Kein Sensibilisierungsworkshop

Die Gleichstellung der Geschlechter ist auch in der Architektur nicht erreicht. Ein zweitägiges Symposium an der Hochschule Düsseldorf möchte Raum zum Vernetzen und Handeln schaffen.

Text: Kraft, Caroline, Berlin

Warum ist jetzt der Zeitpunkt für „Room at the Top“ (RATT), einem Symposium zu feministischem Aktivismus in der Architekturbranche?
Tanja Kullack Die grundlegende Idee zum Symposium entstand vor zwei Jahren und wurde seit letztem Sommer im Team konkretisiert. Der gesellschaftliche Rollback und der Druck, unter dem unsere Demokratie steht, sind innerhalb dieser Zeit in allen Verästelungen unserer Gesellschaft angekommen. Im Zuge dessen stehen Themen der Gleichstellung unter Druck. Wir wollten dem gezielt etwas in unserer eigenen Disziplin entgegensetzen.
Karin Hartmann Wir sind als Architektinnen und Architekten historisch wenig darauf ausgerichtet, politisch zu sein. Der aktuelle Politikwandel macht es aber notwendig, sich zu positionieren, ob im Praktikum oder der Führungsposition. Neben all den anderen Krisen wird Gleichstellung oft als Erstes zurückgestellt, erinnern wir uns an die Pandemie. Feminismus mit Aktivismus in der Unterzeile aktiviert gewisse Triggerpunkte, das ist klar Absicht. Es muss normal sein, sich aktivistisch zu bekennen und über intersektional-feministische Lösungsstrategien zu sprechen.
Wen spricht das Symposium an und wer steht auf dem Podium?
Barbara Holzer Es soll ein breites Spektrum von Teilnehmerinnen geben. Wir möchten ein generationenübergreifendes und „erfahrungsdiverses“ Publikum erreichen. Wir möchten Dialog. Das Multiperspektivische ist zentral für diese zwei Tage. Wir haben nach Handlungsräumen innerhalb der Profession, an ihren Rändern und darüber hinaus gesucht. Dann, welche sprechfähigen Personen es im Feld feministische Architektur und Aktivismus gibt; in der Verwaltung, der kulturellen Vermittlung, der Praxis, bei Verbänden.
Oft sitzen bei Veranstaltungen, die sich mit Gleichstellung beschäftigen, vorwiegend Frauen im Publikum, die das Thema sowieso auf dem Schirm haben. Bricht RATT mit die­­ser Blase?
Tanja Kullack „Preach to the converted” – es ist eine Gratwanderung. Aber wir wollen keinen Sensibilisierungsworkshop geben, sondern selbstwirksames Handeln vermitteln. Wir brauchen schon Leute, die eine Grundsensibilität für das Thema haben und davon überzeugt sind, dass Architektur nicht unpolitisch sein kann. Wenn wir diese Gruppe vermehren, stärken und mobilisieren, vergrößern wir unseren Wirkungskreis. Da ist also „die Blase“, die aber selbstbewusst und gestärkt werden muss. Danach kann es eine Ausweitung über sie hinaus geben.
Wie präsent ist das Thema der fehlenden Gleichberechtigung in Ihrem Arbeitsalltag?
Tanja Kullack Am Fachbereich Architektur hatten wir einen Gleichstellungsworkshop, da hat sich ein Teil der männlichen Lehrenden absentiert. Manche Studierende sind sich der Problematik bewusst und sie verarbeiten sie in ihren Projekten. Etwa 75 Prozent von ihnen sind Frauen, das Verhältnis kehrt sich bei den Lehrenden noch immer fast um; da sind wir etwa 30 Prozent. Dass mit diesem Zahlenverhältnis etwas nicht stimmt, muss man erst mal vermitteln. Ich bin auch hochschulpolitisch tätig. Wenn in ein Gremium schon eine Frau berufen wurde und man möchte noch eine, dann kommt irgendwann der „was-willst-du-eigentlich-noch-Blick“, eine Parität ist überhaupt nicht etabliert.
Barbara Holzer Ich merke an jeder Stelle, dass es nicht selbstverständlich ist, das Bewusstsein für den eigenen feministischen Handlungsraum zu haben, also: Was ist mein Umfeld, was kann ich tun, was beschränkt mich? Dass das rezipiert und reflektiert wird, ist nicht gegeben. Die Schnittstelle, an der Absolventinnen und Absolventen ins Berufsleben einsteigen, ist kritisch. Auch im angewandten Berufsfeld ist es wichtig, für dieses Bewusstsein zu kämpfen und auf das Thema aufmerksam zu machen, an jeder Stelle. Das geht nur Schritt für Schritt, und es braucht Einsatz.
Was wird bestenfalls aus dem Symposium?
Tanja Kullack Ein Raum, in dem Netzwerke gedeihen. Auch wenn die politische Situation einem schier den Hals zuschnürt, wollen wir, ohne das zu verschweigen, Optimismus vermitteln. Du kannst etwas tun! Die Situation ist schlecht, aber trotzdem wollen wir motivieren, das Symposium und auch das Danach sollen Spaß machen. Es soll ein Gegenmodell sein.
Karin Hartmann Schön wäre, wenn jeder und jede etwas für den eigenen Alltag mitnimmt. Sei es, nicht mehr zu lächeln, wenn der Chef sagt „Lächel doch mal“ oder nicht mehr selbstverständlich die Einladungskarten zu gestalten. Das ist vielleicht kein sichtbares Ergebnis, aber es wirkt in die Breite. Die Ebenen struktureller Diskriminierung zu verstehen, ist nicht einfach. Aber danach gibt es einen Handlungsraum. Und diesen auszuleuchten, ist unser Ziel.

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