Bauwelt

Moderne im Iran

Die ifa-Galerie Berlin zeigt als Teil einer Ausstellung über Archi­tektur und Kunst im Iran den offiziellen iranischen Beitrag der Architekturbiennale ­Venedig 2014, der damals viele überraschte

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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    Moderne, seltsam entrückt: Dadbeh Bassir, Ohne Titel (Tehran Series), Leuchtkasten, 2005–2014
    Foto: argelola/© ifa; © Dadbeh Bassir; Aaran Gallery, Teheran, & La Caja Blanca, Palma de Mallorca

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    Moderne, seltsam entrückt: Dadbeh Bassir, Ohne Titel (Tehran Series), Leuchtkasten, 2005–2014

    Foto: argelola/© ifa; © Dadbeh Bassir; Aaran Gallery, Teheran, & La Caja Blanca, Palma de Mallorca

Moderne im Iran

Die ifa-Galerie Berlin zeigt als Teil einer Ausstellung über Archi­tektur und Kunst im Iran den offiziellen iranischen Beitrag der Architekturbiennale ­Venedig 2014, der damals viele überraschte

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Wieder einmal stellt Le Corbusier das richtige Wort bereit: „Dem Gestern ein Morgen geben“, soll er 1929 bei einer Reise nach Brasilien formuliert haben. Das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) borgte sich den Satz als Motto seiner Ausstellung über Architektur und Kunst im Iran. Kernstück der nun in der ifa-Galerie in Berlin gezeigten Schau ist eine unscheinbare Tafel, auf der Schwarz-Weiß-Fotos von iranischen Bauwerken in Form von Abreißblöcken verteilt sind.
Die Längsachse ist die Zeitschiene; sie reicht vom Beginn der Pahlavi-Herrschaft mit Schah Raza (1929–41) über seinen Sohn Mohammed Reza (1942–79) zur Islamischen Republik (seit 1979) und damit in die Gegenwart. Auf der Querachse ist, von unten nach oben steigend, „Historismus“ und „Modernismus“ eingetragen. An welcher Stelle eines der 40 Gebäude zu finden ist, gibt nicht nur Aufschluss über das Baujahr, sondern auch über die Einschätzung, wie „traditionalistisch“ oder „modern“ seine Formensprache ist.
Die Wandtafel war bereits in Venedig zu sehen, bei der Architekturbiennale vor zwei Jahren. Deren künstlerischer Leiter Rem Koolhaas hat­­te das Motto „Absorbing Modernity“ vorgegeben, und zur Überraschung der Besucher, die den offi­ziellen Beitrag des Iran in einem Nebengebäude des Arsenale fanden, wurde dort mit der größ­­ten Selbstverständlichkeit vorgeführt, was im Iran im Zeichen der forcierten Modernisierung unter den beiden Schahs, aber ebenso im Zeichen der Globalisierung unter der Herrschaft der schii­tischen Geistlichen gebaut worden ist.
„Instant Past“ war der Beitrag in Venedig überschrieben. Zu dem über Jahrtausende zurückreichenden kulturellen Erbe des Iran, wie Persien erst seit der Pahlavi-Herrschaft offiziell heißt, kam die Moderne als äußerer Einfluss hinzu – und ist nun selbst bereits Vergangenheit und architektonisches Erbe. In der in rasantem Tempo anschwellenden Hauptstadt Teheran, die einen Gutteil des Bevölkerungswachstums des Landes absorbiert, ist für Erbe kein Platz; an die Stelle familiärer Wohnhäuser mit dem typischen umschlossenen Garten treten vielstöckige Apartment-Türme. Darüber berichtet die Schau allerdings nicht, sie bleibt seltsam kontextlos, der Besucher sieht nur das einzelne Gebäude.
Zurück zu den Wurzeln?
Seit den 30er Jahren sind Bahnhöfe und Flughäfen als Insignien technischen Fortschritts entstanden, die sich an kein heimisches Vorbild anlehnen konnten oder mussten; wohingegen Schulgebäude wie die Iranshar-Schule im wüs­ten­nahen Yazd den Typus der hofumstehenden Karawanserei aufnehmen. An das fantastisch anmutende WDNCh-Gelände im sowjetischen Moskau fühlt sich erinnert, wer die Front des Tehe­raner „Polizeipalastes“ von Mirza Ali Khan Mohandes (1937) betrachtet: eine Mixtur aus klassizis­tischer Tempelfront und landestypischen Burgen, gewürzt mit Stier- oder Löwenkapitellen – genau lässt sich das auf dem Foto nicht ausmachen.
Unter Schah Mohammed Reza hält nach dem Zweiten Weltkrieg die westliche Moderne Einzug. Schon das Senatsgebäude von Mohsen Foroughi und Heydar Ghiaei (1950) ist eine Huldigung an den Baustoff Beton, der für die Repräsentationsbauten des Regimes das gegebene Material war. Ein Rückgriff auf die heimische Ziegelarchitektur findet sich erst in der Großsiedlung Shustar-Neustadt in der südlichen Provinz Kusistan von Kamran Diba (1975).
Überraschend ist, dass die Architektur unter dem Ajatollah-Regime entgegen dem politischen „Zurück zu den Wurzeln“ nicht auf eine historisti­sche Linie einschwenkte. Was an Beispielen aus Teheran zu sehen ist, verrät in keinem Detail seinen geografischen Standort. Sogar ein gläserner Kinokomplex von Reza Daneshmir entstand 2004 längs einer Stadtautobahn, wie sie in einer Millionenstadt mit hoher PKW-Dichte und niedrigem Spritpreis unumgänglich ist.
Dass Teheran unter Smog leidet, ist bekannt, und schon immer waren die nördlichen Viertel im ansteigenden Gelände bevorzugte Wohnquartiere. Der 2007 mitten in der Stadt errichtete Fernsehturm Milad Tower von Mohammad Reza Hafezi überragt die Apartmenttürme in seiner Nachbarschaft um ein Vielfaches. In der ifa-Galerie sind Fotos aus der „Teheran-Serie“ des Künstlers Dadbeh Bassir zu sehen, die die Spitzen der Skyline über den Wolken zeigen. Zwar sind diese Wolken kein Smog, sondern ins Bild gespiegelte Himmelsformationen, gleichwohl entrücken sie die gebaute Umwelt auf seltsame Weise. Als ob die Moderne immer noch nicht ganz auf dem Boden Irans, des alten Persiens, angekommen wäre.

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