Bauwelt

Doppelter Erkenntnisgewinn

Wie ist mit den städtischen Bühnen in Frankfurt umzugehen? Studenten zeigen Lösungen

Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main

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    Neben dem Bockenheimer Depot: Die Interimslösung einer Studentengruppe der aac
    Abb.: aac/Academy for Architectural Culture

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Doppelter Erkenntnisgewinn

Wie ist mit den städtischen Bühnen in Frankfurt umzugehen? Studenten zeigen Lösungen

Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main

In organisatorischer Hinsicht war das Frankfurter Altstadtprojekt ein Erfolg. Mag man sich über die entstandene Architektur streiten, über geplatzte Termine, exorbitant gestiegene Kosten oder andere negative Schlagzeilen. Ähnlich geschickt verlief kurz vorher das Großprojekt für die neue Zentrale der Europäischen Zentralbank. Offensichtlich will die Stadt Frankfurt am Main bei ihrem neuen Großprojekt, der Sanierung der städtischen Bühnen, daran anschließen. Hatten die Prognosen, dass dieses Vorhaben gut 900 Millionen Euro kosten werde, zunächst die Verantwortlichen, eigentlich die ganze Stadt in eine Art Schockstarre versetzt, so verbreitete vor allem eine ausgezeichnete Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum mit dem Titel „Große Oper – viel Theater?“ im April 2018 wieder Aufbruchsstimmung (Bauwelt 9.2018). Man berief eine „Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen“ unter Leitung von Michael Guntersdorf, des ehemaligen Geschäftsführers der Dom-Römer-GmbH, die die neue Altstadt realisierte. Ziel dieses Gremiums ist die Vorbereitung eines von möglichst vielen Fraktionen getragenen Beschlusses des Stadtparlamentes. Eigentlich sollte schon im Dezember vergangenen Jahres ein Gutachten und eine Beschlussempfehlung vorgelegt werden. Doch das wurde vom Kleinklein Frankfurter Kommunalpolitik gestoppt. Es soll nun Ende Januar geschehen, eine Verschiebung dieses Termins ist freilich nicht ausgeschlossen.
Dessen ungeachtet verläuft die ziemlich befruchtende Kooperation der Stabsstelle mit diversen Architekturlehrstühlen hierzulande hervorragend. Hatten Studenten der TU Darmstadt unter Felix Wächter den von einigen Politikern und Architekten favorisierten Standort am Raab-Karcher-Gelände im Osten der Stadt für eine Oper untersucht, gab Philipp Oswalt seinen Studierenden an der Uni Kassel ein Interim am innerstädtischen Roßmarkt zur Aufgabe. Für den alten Standort der Bühnen, am Willy-Brandt-Platz und den Wallanlagen, sollten Studenten der TU Kaiserslautern unter Helmut Kleine-Kraneburg einen Neubau der Doppelanlage entwerfen.
Im Herbst vergangenen Jahres lud die vom Büro gmp gestiftete „aac Academy for Architectural Culture“ 24 Studierende und Absolventen aus fünf Ländern zu einem dreiwöchigen, intensiven Workshop ein. Das Thema war realitätsnah: Ein Interim für die Frankfurter Oper neben dem bereits als Spielstätte genutzten Bockenheimer Depot. Der Bau, der zu entwerfen war, sollte wie die jetzige Oper etwa 1300 Zuschauern Platz geben (damit keine Abonnenten verloren gehen) und sollte ähnlich wie die jetzige Oper eine als Bühne nutzbare Drehscheibe im Durchmesser von 38 Meter zur Verfügung stellen (damit ein Repertoirebetrieb möglich ist und geschulte Mitarbeiter bereits vorhandene Kulissen nutzen können). Nur 10.000 Quadratmeter Nutz-fläche und 7000 Quadratmeter Nebenflächen sollte der temporäre Bau umfassen, also deutlich kleiner als das derzeitige Operngebäude. Lager und Werkstätten sollten ausgelagert werden.
Das Areal, gerade drei U-Bahn-Stationen vom jetzigen Standort entfernt und von der Politik ins Spiel gebracht, sollte 6500 Quadratmeter groß sein. Dazu wäre – fiktiv – Ferdinand Kramers denkmalgeschützte Unibibliothek abzureißen. Was einigen Politikern gefallen dürfte, schließlich ist abzusehen, dass der eigenwillige, kaum umnutzungsfähige Bau seine Funktion verliert, sobald der Umzug der Universität zum Campus Westend und an den Riedberg endgültig abgeschlossen sein wird. Auch wenn die vier resultierenden Entwürfe, die im DAM bis zum 23. Februar zu sehen sind, in Form und Dimensionen ziemlich verschieden ausfielen, ist ihnen große Sachkenntnis anzumerken. Vor allem ist der Wille erkennbar, weit über eine entsprechende Gastronomie hinaus die Opernwelt auch tagsüber dem Publikum zu öffnen. Manchmal gleichen die zahlreichen, gescheit positionierten Einblicke Schaufenstern. Bisweilen gibt es offe-ne Loggien, Proberäume im Foyer oder es führt eine Promenade über einen Gebäudeteil. Schließlich wurde auf gut proportionierte Stadträume großen Wert gelegt, die einerseits die Opernwelt mit der Öffentlichkeit verzahnen und andererseits selbst als Bühne dienen könnten.
Seitdem die Sanierung der städtischen Bühnen in Frankfurt Thema ist, wurden immer wieder Stimmen laut, die den großen Stadtbalkon mit dem über die ganze Gebäudebreite verglasten Wolkenfoyer erhalten oder ihn in einem Neubau zumindest zitieren wollen. Die im Workshop entstandenen Arbeiten mit der Öffnung des Bühnengeschehens zur Umgebung stellen jeweils sehr versierte Neuinterpretationen dieses Stadtbalkons dar. Und das ist allgemein das In­teressante an diesen vielfältigen Entwürfen und Konzepten der Studenten: Zu jeder in Frankfurt diskutierten Option des zukünftigen Umgangs mit den städtischen Bühnen gibt es bereits ein grobes Modell, das weitergedacht werden kann. Auch wenn selbstverständlich keine Kostenberechnungen u.ä. vorliegen. Doch Alternativen werden sichtbar, der Erkenntnisgewinn ist beidseitig. So könnte architektonische Politikberatung funktionieren, wäre die Politik selbst dazu bereit. Wobei: Im April stellt das DAM Studentenentwürfe vor, die an der UAS Frankfurt bei Jean Heemskerk entstanden sind und sich mit neuen Bühnen oder der Sanierung am Willy-Brandt-Platz befassen.

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