Die disziplinierende Kraft des Raumes
Sieben Kunstpositionen setzen sich mit dem Ungers-Bau der Hamburger Kunsthalle auseinander
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Die disziplinierende Kraft des Raumes
Sieben Kunstpositionen setzen sich mit dem Ungers-Bau der Hamburger Kunsthalle auseinander
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Als die Hamburger Kunsthalle Ende 2016 nach 17-monatiger Renovierung ihre Türen wieder öffnete, überraschte der in den historistischen Gründungsbau zurückverlegte, durchaus ja repräsentative Haupteingang. Ihn können Besucher und Besucherinnen aber erst genießen, wenn sie sich schon in seinem Inneren befinden, denn die inszenatorische Hinführung zu ihm ist keine stadträumliche Glanzleistung: Ein System von Treppen oder Rampen führt auf ein halböf fentliches Zugangsplateau, das die Basis des Altbaus schnöde verschluckt. Aber nicht nur das: Physisch bedrängt wird der Eingang durch einen hohen, geometrischen Aufwurf aus rotem Naturstein, den Oswald Mathias Ungers der von ihm geplanten und 1997 eröffneten Galerie der Gegenwart an der gegenüberliegenden Flanke des Zugangsplateaus vorgeschaltet hat. Dieser Galeriebau ist dann, wie von Ungers zu erwarten: konzeptionell rigide, quadratisch durchmo duliert, weiß – aber selbst eingefleischte Un gers-Fans werden ihn eher nicht als eines seiner Meisterwerke bezeichnen.
Recht defensiv, um es zusammenfassend voranzustellen, gehen die Jungkünstler dann auch mit Ungers Räumen um. Eine Herausforderung ist zweifelsohne die stereotype Durchfensterung der Außenseiten, hier wäre das künstlerische Feingefühl, gezielte Blicke zu inszenieren und in eine Ausstellungsdramaturgie zu integrieren, ge fordert. Stattdessen wahren fast alle Präsen tationen einen pietätvollen Abstand zur Fenster front, die architektonische Disposition der Raumschale um einen Kern mit Servicebereichen, Trep pen und Lichthof sondert eine weitere Schicht entlang ihrer Fassade aus. Ein Rundgang mutet dann ein wenig an wie ein Messebesuch: meist streift man entlang an Installationen, blickt in sie hinein wie in Bühnenbilder, ohne aber durch eine künstlerische Dramaturgie gelenkt, herein- und durchgeführt zu werden. Natürlich ist auch dabei vieles zu entdecken. Da wären etwa die mono chromen Leinwände, die Franziska Reinbothe bearbeitet. Die Leipzigerin bleibt von allen sieben am stärksten dem planen Malgrund treu, faltet, schneidet oder kantet ihn. Diesen Bildgestalten gibt sie originelle Titel, „Hüftbruch“ etwa oder „Opi mit Stock“. Zaghaft entfalten sie sich auch im Zusammenspiel mit drei Fenstern. Und geradezu magisch reflektiert der unverstellte Fußbo den aus schwarzen Asphaltplatten die Farbigkeit der Leinwände. Claudia Wieser aus Berlin be setzt einen Eckraum. Kunsthandwerklich anmu tende Keramikfliesen an der Wand bilden den Hintergrund für einen fragmentierten, raumgrei fenden Würfel aus hochglanzpoliertem Edel stahl. Er spiegelt nun Facetten der Umgebung in den Raum – wenngleich nur der Gleistrasse zum nahen Hauptbahnhof.
Am ehesten als Raumkunst zu bezeichnende Arrangements konzipierten Helga Schmidhuber, Sol Calero und Dana Greiner. Die süddeutsche Schmidhuber setzt ihre fantasievolle „Arche endemisch“ aus bunten Paravents naturkundlicher Motivik ins Zentrum des Raumes, das Tierpräparat vom Walross Antje, zu Lebzeiten Maskott chen des ortsansässigen NDR, mittendrin. Cale ro, gebürtig aus Venezuela, zeigt ein exotisches Ambiente mit (künstlichen) Pflanzen, eine „Wechselstube“ nimmt Angebote für eine Edition entgegen. Dana Greiner aus München kombiniert ihre farbenfrohe Malerei mit Projektionen und Sound zu einer flirrenden Totalinstallation. Leider verdunkelt ausgerechnet sie wieder ein Fenster, statt den hier nun wirklich einmal spektakulären Blick auf Hamburgs Schokoladenseite intelligent ins Setting einzubeziehen.
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