Bauwelt

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Unter Trump droht die Architektur der amerikanischen Bundesregierung ihre Unabhängigkeit von Stilvorgaben zu verlieren

Text: Dimendberg, Edward, Irvine (USA)

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    Painted Desert Community Complex Apartment, Richard Neutra and Robert Alexander, Navaho and Apachies Counties, Arizona, 1962
    Foto: National History Lib-rary/Alamy

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    Painted Desert Community Complex Apartment, Richard Neutra and Robert Alexander, Navaho and Apachies Counties, Arizona, 1962

    Foto: National History Lib-rary/Alamy

Return to Order?

Unter Trump droht die Architektur der amerikanischen Bundesregierung ihre Unabhängigkeit von Stilvorgaben zu verlieren

Text: Dimendberg, Edward, Irvine (USA)

Die Folgen der Wiederwahl von Donald J. Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten werden jeden Tag deutlicher – nicht nur für die Amerikaner, sondern auch für die gesamte vernetzte Welt von heute. Während die disruptiven Auswirkungen seiner Wirtschafts- und Außenpolitik ständig Beachtung finden, wird der ebenso disruptive Einfluss seiner Regierung auf die Architektur in den USA hingegen weniger beachtet.
Zölle auf importiertes Holz aus Kanada oder auf Materialien aus anderen Ländern werden zwangsläufig die Kosten für den heimischen Bau in die Höhe treiben. Umweltfreundliche Energiealternativen wie Solar- und Windkraft, die von importierten Technologien aus China abhängig sind, werden noch teurer, und das genau zu dem Zeitpunkt, an dem ihre Nutzung zu- und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen abnimmt. Aufgrund der höheren Renditen von US-Staatsanleihen, die verunsicherte Anleger anlocken sollen, werden die ohnehin schon hohen Zinsen weiter zunehmen; zugleich werden die Immobilienfinanzierungs- und Hypothekenzinsen steigen, was sowohl die Bauvorhaben als auch die Chancen auf Wohneigentum schmälert. Es ist ein offenes Geheimnis, dass in der Bauindus-trie viel schwarzgearbeitet wird, und die steigenden Arbeitskosten infolge einer verschärften Einwanderungspolitik werden an die Kunden weitergereicht. Der Wohnungsbau, gerade im Bereich des bezahlbaren Wohnens, wird sich weiter verlangsamen – ein schwerwiegendes Problem, das der erste Immobilienentwickler-Präsident des Landes ignoriert.
Doch die sichtbarsten Veränderungen werden sich wahrscheinlich im Bereich der Architektur der US-Regierung zeigen. Da das von Elon Musk geleitete Department of Government Efficiency (DOGE) die Zahl der Bundesangestellten abbaut, schrumpft auch das Immobilienportfolio der US-Regierung. Gebäude werden geräumt und ganze Behörden von Washington, D.C. in andere Städte verlegt – angeblich, um günstigere Büroräume zu erhalten. Sicherlich geht es dabei aber auch darum, Arbeitsplätze abzubauen und die physische Nähe zentralisierter Regierungsmitarbeiter zu beseitigen, die den sogenannten „deep state“ bilden, den die US-Regierung auszumerzen versprochen hat. Als Trump während seiner ersten Amtszeit das Bureau of Land Management von Washington nach Grand Junction, Colorado, verlegte, gingen 87 Prozent der Belegschaft in den Ruhestand oder kündigten, wodurch das Amt, das ein Achtel der Landmasse der Nation verwaltet, lahmgelegt wurde.
1978 erließ Präsident Jimmy Carter eine präsidiale „Executive Order“, wonach Regierungsbehörden Flächen im urbanen Raum erwerben sollten, um die Attraktivität dieser Gebiete als Wohn- und Arbeitsorte zu erhöhen und „die sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Bedingungen“ der Städte zu verbessern. Im Gegensatz dazu versprach Trump während seiner zweiten Wahlkampagne, 100.000 Bundesarbeitsplätze von Washington nach außerhalb zu verlegen, „an Orte, die mit Patrioten besetzt sind, die Amerika lieben“. Am 15. April unterzeichnete er das Dekret „Restoring Commonsense to Federal Office Space Management“ (zu Deutsch: „Wiederherstellung des gesunden Menschenverstands bei der Verwaltung von Bundesbüros“), mit dem er die Richtlinie von Jimmy Carter und Bill Clinton aus dem Jahr 1996 zur Ansiedlung von Regierungsbehörden in historischen Gebäuden aufhob. Stattdessen sollen nun „kosteneffiziente Einrichtungen ausgewählt werden und [die Behörden] sich darauf konzentrieren, ihre Pflichten gegenüber den amerikanischen Steuerzahlern erfolgreich zu erfüllen“.
In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war ein Großteil der staatlich beauftragten Architektur von mittelmäßiger Qualität und wurde von Groß-firmen wie am Fließband realisiert. Ein erster Versuch auf Programmänderung kam 1954 mit dem Auftrag des US-Außenministeriums, Architekten wie Eero Saarinen und Walter Gropius mit der Gestaltung von Botschaften zu beauftragen und deren Prestige für das Streben nach „Soft Power“, also diplomatischer und symbolischer Kraft, zu nutzen. Die Bemühungen, das Niveau der Architektur anzuheben, wurden ein Jahr später vom National Park Service mit der Initiative „Mission 1966“ fortgesetzt, um die wachsende Zahl von Besuchern an beliebten Reisezielen wie dem Grand Canyon, den Everglades und dem Yosemite Nationalpark unterzubringen. Durch die Beauftragung von Architekten wie Richard Neutra und Anshen & Allen führte die Initiative moderne Gebäude von oft hoher Qualität in Landschaften und Gemeinden außerhalb der städtischen Gebiete ein.
Edward Feiner, die GSA und der Aufschwung der Staatsarchitektur seit den 1960er Jahren
Sieben Jahre später wurde der Geist dieser Programme in der Architekturpolitik der allgemeinen Dienstleistungsverwaltung (General Services Administration, GSA), die oft als Hausverwalter der US-Regierung bezeichnet wird, festgeschrieben. Dies geschah in den „Guiding Principles for Federal Architecture“, ein Bericht aus dem Jahr 1962 von Daniel Patrick Moynihan, damals stellvertretender Arbeitsminister unter den Präsidenten Kennedy und Johnson. Die Leitlinien bekräftigten nicht nur die Bedeutung der Beauftragung von Kunst in Bundesgebäuden – ein Erbe des „New Deal“ aus der Roosevelt-Ära –, sondern verteidigten auch unmissverständlich die kreative Freiheit der Architekten: „Die Entwicklung eines offiziellen Stils muss vermieden werden. Das Design muss vom Architekturberuf zur Regierung fließen, und nicht umgekehrt. Die Regierung sollte bereit sein, einige Zusatzkosten zu zahlen, um eine übermäßige Einförmigkeit bei der Gestaltung von Bundesgebäuden zu vermeiden. Wo es sinnvoll ist, können Wettbewerbe zur Gestaltung von Bundesgebäuden durchgeführt werden. In der Regel sollte vor der Vergabe wichtiger Planungsaufträge der Rat renommierter Architekten eingeholt werden.“
Die von der GSA beauftragten Gebäude sollten sich am „besten zeitgenössischen amerikanischen architektonischen Denken“ orientieren und „ein visuelles Zeugnis für die Würde, den Unternehmungsgeist, die Kraft und die Stabilität der amerikanischen Regierung“ darstellen. Auffällig an dem Dokument ist, dass kein bestimmter Stil erwähnt wird. Die für die Demokratie erforderliche Architektur wurde als etwas verstanden, das sich ständig weiterentwickelt und sich den zeitgenössischen Bedürfnissen und der Kultur anpasst: „Unser Ziel sollte es sein, die Aufforderung des Perikles an die Athener zu erfüllen, die Präsident Kennedy in seiner Ansprache vom 9. Januar 1961 an die Gesetzgeber von Massachusetts empfahl: ‚Wir ahmen nicht nach, denn wir sind ein Vorbild für andere.‘“
Der Beamte, der sich mehr als jeder andere für die Umsetzung dieser Ideeneinsetzte, war Edward Feiner, von 1996 bis 2005 Chefarchitekt der GSA. Gemeinsam mit Marilyn Farley rief er 1994 das „Design Excellence“-Programm ins Leben, das die Qualität der Regierungsarchitektur verbessern sollte. Bei den mehr als 140 von ihm in Auftrag gegebenen Gebäuden stand sein unerschütterliches Engagement für den stilistischen Pluralismus, der von zeitgenössischen über regionale bis hin zu historischen Stilen reichte, nie in Frage.
Unter seiner Leitung erhielten Architekten wie Richard Meier, Thom Mayne, Arquitectonica, Antoine Predock, Ralph Johnson, Laurie Hawkinson, Tim Smith-Miller sowie Harry Cobb Aufträge, und die Qualität der Bundesarchitektur stieg signifikant an und blieb auch nach seinem Ausscheiden aus der Behörde auf einem hohen Niveau. Die Architektinnen Carol Ross Barney und Julie Snow traten in eine bis dahin weitgehend Männerdomäne ein und bewiesen, dass Diversität und Leistung sich nicht ausschließen.
Bei keinem staatlichen Bauprogramm, das für Tausende von Aufträgen verantwortlich ist, wäre zu erwarten, dass die Arbeit allen gefällt – geschweige denn, dass sie ein Meisterwerk nach dem anderen abliefert. Doch die Glaubwürdigkeit und Professionalität des Design-Excellence-Programms erzeugte bei vielen Architekten Respekt und die Gewissheit, dass nicht eine eingeschworene Clique alle Aufträge erhielt.
Betrachtet man die Karriere von Donald Trump als Immobilienentwickler, könnte man zu dem Schluss kommen, dass ihm bei der Entwicklung seiner markentypischen, faden, dunklen Glastürme mit goldenen Schildern, die als „OPEC-Barock“ getauft wurden, die Wertschätzung durch die US-amerikanische Architektengemeinschaft eher unwichtig war.
Während seiner ersten Amtszeit als Präsident wurde Trumps Interesse an Architektur noch deutlicher, als er am 21. Dezember 2020 das Dekret „Promoting Beautiful Federal Civic Architecture“ erließ. Es ist unwahrscheinlich, dass jemals ein Regierungsdokument zuvor oder danach eine derart detaillierte und fehlgeleitete Darstellung der Architekturgeschichte ent-hielt. Neben Diskussionen über die Charta von Siena und Christopher Wren wird auch der Brutalismus kritisiert – ein „Ungeheuer“, das als Architekturstil definiert wird, „der aus der modernistischen Bewegung des frühen 20. Jahrhunderts hervorging und durch ein massives und blockartiges Erscheinungsbild mit einem starren geometrischen Stil und der großflächigen Verwendung von Sichtbeton gekennzeichnet ist“. Zu Zwecken des Dekrets wird diese facettenreiche Bewegung mit dem Hubert-Humphrey-Gebäude in Washington, dem Hauptsitz des Gesundheitsministeriums, identifiziert. Dieses Spätwerk von Marcel Breuer, 1977 fertiggestellt, wird mit besonders scharfen Worten bedacht, ohne zu berücksichtigen, dass der Brutalismus bereits während seiner Hochzeit von der weltweiten Architektenschaft kontrovers diskutiert wurde.
Die „dekonstruktive Architektur“ der späten 1980er Jahre schneidet noch schlechter ab. Dieser Stil wird als Untergrabung der „traditionellen Werte der Architektur durch Merkmale wie Fragmentierung, Unordnung, Diskontinuität, Verzerrung, schiefe Geometrie und den Anschein von Instabilität“ beschrieben. Und obwohl diese Qualitäten praktisch einer einheitlichen Definition entgegenstehen, gilt das von Morphosis entworfene San Francisco Federal Building aus dem Jahr 2007 doch als Paradebeispiel dieser Architekturform. In einer alternativen Realität könnte eine Präsidentschaftsverwaltung, die sich dem Umbruch des Status quo verschrieben hat, eine Ästhetik des Bruchs zu schätzen wissen.
Als Reaktion auf eine sehr kleine Auswahl von GSA-Bauaufträgen soll die klassische Architektur des „antiken Athens und Roms“ fortan der bevorzugte Stil für alle Gerichts- und Amtshäuser sowie für alle Regierungsbauten in Washington sein. Dies gilt ebenfalls für alle Gebäude, die mehr als fünfzig Millionen Dollar kosten. Die Begründung: Dieser Stil sei am ehesten dazu geeignet, „öffentliche Räume zu erheben und zu verschönern, den menschlichen Geist zu inspirieren, die Vereinigten Staaten zu veredeln und der Öffentlichkeit Respekt zu verschaffen“. Obwohl Gebäude im modernistischen Stil, die von der GSA beaufsichtigt werden, manchmal auf klassische Architektur Bezug nehmen, werden sie in dem Dokument nicht erwähnt. Dies deutet darauf hin, dass nur die deutlichsten Nachahmungen älterer Architektur den Kriterien entsprechen.
Bemerkenswert ist die Willkür des Dekrets sowie sein Fokus auf Schein gegenüber Sein, auf Stil gegenüber Substanz und historischer Genauigkeit. Wer hätte gedacht, dass der Begriff der klassischen Architektur mit ihren von Thomas Jefferson so gepriesenen Vorläufern aus der Antike nun auch Julia Morgans eklektisches Oeuvre einschließen würde? Oder das Werk von Daniel Burnham, der als einer der Erfinder des Chicagoer Wolkenkratzers gilt? Zu den akzeptablen Stilen gehört auch der Art Déco – eine eigenartige Wahl, wenngleich vielleicht reizvoll, wenn man sich vorstellt, dass Regierungsbauten im nüchternen Washington, D.C. der jazzigen Radio City Music Hall in Manhattan ähneln. Aber noch verblüffender ist die Frage, woher Donald Trump den Dekonstruktivismus kennt?
Die wahrscheinlichste Quelle ist Justin Shubow, Gründer der National Civic Art Society (NCAS) im Jahr 2002, der zugibt, dass er „das präsidiale Dekret initiiert hat und an seiner Ausarbeitung beteiligt war“. Vor seiner derzeitigen Rolle als architektonischer Berater der neuen Regierung ernannte Trump ihn zum Vorsitzenden der Commission of Fine Arts, einem siebenköpfigen Gremium, das für die Genehmigung von Gebäuden und
die Stadtplanung in Washington zuständig ist. Nach seinem Wahlsieg im Jahr 2020 hat Joseph Biden Shubow abgesetzt, was vielleicht einen Teil der Feindseligkeit Shubows gegen alle jene erklärt, die er als Mitglieder einer hegemonialen liberal-demokratischen Kulturelite wahrnimmt. Biden machte auch Trumps Anordnung rückgängig, dass Kunst in Staatsgebäuden patriotische Themen vermitteln und die Abstraktion meiden sollte.
Shubow hat weder eine Ausbildung als Architekt noch als Stadtplaner, er kann keine höheren akademischen Abschlüsse oder wissenschaftlichen Veröffentlichungen vorweisen, er wurde nicht in ein politisches Amt gewählt, und er ist derzeit auch kein Beamter. Doch durch seine Nähe zu Trump hat er eine Rolle erlangt, die das Potenzial hat, den architektonischen Auftrag der GSA und die Bundesarchitektur im Ganzen zu schädigen. Das macht ihn zu einer Schlüsselfigur, die man im Blick haben muss.
Seit der Gründung seiner in Washington ansässigen Organisation ist Shubow zum Hauptvertreter einer konservativen Auffassung der gebauten Umwelt geworden, die sich stark auf die Ideen von Roger Scruton stützt. In seinem 1979 erschienenen Buch „The Aesthetics of Architecture“ vertritt der britische Philosoph die Ansicht, dass die klassische Tradition „der perfekte Vertreter all dessen ist, was am Bauwesen gut ist: sein Anstand, seine Gelassenheit und Zurückhaltung“. Architektur könne „als richtig oder falsch beurteilt werden“, und das ästhetische Ermessen, das dies voraussetze und ermögliche, bewahre „ein Ideal der Objektivität und zudem eine Kontinuität mit dem moralischen Leben“. Fairerweise muss man Scruton zugestehen, dass sein Buch dem Modernismus gegenüber großzügiger ist, als es Shubows tendenziöse Vereinnahmung vermuten lässt. Scruton lobt wiederholt Mies van der Rohe (dessen Bundeszentrum in Chicago nach wie vor ein Juwel in der Krone des GSA-Portfolios ist), und obwohl sein Buch sehr eigensinnig ist, ist es nicht so ideologisch geprägt, wie es die Äußerungen Shubows sind.
Durch Kommentare auf seiner Website, öffentliche Auftritte, Interviews und Meinungsbeiträge in führenden Medien ist Shubow zum lautstärks-ten Gegner der modernen Architektur in den Vereinigten Staaten geworden. Er ist auch zum führenden Vertreter der Behauptung geworden, dass die Verfechter der Moderne in den 1950er Jahren eine Vorherrschaft über die Bundesarchitektur erlangten, die bis zu seinem Aufstieg unangefochten war. In der Architekturszene sind seine Ansichten nicht unumstritten. Als das Amerikanische Institut der Architekten (AIA) im Jahr 2020 von dem Entwurf der Leitlinien erfuhr, gab es eine scharfe kritische Stellungnahme ab, und mehr als 11.400 seiner Mitglieder – darunter viele, die die klassische Architektur schätzen und in ihren Entwürfen einbeziehen – unterzeichneten eine Online-Petition, in der sie den Pluralismus verteidigten. Auch Kritiker, Fach- und Publikumszeitschriften schlossen sich ihnen an, ebenso wie der „National Trust for Historic Preservation“. Der vielleicht sichtbarste öffentliche Kommentar war ein Leitartikel der New York Times, veröffentlicht am 7. Februar 2020 unter dem Titel „What‘s so Great about Fake Roman Temples?“.
In einem Interview antwortete Shubow, es sei „ein Angriff auf die zeitgenössische klassische Architektur, zu sagen: ‚Nun ja, die Gründer mussten auf die Vergangenheit zurückgreifen, aber wir müssen heutzutage keine geliehenen Kleider mehr tragen‘. Ich meine, ich würde der Times erwidern: Denken Sie, dass der Oberste Gerichtshof ein gefälschter römischer Tempel ist, oder ist das US- Kapitol selbst eine Fälschung? Denn offensichtlich sind diese Gebäude nicht 2000 Jahre alt.“ Wie aus dem Leitartikel der renommiertesten amerikanischen Tageszeitung eindeutig hervorgeht, richtete sich die Kritik nicht gegen die klassische Architektur an sich, sondern gegen den Versuch, sie auf Kosten des Pluralismus zum offiziellen Stil der Regierung zu etablieren.
In der Tat: Nach der jüngsten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, LGBTQ-Personen rechtlichen Schutz zu verweigern, nach der Begnadigung von 1600 Kapitol-Stürmer vom 6. Januar 2021 – einige von ihnen wurden für Körperverletzungen und Morde schuldig gesprochen – und nach dem andauernden Versuch der Trump-Regierung und der Politiker im Kongress, das soziale Sicherheitsnetz zu dezimieren, könnten immer mehr Amerikaner Shubows rhetorische Fragen wohl bejahen. Dabei stellen sie eine Diskrepanz zwischen dem angeblich demokratischen Charakter der klassischen Architektur und der zunehmend undemokratischen Regierung fest, die sie nun symbolisieren soll. Für einige Bürger mag beides bereits eine Fälschung sein. Während ihre gewählten Vertreter sich immer weiter vom Schutz grundlegender Werte entfernen und die republikanische Agenda auf Steuersenkungen für Milliardäre abzielt, stand die Berufung auf zeitlose ästhetische Werte noch nie auf wackligerem Boden.
Für viele Deutsche sind die Vermächtnisse des Neoklassizismus untrennbar mit der Nazi-Diktatur verbunden. Für viele Amerikaner hingegen erinnern sie nicht nur an Washington, sondern auch an die Zeit vor dem Bürgerkrieg, das sogenannte Antebellum-South, dessen Plantagen, Gemeindebauten und sogar kulturelle Identität in der Konföderationszeit vom Klassizismus geprägt wurden. Diese Architektur (die weitaus komplexer ist, als Shubow zugibt) kann nicht einfach als der bevorzugte Stil von Nazis oder Sklavenhaltern abgetan werden. Die Gleichung „dorische Säule = Freiheit” ist jedoch kaum axiomatisch. Shubows grobe Korrelation von
architektonischer Form mit Politik und philosophischen Systemen würde nicht einmal in einer Studentenarbeit im Einführungskurs Architektur überzeugen. Im Kern geht es um die Freiheit des Ausdrucks und die Ablehnung stilistischer Vorgaben und Zwänge.
Von Nazideutschland über das faschistische Italien bis hin zur stalinistischen Sowjetunion – jedes autoritäre Regime, das den architektonischen Pluralismus aufgab, büßte gleichzeitig auch die demokratischen Institutionen ein und endete im Terror. Dies zu bagatellisieren, deutet auf eine erschreckende Verblendung gegenüber der realen – im Gegensatz zur illusorischen – Geschichte hin.
Obwohl das Dekret die Öffentlichkeit angeblich zu Anregungen für die Gebäudegestaltung auffordert, „die die Art von Menschen ansprechen sollen, die wir sein wollen“, verbietet es den Einbezug von „Künstlern, Architekten, Ingenieuren, Kunst- oder Architekturkritikern, Dozenten oder Professoren für Kunst oder Architektur sowie von Mitgliedern der Bauindustrie oder von Interessengruppen, Handelsverbänden oder anderen
Organisationen, deren Mitglieder finanziell von Entscheidungen über den Entwurf, den Bau oder die Renovierung öffentlicher Gebäude betroffen sind.“ Wie viele Beamte in der Trump-Regierung, die die Wissenschaft leugnen, steht Shubow dem Fachwissen misstrauisch gegenüber.
Anscheinend halten „die Menschen, die wir sein wollen“, Inklusion, Meinungsfreiheit und offene Debatte, auf denen jede demokratische Gesellschaft beruht, für überflüssig. Legitime Meinungsverschiedenheiten über die jeweiligen ästhetischen Vorzüge der Moderne oder des Klassizismus korrelieren natürlich nicht mit bestimmten politischen Überzeugungen. Doch ist keine Diskussion möglich, wenn – wie bei vielen von Republikanern organisierten Bürgerversammlungen – die Sitzungen geschlossen sind und Andersdenkenden der Zutritt verwehrt wird. Nichts, was auch nur annähernd damit vergleichbar wäre, gab es in der Vergangenheit, als liberale Eliten angeblich die Gestaltung von Bundesgebäuden beeinflussten und ihr eine modernistische Orthodoxie auferlegten.
Trumps Dekret kam spät in seiner Amtszeit, und nur wenige Bauwerke, die während seiner ersten Amtszeit errichtet wurden, spiegeln eine zen-tral auferlegte Hinwendung zum Klassizismus wider. Eine Ausnahme ist das erneuerte Tennisgebäude auf dem Rasen des Weißen Hauses, das Melania Trump (ohne Nennung eines Architekten) verantwortete und das im Dezember 2020 während der Pandemie enthüllt wurde.
Am 20. Januar 2025 erließ Trump ein zweites Dekret, das den Inhalt des von ihm im Jahr 2020 unterzeichneten Vorgängerdokuments wieder aufgreift, jedoch wesentlich kürzer ist. Anfang Mai waren die Leitlinien, die er innerhalb von sechzig Tagen von der GSA angefordert hatte, noch nicht veröffentlicht. Obwohl sich bisher erstaunlich wenige Architekten gegen diesen zweiten Versuch, ein einheitliches Stilregime durchzusetzen, ausgesprochen haben, hat die AIA erneut protestiert – diesmal mit dem Hinweis auf die für die Verwaltung so wichtigen Kosteneinsparungen. In einem Schreiben an die GSA vom 2. März führte Direktor Steven T. Ayers aus: „Festgeschriebene Stilvorgaben hemmen die Innovation, schränken die architektonische Vielfalt ein und missachten die einzigartigen kulturellen und historischen Gegebenheiten der lokalen Gemeinden. Darüber hinaus erfordert die klassische Architektur, die zwar ein bedeutender Bestandteil des architektonischen Erbes unserer Nation ist, oft teure Materialien, längere Bauzeiten und höhere Instandhaltungskosten – Belastungen, die letztlich der Steuerzahler zu tragen hat.“
Trumps Fixierung auf den Sitz des FBI, das brutalistische J.-Edgar-Hoover-Gebäude (C.F. Murphy Associates, 1975), lässt vermuten, dass es eines der ersten Hauptquartiere der Washingtoner Amtshäuser sein könnte, dessen Umbau von seiner jüngsten Anordnung beeinflusst werden wird. Die Symbolkraft, einen neuen Hauptsitz für die nationale Strafverfolgungsbehörde zu gestalten, der mit seinen frisch aufgesetzten Richt-linien im Einklang ist, könnte sich als zu große Versuchung erweisen. Dass zwei Architekten, die für ihre brutalistische Architektur gefeiert wurden, Marcel Breuer und Pietro Belluschi, auch europäische Einwanderer waren, könnte Zufall sein. Es könnte aber auch auf die Fremdenfeindlichkeit der selbsternannten Hüter der bürgerlichen architektonischen Reinheit à la Trump hinweisen. Möglicherweise finden sie Architekten, die mit Brutalismus assoziiert werden, nicht ausreichend amerikanisch.
In einem Meinungsartikel vom 12. März 2025 in „The Washington Post“ befürworten Shubow und Victoria Coates, Vizepräsidentin der Heritage Foundation , den Abriss des James-V.-Forestall-Gebäudes (Curtis & Davis, 1969). Die Heritage Foundation ist heute vor allem für ihre Handhabung im Project 2025 bekannt, das als Leitfaden für die zweite Amtszeit Trumps dienen sollte. Aktuell ist das Energieministerium im Forestall-Gebäude untergebracht. Es soll nun so umstrukturiert werden, dass es die Gewinnung fossiler Brennstoffe fördert – Solar- und Windenergie bleiben unerwähnt. So soll der Behörde dabei geholfen werden, zur „Technologie- und Ressourcenbranche des aufkeimenden neuen kalten Krieges zwischen China und den Vereinigten Staaten“ zu werden. Damit zeigen Shubow und Coates ihrewahren Gesichter, und die Kritik am Brutalismus entpuppt sich als trojanisches Pferd für ein Schlüsselelement der tatsächlichen republikanischen Agenda: die Leugnung des Klimawandels.
Bisher wurde noch kein Entwurf eines Regierungsgebäudes veröffentlicht, der auf Trumps Dekret zurückgeht – mit einer wichtigen Ausnahme. Der Abriss der Pennsylvania Station im Jahr 1963 – das 1910 erbaute Meisterwerk von McKim, Mead & White und der wichtigste Bahnhof in New York City – ist immer noch eine offene Wunde. Moynihan bezeichnete ihn als „den größten Akt des Vandalismus in der Geschichte New Yorks“. Sechs Jahrzehnte später ist der Bahnhof nach wie vor das Bermuda-Dreieck der amerikanischen Stadtsanierung, in dem zahllose Entwürfe verschwunden sind. Streitigkeiten zwischen Grundstückseigentümern, Bauunternehmern und Regierungsbehörden haben die Verbesserung dieses oft als Rattenlabyrinth charakterisierten Transportzentrums zum Stillstand gebracht. Die neueste Person, die sich ins Getümmel stürzt, ist Trump. Am 17. April entriss er der New Yorker Metropolitan Transit Authority die Kontrolle über die Penn Station und ihre Zukunft mit der Begründung, die nationale Eisenbahnlinie Amtrak sei Eigentum des Bundes. Hinter dieser Entscheidung steckt die Feindseligkeit zwischen seiner Regierung und der Stadt New York, die sich am deutlichsten in den laufenden Bemühungen des Bundesverkehrsministers Sean Duffy zeigt. Dieser will die Staugebühren abschaffen, die zur Reduzierung des Autoverkehrs in Lower Manhattan geführt haben. Als die Gouverneurin von New York, Kathy Hochul, von Trumps Ankündigung und dem Beitrag der US-Regierung in Höhe von sieben Milliarden Dollar erfuhr, kündigte sie an, dass der Bundesstaat seine zuvor angekündigte Bereitstellung von 1,3 Milliarden Dollar zurückziehen werde.
Inmitten dieser Kontroverse hat der mit dem gemeinnützigen Gemeindeverband „Grand Penn Community Alliance” zusammenarbeitende Architekt Alexandros Washburn Renderings für ein neues Gebäude in Umlauf gebracht. Sein Entwurf wurde vom Originalgebäude „inspiriert“ und umfasst einen an einen Park angebauten Lokschuppen sowie eine Kolonnade mit dorischen Säulen an der 7th Avenue. Es ist illusorisch zu glauben, dass ein solch monumentales städtisches Bauwerk und komplexes Stück Infrastruktur nach seinem ursprünglichen Bild rekonstruiert werden könnte oder sollte, ohne es grundlegend neu zu konzipieren, um den heutigen Technologien, ästhetischen Vorstellungen und sozialen Bestrebungen gerecht zu werden. Es bedeutet, einer Illusion zu verfallen, die unweigerlich zu Betrug und architektonischer Mittelmäßigkeit führt.
Shubow ist ein früher Verfechter von Washburns Entwurf und veröffentlichte seine Laudatio auf der Website von Thomas Klingenstein. Dieser ist Hedgefonds-Manager, Unterstützer von Shubows Organisation und Vorstandsmitglied der konservativen Denkfabrik „Claremont Institute“. Es ist beunruhigend, dass ein Bauwerk von erheblicher historischer und städtebaulicher Bedeutung von Privatpersonen befürwortet wird, die sich gegen die freie Meinungsäußerung stellen. Noch alarmierender ist jedoch Shubows Vorschlag, den Bau der Penn Station zu beschleunigen – nach dem Vorbild von Trumps Projekt „Operation Warpgeschwindigkeit“ zur Entwicklung des Impfstoffs gegen das Coronavirus. Die ursprüngliche Penn Station wurde durch die Thermen von Caracalla inspiriert. Die architektonischen Vorlieben von Shubow, Washburn und Klingenstein verdienen es nicht, im selben Atemzug mit McKim, Mead & White erwähnt zu werden. Und nach dem Schaden, den das DOGE-Durcheinander und die Versuche, Bundesbehörden in Windeseile zu demontieren, angerichtet haben, ist die Absicht, die Penn Station auf ähnliche Weise nachzubauen, ein grausamer Witz.
Shubow wurde kürzlich von Trump als möglicher Kandidat für die Leitung der Nationalen Stiftung für Geisteswissenschaften (NEH) genannt, die seit langem für ihre Unterstützung einzelner Wissenschaftler und regionaler Geschichtsvereine bekannt ist. Für die Finanzierung des von Trump vorgeschlagenen „National Garden of American Heroes“ – eine Wahnvorstellung wie Arno Breker in Disneyland – hat die NEH kürzlich dreißig Mil-
lionen Dollar aus ihrem deutlich gekürzten Budget zur Verfügung gestellt. Der Garten soll an den 250. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung er-innern und vier Monate vor den Zwischenwahlen eröffnet werden, die das Ende der republikanischen Mehrheit im US-Kongress bedeuten könnten. Ein durchaus cleverer Zeitpunkt. Dass die Skulpturen im klassischen Stil gestaltet sein werden, ist eine Selbstverständlichkeit. Ebenso gewiss ist, dass keine Brutalisten oder Dekonstruktivisten in der Jury des Wettbewerbs sitzen werden.
Was steht letztlich bei Shubows Projekt auf dem Spiel, wenn er die Regierungsarchitektur vom Modernismus befreien will? In seinen zahlreichen Texten erwähnt Shubow kaum das Programm, die Funktion und die Innengestaltung von Gebäuden, was darauf hindeutet, dass er ein „facadista“ ist, der sich vor allem mit dem äußeren Erscheinungsbild befasst. Interessanterweise scheint Shubow – abgesehen davon, dass er darauf besteht, dass Washington ein Museumsstück bleibt – die städtische Form gleichgültig zu sein. Dies lässt darauf schließen, dass er glaubt, einzelne Gebäu-de führten zur Stadtverbesserung. Auch finanzielle Vorteile können seinen Kreuzzug nicht erklären. Obwohl er anmerkt, dass ein Gerichtsgebäude leicht Hunderte von Millionen Dollar kosten kann, werden nur wenige Firmen von bürgerlichen Architekturaufträgen profitieren. Im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft verblassen ihre Einnahmen neben denen selbst kleiner Tech-Unternehmen, ganz zu schweigen von Giganten wie Meta oder Google. Es ist unwahrscheinlich, dass die ausführenden Architekten für republikanische Anliegen von Nutzen sind – anders als die Anwaltskanz-leien, denen Trump Zeit und Ressourcen abverlangt hat.
Der Trump-Vertraute Steve Bannon hat festgestellt, dass „die Politik der Kultur untergeordnet ist“, und zugleich deutlich gemacht, dass er die heute in den Vereinigten Staaten tobenden Kriege um Identität und kreativen Ausdruck, die sich vermutlich schon bald auf die nationale Architek-tur auswirken werden, als mehr als hohle symbolische Scharmützel versteht. Die Bestimmung, wer oder was amerikanisch ist, ist ein riskantes Unterfangen. Es steht jedoch in radikalem Widerspruch zu den Errungenschaften der Architektur, die in der Regel mit dem Austausch von Menschen, Ideen und Technologien über nationale Grenzen hinweg einhergehen. Die internationale Perspektive, die solche Austausche voraussetzen, ist weit entfernt vom monolithischen Klassizismus, der von oben verkündet und von ideologisch bereinigten, von professionellem Fachwissen isolierten Kreisen bestätigt wird, für den Shubow und seine Mitarbeiter eintreten.
Konservative Juristen und Rechtsexperten – insbesondere die Mitglieder der Federalist Society („Gesellschaft der Föderalisten“), die eine Blaupause für viele politische Maßnahmen der derzeitigen Regierung geliefert hat – vertreten heute die Doktrin des „Originalismus“. Demnach sind Gesetze so auszulegen, wie die Verfassung zum Zeitpunkt ihrer Ratifizierung im Jahr 1788 verstanden worden wäre. Die Tatsache, dass die Verfassung selbst den Originalismus nie erwähnt und die Idee selbst eine spätere Auslegung ist, die nicht durch ihren Wortlaut gestützt wird, ist ein Paradoxon, das gerne unter den Teppich gekehrt wird. Ein ähnlicher Taschenspielertrick geschieht, wenn Shubow die von George Washington oder Thomas Jefferson bevorzugten Architekturstile als die authentischsten amerikanischen verkündet.
In seinem epochalen Buch „The American Scene“ aus dem Jahr 1907 erkannte Henry James die Sackgasse, in der sich die amerikanische Identität befindet, wenn sie in einer bestimmten Zeit erstarrt. Er betrachtete das Land, in das er vor kurzem aus Europa zurückgekehrt war, nicht als „eine allseits positive Erfahrung“, sondern vielmehr als ein „Wachstum von unermesslichem Übermaß“, als die „bloße, dräuende Masse des Mehr, des Mehr und des Nochmehr“. So zu tun, als sei die amerikanische Identität kein ständiger Entwicklungsprozess, sondern ein fertiges Produkt, das in beruhigenden Bildern festgehalten werden kann, bedeutet, die Augen vor ihrer Vielschichtigkeit zu verschließen und sich von einer komplexen Geschichte und den gegenwärtigen Herausforderungen abzukoppeln.
Der Historiker Timothy Snyder argumentiert, dass der Autoritarismus Ideen legitimiert, die früher nicht öffentlich geäußert werden durften, und ihre Gegner dazu bringt, sich prophylaktisch selbst zu zensieren und zu schweigen. Was heute als Mandat für die Gestaltung von öffentlichen Gebäuden beginnt, könnte sich leicht auf private Aufträge ausweiten. Architekten, die nicht im offiziellen Stil entwerfen, könnten womöglich als Paria angesehen oder boykottiert werden. Wenn der offizielle Stil für Bundesbehörden gut genug ist, kann er auch für andere Auftraggeber gut genug sein. Warum sollten sich Politiker in Arkansas oder Texas nicht ermutigt fühlen, Gesetze zu erlassen, die moderne und zeitgenössische Architektur in ihren Gemeinden und Staaten verbieten? Und auch wenn Shubow behauptet, dass Trumps Richtlinien Architekten nicht davon abhalten werden, in anderen Kontexten mit modernistischen Formen zu arbeiten, klingt eine solche Behauptung in der heutigen amerikanischen Gesellschaft, in der die Grenzen zwischen öffentlich und privat zunehmend verschwimmen und Richtlinien immer mehr zu Anforderungen werden, einfach hohl. Die laufenden Bemühungen der Trump-Regierung, das wissenschaftliche Verständnis von Medizin und Klimawandel in Frage zu stel-len, die Universitäten zu kontrollieren, die amerikanische Geschichte umzuschreiben, als anstößig erachtete Bücher aus den öffentlichen Bibliotheksregalen zu entfernen, die Lehrpläne der Grundschulen zu diktieren, die Kunst- und Geisteswissenschaften zu streichen und die Kulturpolitik in Museen und Einrichtungen der darstellenden Künste zu bestimmen, bieten keinerlei Anlass für Architekten, optimistisch zu sein und zu dem Schluss zu kommen, dass sie davon ausgenommen sein werden und weiterhin ungehindert arbeiten können.
Drei Szenarien für die künftige Entwicklung
Die Geschichte des 20. Jahrhunderts zeigt, dass Trends in den Vereinigten Staaten oft über die Landesgrenzen hinausreichen. Sollte sich die Shubow-Trump-Agenda durchsetzen, könnten Regierungen anderer Nationen durchaus dazu animiert werden, dem amerikanischen Beispiel zu folgen und die Kontrolle über die öffentliche Architektur in ihren Ländern an sich zu reißen. Die Architekturschaffenden in den USA benötigen daher dringend die Unterstützung der internationalen Architektengemeinschaft. Ein Bekenntnis zu den Grundsätzen der Meinungsfreiheit liegt im Interesse all jener, die sich für ein Leben in einer offenen Gesellschaft einsetzen. Der Isolationismus der Trump-Regierung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Krise in den USA für Architektinnen auf der ganzen Welt von großer Bedeutung ist.
Da Kürzungen im Bundeshaushalt und Sparmaßnahmen zu den Schwerpunkten von Trumps Agenda gehören, ist eine Flut neuer Regierungsgebäude in naher Zukunft eher unwahrscheinlich. Abgesehen von dringenden Projekten und symbolträchtigen Aufträgen wird seine Regierung während der zweiten Amtszeit wahrscheinlich wenig bauen. Ist Trumps Interesse, die moderne Architektur anzugreifen, also nur ein Entgegenkommen gegenüber den Kulturkonservativen, oder deutet es auf einen echten Wandel der Prinzipien hin, der kurz vor der Umsetzung steht? Im Moment ist es noch zu früh, das zu beurteilen. In einem politischen Umfeld, das sich von Tag zu Tag ändert, ist es nicht ratsam, die Zukunft vorherzusagen. Dennoch scheinen drei Szenarien (oder Variationen davon) wahrscheinlich.
Im ersten Fall würden Unordnung, zunehmender Personalmangel und Inkompetenz in der GSA in Verbindung mit Value-Engineering das Shubow-Trump-Programm zunichtemachen und dazu führen, dass kaum etwas gebaut wird. Letztlich würden sich Shubows und Trumps hetzerische Ideen als Vorwand erweisen, um von anderen Punkten auf der politischen Agenda der Republikaner abzulenken. Wie so vieles in der Trump-Regierung könnte sich auch seine Architekturpolitik eher als Bluff und Schikane denn als tatsächliche Substanz erweisen. Ein zweites mögliches Ergebnis wäre ein bescheidener Erfolg sowie das Aufkommen griechischer Tempel und fader, klassizistischer Gebäude, die sich über das ganze Land verteilen. Einige Projekte, die sich an die neuen Leitlinien halten, könnten sogar lobenswert sein. Klagen von Architekten und Gemeinden könnten vor Gericht ausgefochten werden und denjenigen, die sich für einen anderen Ansatz entscheiden, gelegentlich einen Sieg einbringen. Doch die grundlegende Basis wird sich verändert haben.
Das dritte und am meisten dystopische Szenario wäre eine Gleichschaltung, die zur Kontrolle und Homogenisierung aller Architektur führt – auch von Gebäuden, die nicht von der Regierung beauftragt wurden. Lokale Planungskommissionen könnten Vorschriften erlassen, die Konformität vorschreiben, oder Architekten mit zeitraubenden Überarbeitungen ihrer Pläne in die Knie zwingen. Nach dem Vorbild amerikanischer Wirtschaftsfüh-rer, die nur selten Kritik an der Regierung üben, würden Bauträger und institutionelle Kunden schweigen und sich auf Entwürfe konzentrieren, die voraussichtlich keine Kontroversen hervorrufen. Architekten würden ihre Fantasie zügeln und sich darauf konzentrieren, solche Projekte zu realisieren. Und eines Tages könnte die zeitgenössische Architektur der Vereinigten Staaten fade und formelhaft geworden sein. Die schlimmste Version dieser Realität würde bedeuten, dass Architekten, Werke als unpatriotisch gelten, zum Schweigen gebracht werden. Das würde mit denjenigen beginnen, die sich für Vielfalt einsetzen und selbst nicht gebürtig amerikanisch, weiß, männlich, heterosexuell und christlich sind.
Am Höhepunkt des Algerienkriegs im Jahr 1960 weigerte sich Charles de Gaulle, den berühmtesten Philosophen seines Landes strafrechtlich zu verfolgen, obwohl er sich im erbitterten ideologischen Kampf mit seinem intellektuellen Gegner befand. „Man verhaftet Voltaire nicht. Selbst Jean-Paul Sartre ist Frankreich“, erklärte er. Architekten, die heute in den Vereinigten Staaten in einer Vielzahl von Stilen arbeiten, mögen hoffen, auf ähnlich großzügige Gegner zu stoßen. Wenn dem nicht so ist und sie eines Tages als Fremdkörper innerhalb der nationalen Architekturtradition betrachtet und entsprechend behandelt werden, werden die Folgen für die Architektur und die Demokratie in den Vereinigten Staaten und anderswo erschreckend sein. Für diejenigen, die in Bereichen leben oder arbeiten, diebisher von Trumps Zorn und seinem Machtstreben unberührt geblieben sind, gibt es eine unausweichliche Schlussfolgerung, die sie auf eigene Gefahr ignorieren. Sie findet sich im Titel des dystopischen Romans von Sinclair Lewis aus dem Jahr 1935: It Can Happen Here.
Übersetzung aus dem Englischen: Krysta Brown-Ippach

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