Bauwelt

Je teurer der Stall, desto mehr Milch muss die Kuh geben

Konrad Knoll berät Landwirte im Allgäu beim Bau ihrer Kuhställe. Regelmäßig empfiehlt er ihnen, statt einer Stallbau­firma ein Architekturbüro zu engagieren. Seine Argumente: Funktionalität, Halt­barkeit, Gestaltung – und das Ansehen der Landwirtschaft

Text: Crone, Benedikt, Berlin

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    Konrad Knoll studierte Architektur in München und Augsburg. Beim Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten in Kaufbeuren bietet er Bauberatungen im Bereich der Rinder- und Milchviehhaltung an und organisiert Seminare und Vorträge.
    Foto: Anja Bach

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    Konrad Knoll studierte Architektur in München und Augsburg. Beim Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten in Kaufbeuren bietet er Bauberatungen im Bereich der Rinder- und Milchviehhaltung an und organisiert Seminare und Vorträge.

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    Viel Platz, eine gute Luft­zirkulation und eine umlaufende Verkleidung aus Fichtenholz: Laufstall von Stähelin Partner für den Hof Wildenstein in der Schweiz.
    Foto: Thomas Jantscher

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    Viel Platz, eine gute Luft­zirkulation und eine umlaufende Verkleidung aus Fichtenholz: Laufstall von Stähelin Partner für den Hof Wildenstein in der Schweiz.

    Foto: Thomas Jantscher

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    Im Allgäu: Landwirt Kobold erweiterte seinen Stall um einen Anbau mit Pultdach, der sich nach Süden öff­net. Damit erreicht die Sonne die Kühe auch im Winter, trotz Hanglage.
    Foto: Konrad Knoll

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    Im Allgäu: Landwirt Kobold erweiterte seinen Stall um einen Anbau mit Pultdach, der sich nach Süden öff­net. Damit erreicht die Sonne die Kühe auch im Winter, trotz Hanglage.

    Foto: Konrad Knoll

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    Der Futtertsich bei dem von Junker+Partner entworfenen Stall des Hofs Schindele liegt außen, wodurch die Kühe an frischer Luft fressen können und der Bau kleiner und günstiger ausfiel. Der Grundriss verschafft den Tieren Ausweichmöglichkeiten, Rangkämpfe werden reduziert.
    Foto: Benedikt Crone

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    Der Futtertsich bei dem von Junker+Partner entworfenen Stall des Hofs Schindele liegt außen, wodurch die Kühe an frischer Luft fressen können und der Bau kleiner und günstiger ausfiel. Der Grundriss verschafft den Tieren Ausweichmöglichkeiten, Rangkämpfe werden reduziert.

    Foto: Benedikt Crone

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    Ein gern genanntes Beispiel für geglückte Stallarchitektur: der von Localarchitecture für 30 Kühe entworfene Laufstall mit Heuboden in Lignères, Schweiz.
    Foto: Milo Keller

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    Ein gern genanntes Beispiel für geglückte Stallarchitektur: der von Localarchitecture für 30 Kühe entworfene Laufstall mit Heuboden in Lignères, Schweiz.

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Je teurer der Stall, desto mehr Milch muss die Kuh geben

Konrad Knoll berät Landwirte im Allgäu beim Bau ihrer Kuhställe. Regelmäßig empfiehlt er ihnen, statt einer Stallbau­firma ein Architekturbüro zu engagieren. Seine Argumente: Funktionalität, Halt­barkeit, Gestaltung – und das Ansehen der Landwirtschaft

Text: Crone, Benedikt, Berlin

Herr Knoll, welches Zuhause würde sich eine Kuh wählen, hätte sie die Freiheit?
Weiden und Wiesen sind der beste Stall der Kuh. Dort lebt ein Rind während der warmen Jahreszeiten ohne Probleme und findet den nötigen Sonnen- und Regenschutz unter Bäumen. Im Freien kann es grasen, wandern und steht nicht im eigenen Kot. Ein typisches Stallproblem. Es hat stattdessen immer saubere Klauen und einen weichen, meist trockenen Boden, auf dem es liegen kann.
Warum gönnen wir der Kuh nicht mehr von dieser Umgebung?
Einige Landwirte versuchen das zwar, aber im Winterhalbjahr muss sie weiterhin im Stall gefüttert werden. Davon abgesehen ist die Kuh der heutigen Landwirtschaft angewiesen auf zusätzlich bereitgestellte Nahrung, denn viele der Tiere geben über 10.000 Liter im Jahr. Und für Milchleistungen über 6000 Liter reichen Gras, Heu und Silo nicht aus, um den Eiweiß- und Energiebedarf zu stillen. Je mehr Milch eine Kuh liefert, desto mehr Kraftfutter muss sie fressen. Desto empfindlicher reagiert sie aber auch auf hohe Temperaturen: Sie hat Stress. Sonnenschutz und ausreichend Nahrung gibt es im Stall.
Was ließe sich zur Steigerung des Tierwohls tun – neben viel Auslauf. Mehr Fläche im Stall?
Auch hier gibt es ein wirtschaftliches Dilemma: Wird der Stall größer und bietet den Kühen mehr Platz, wird er teurer. Betriebswirtschaftlich gesehen muss dann die Kuh diese Kosten wieder ausgleichen, indem sie mehr Milch zu geben hat. Das bedeutet wieder Stress und nivelliert den gewonnenen Komfort. Das wäre so, als würde Ihr Chef Ihnen ein schönes Büro einrichten, mit neuem Stuhl, Tisch und Computer – und dann müssen Sie dort aber auch bis in die Nacht arbeiten.
Ich lehne dankend ab.
Das würde manche Kuh wohl auch. Interessanterweise gibt es auch Kühe, die in einem Anbindestall untergebracht sind und dort sehr alt werden, obwohl sie wenig Bewegungsfreiheit haben.
Ist der Anbindestall nicht eine völlig veraltete Haltung – entsprechend dem Horrorbild eines dunklen Stalls mit festgeketteten Tieren?
So ist das Bild, aber es stimmt nicht. Ein Anbinde­stall kann mit wenig Geld optimiert und hell und luftig werden wie ein Laufstall. Im Laufstall stehen der Kuh heute zwar zwischen 8 und 15 Quadratmeter zum Liegen und Laufen zur Verfügung – dreimal so viel wie im Anbindestall – doch die Laufflächen sind trotz aller Bemühungen von Rillen, Spalten und Schiebern rutschig und schmutzig. Gleichzeitig versiegeln die Laufställe mehr Fläche, und es treten mehr schädliche Gase frei.
Das größte Problem aber bleibt: Den teuren, großen Laufstall muss die Kuh mit mehr Milch ausgleichen. Durch diesen Stress und andere Faktoren lebt sie im Schnitt nur vier, vielleicht fünf Jahre. Die ältesten Kühe habe ich bisher im Anbindestall gesehen: 20 Jahre alt, gesund, 5000 Liter Milch im Jahr. Noch vor der Art des Stalls sind jedoch ein aufmerksamer Tierhalter und die Fütterung entscheidend für das Tierwohl.
Landwirte kommen zu Ihnen, wenn Sie architektonische Beratung für einen Stallbau suchen. Wie reagieren diese, wenn Sie von der klas­sischen Ausführung einer Stallbaufirma abraten?
Die Landwirte hören gerne eine Beratung zu den Funktionen des Stalls und den Vorgaben zum Tierwohl. Wenn ich aber die Gestaltung anspreche, wird mir oft entgegnet: Es ist doch nur ein Zweckbau. Das ist für mich kein Argument. Schließlich sollte jeder Bau einen Zweck haben, warum sollte man ihn sonst bauen? Verbreitet ist auch die Meinung: Erst wenn der Bau nach einem Industrieprodukt aussieht, ist er gelungen, denn dann muss er ja billig gewesen sein. Auch das ist ein Irrtum.
Wiederholen sich die Diskussionen, die Sie mit Landwirten führen?
Ja, durchaus. Ich versuche zumindest bei der Materialwahl ein Ziegeldach und eine Holzverkleidung zu erreichen. Mit ausgefallenerer Architektur wird es schwer. Damit fühlen sich viele Bauherrn und die ausführenden Firmen überfordert. Das finde ich sehr schade, denn gerade beim Blick nach Vorarlberg oder in die Schweiz sehen wir, dass es auch anders geht. Vor allem beim Dach wollen Landwirte häufig zu dem angeblich billigeren Sandwichblech greifen.
Ist das nicht auch eine ehrliche Hülle für die Massentierhaltung: eine blecherne Lager­halle?
Im Allgäu haben wir Ställe von im Schnitt 50 Kühen. Das sind keine großen Betriebe. Durch Material und Gestaltung aber wirken die Gebäude oft wie Fabrikhallen. Davon abgesehen, dass darin Tiere leben, gibt es einen wichtigen Unterschied zum üblichen Gewerbebau. Die Landwirtschaft darf als einzige Branche weit in die Landschaft hinaussiedeln, auch wenn es dort keinen Bebauungs- oder Flächennutzungsplan gibt. Umso größer sehe ich die Verantwortung, die mit landwirtschaftlichen Bauprojekten einhergeht. Schließlich färbt deren Erscheinung auch auf das Image der Landwirtschaft und des ländlichen Raums ab.
Ziehen diese Argumente bei Landwirten, die zuerst betriebswirtschaftlich denken?
Manchen Landwirten sind auch Schönheit und Gestaltung ein wichtiger Punkt. Meine stärksten Argumente für die Verwendung natürlicher Materialien aber sind Haltbarkeit, geringere Entsorgungskosten und das Stallklima. Die Durchlüftung ist für das Tierwohl enorm wichtig und kann mit an Grundstück und Lage angepassten Gebäuden besser gelöst werden als mit den Hallen einer Stallbaufirma. Diese werden fast nur als Satteldach mit einer Dachneigung von 18 bis 20 Grad geliefert. Meiner Erfahrung nach sorgen flache Dächer für eine genauso gute oder sogar bessere Durchlüftung.
Die Stallsystemanbieter liefern doch sicherlich auch gute Gebäude: günstig, mit durchdachten Grundrissen, technisch auf neustem Stand.
Der Landwirt kann ohne Stallbaufirma auch günstiger wegkommen. Selbst bei den Grundrissen machen erfahrene Firmen immer wieder Fehler. Was zum Beispiel gerne passiert: Die Kälber werden auf der Nordseite untergebracht, wo es im Winter zu kalt wird. Oder die Südseite wird völlig verbaut, sodass dort keine Wintersonne einfallen und den Stall wärmen kann. Die Ironie ist doch: Es sind alle der Meinung, dass die älteren Landwirtschaftsgebäude keine Beeinträchtigung der Landschaft darstellen, sondern sie sogar bereichern. Empfehle ich eine solch traditionelle Materialwahl, werde ich schief angesehen, da Holz und Ziegel als unmodern und unwirtschaftlich verstanden werden. Bei Haltern anderer Tiere wie Hühnern oder Schweinen ist diese Denke besonders stark verbreitet.
Schlägt sich ein höherer Komfort in der Milchproduktion nieder?
Ja. Je besser es der Kuh geht, desto mehr Milch gibt sie. Natürlich fallen Futterqualität, Futtermasse und Durchlüftung am meisten ins Gewicht. Aber auch eine bequeme Liegefläche fördert die Milcherzeugung, denn liegend produziert eine Kuh Milch. Wirkt ein Boden zu hart oder die Box zu eng, legt eine Kuh sich nicht hin. Auch ist es nicht gut für die Klauen der Tiere, lange auf hartem Beton zu stehen – oder im eigenen Kot.
Welcher Untergrund ist denn für eine Kuh angenehm?
Verbreitet sind zwei Varianten: Die Tiefbox mit Einstreu aus Kalk und Stroh oder Mist und Stroh, die auf einem Betonboden aufgebaut wird und immer wieder neu eingestreut werden muss. Oder, ebenfalls auf Betonboden, eine weiche Gummimatte mit Noppen oder Lamellen.
Hat sich bei den Grundrissen in den letzten Jahren etwas getan?
Das vorherrschende Prinzip des Laufstalls ist gleichgeblieben. Aber die Maße sind größer geworden, der Laufweg breiter, die Boxen größer, auch Sonderbereiche zum Abkalben oder zur Klauenpflege bekommen mehr Raum. Der Futtertisch wird vereinzelt auch mal nach außen ver­lagert wie beim Hof Schindele. Dann kann der Bauer das Futter im Vorbeifahren abliefern; die Kühe können ihre Köpfe hinaus­strecken und sich an frischer Luft dem Fressen widmen. Einige Landwirte begrünen außerdem ihre Dächer, was gut gegen Hitze und für das Stallklima ist.
Stallbau scheint unter Architekten als Arbeitsfeld nicht sonderlich verbreitet. Warum?
Landwirte und Architekten haben vermutlich beide Vorurteile und Berührungsängste. Dadurch kommen Architekten nicht in die Materie, und die Bauern erhalten keine positive Erfahrung. Als Architekt oder unabhängiger Planer können Sie mit den Angeboten der Stallbaufirmen auch nicht mithalten. Die Stallbaufirmen fertigen die Pläne für 1000 bis 2500 Euro an – bei Gebäuden, die auch mal 400.000 Euro kosten. Bei dem Preis ist dann allerdings auch klar, dass es bei der Gestaltung und Bauausführung an Qualität mangeln wird.
Anders läuft es zum Beispiel im Bregenzer Wald. Dort wird die Planung von Architekten gemacht, und die Bauleistungen werden ausgeschrieben. Damit erhält der Landwirt Kostensicherheit, der Handwerker einen Detailplan, dank dem er ein angemessenes Angebot unter­breiten kann, weil die Leistung klar definiert ist. Bei uns in der Region wird dagegen alles genehmigt und gefördert: Die hässlichen Ställe aus problematischen und umweltschädlichen Materialien genauso wie die schönen aus natürlichem Holz.
Ein neues Fördersystem könnten Sie doch ebenso in Ihrer Region im Allgäu aufbauen?
Das könnte ich, mit entsprechenden Mitteln. Es müsste sich dafür aber bei der Wertschätzung des Bauens im ländlichen Raum einiges ändern. Angefangen bei der Politik.

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