Bauwelt

Ausstellungshaus C/O in Berlin


Vom Postfuhramt in Mitte ins Amerika Haus in der City West: Das Ausstellungshaus für Fotografie C/O Berlin ist umgezogen. Seine neue Adresse liegt am Bahnhof Zoo. Für das filigrane Gebäude aus den späten fünfziger Jahren haben das Büro Meyer Voggenreiter und Wolfgang Zeh ein neues räumliches Konzept entwickelt und es zusammen mit Kahlfeldt Architekten umgebaut


Text: Klingbeil, Kirsten, Berlin


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    Das C/O mietet für die nächsten einundzwanzig Jahre einen Teil des Amerika Hauses von der Berliner Immobilienmanagement GmbH

    Foto: David von Becker

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    Das C/O mietet für die nächsten einundzwanzig Jahre einen Teil des Amerika Hauses von der Berliner Immobilienmanagement GmbH

    Foto: David von Becker

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    An der Glasfassade liegen Café, Buchladen und Büros, dahinter erst kommen die neuen großen Ausstellungsräume
    Foto: David von Becker

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    An der Glasfassade liegen Café, Buchladen und Büros, dahinter erst kommen die neuen großen Ausstellungsräume

    Foto: David von Becker

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    Foto: David von Becker

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    Das Café wird von den Skulpturen des Künstlers Michail Pirgelis geprägt
    Foto: David von Becker

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    Das Café wird von den Skulpturen des Künstlers Michail Pirgelis geprägt

    Foto: David von Becker

Das Bikinihaus, das Hotel 25hours, das Hochhaus Zoofenster mit dem Hotel Waldorf Astoria, der sanierte Zoo-Palast – sie alle zeugen vom Wandel in der Berliner City-West. Die neuen Entwicklungen auf der „Eingangsseite“ des Bahnhofs Zoologischer Garten veröffentlichte die Bauwelt vor knapp einem Jahr unter dem Titel „Wilder Westen“ (Heft 16.2014). Ende Oktober 2014 ist es noch ein bisschen wilder geworden. Auf der Westseite des Bahnhofs hat ein bislang im Bezirk Mitte beheimateter Akteur der Berliner Kulturszene ein neues Zuhause gefunden: Das Fotografie-Ausstellungshaus C/O Berlin musste das Postfuhramt verlassen und stellt fortan im ehemaligen Amerika Haus aus. Ein größerer Bruch wäre architektonisch kaum möglich gewesen. Und wäre man nicht wegen auslaufender Mietverträge gezwungen gewesen, man hätte diesen Schritt vielleicht nicht gewagt.
Das ehemalige Postfuhramt, in dem die Fotogalerie im Jahr 2000 ihren Anfang nahm und das sie seit 2006 gemietet hatte, war ein unverwechselbarer Ort mit Jahrzehnte dicker Patina an den Wänden. Statt eines für Ausstellungen konzipierten Raumkonzeptes, reihten sich dort unterschiedlichste unsanierte Räume aneinander. Einzig die Turnhalle im Obergeschoss war in ihren Dimensionen den großformatigen Ausstellungen angemessen. Aber gerade die ungewöhnlichen Gegebenheiten in dem Eckhaus am Schnittpunkt von Tucholskystraße und Oranienburgerstraße ließen diesen Ort neben der gezeigten Kunst einzigartig wirken.
Mit dem Verkauf des Postfuhramts lief 2013 der Mietvertrag für die Galerie aus. Nachdem das Vorhaben, in die Atelierhäuser am Monbijou Park gegenüber zu ziehen, geplatzt war, überraschte – vermutlich jeden – die Bekanntgabe des neuen Standorts: das Amerika Haus in Berlin-Charlottenburg.
Von einem einzigen Besuch vor Jahren ist ein nüchterner Eindruck geblieben: Dünne, abgelaufene Teppiche, kahle Wände, tief abgehängte Decken, Linoleum mit Noppen, Einbauten aus Trockenbauwänden – nicht unbedingt die Attribute einer Galerie. Eingeengt zwischen hohen Häusern, einem Parkhaus, einem Hotel und Hostel, die es fast zu verdrängen drohen, steht es an der Hardenbergstraße. Auch wenn es damals im Straßenbild kaum auffiel, war das Amerika Haus seit seiner Eröffnung doch ein lebendiger Ort.
Ende der fünfziger Jahre entstand es als eine kulturelle Begegnungsstätte der USA, finanziert mit Geldern aus dem Marshall Plan. Im Rahmen der Interbau wurde das Gebäude nach Plänen von SOM durch den Berliner Architekten Bruno Grimmek weiterentwickelt und 1956 fertiggestellt. Das Informations- und Veranstaltungszentrum mit Ausstellungsräumen, Kinosaal und Bibliothek für internationale Zeitungen und Zeitschriften war für jedermann zugänglich.
Neben dem geplanten Veranstaltungsangebot wurde das Haus in den Sechzigern – eher unfreiwillig – auch zu einem Ort für ungeplante Begegnungen. Unweit der TU Berlin und der HdK (heute UdK) und im Zentrum des geteilten Berlin wurde es zum Ziel von antiamerikanischen Demonstrationen und Protestveranstaltungen gegen den Vietnamkrieg. Davon zeugen auch heute noch verstärkte Glasscheiben, die in den Siebzigern während Sanierungsarbeiten eingebaut wurden. Mit diesen Umbaumaßnahmen wurde das Haus verschlossener, die Bibliothek wurde verkleinert und zugunsten einer Fachbibliothek für amerikakundliche Literatur aufgegeben, der Stil der Sechziger gegen den eingangs beschriebenen, für die siebziger Jahre typischen Ausbau eingetauscht. Mit der wachsenden Kritik an der amerikanischen Außenpolitik und mehreren Terroranschläge auf US-Botschaften in den Neunzigern verlor das Haus schließlichen seinen öffentlichen Charakter gänzlich; sein Kulturangebot wurde ab 1999 fast vollkommen eingestellt. Mit dem Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin zogen auch die diplomatischen Vertretungen vom Rhein an die Spree. Das Haus wurde zuletzt als Verwaltungsgebäude der Kulturabteilung der US-amerikanische Botschaft genutzt, bevor diese 2006 in ihr neues Gebäude am Pariser Platz zog.
Seitdem suchte das Land Berlin einen neuen Nutzer, bis mit dem Ausstellungshaus C/O Berlin ein neuer Abschnitt begann. Für die nächsten einundzwanzig Jahre mietet die mittlerweile als Stiftung agierende C/O Foundation von der Berliner Immobilienmanagement GmbH einen Teil des Gebäudes. In den anderen Teil zieht die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit ein.

Umzug ins Amerika Haus

Vor dem Einzug galt es, das Haus in kurzer Zeit entsprechend der neuen Anforderungen umzubauen. Die Instandsetzung der Gebäudehülle lag in der Verantwortung des Vermieters, der beauftragte für die denkmalgerechte Sanierung den Berliner Architekten Holger Sack. Für die Innenraumkonzeption lobte das C/O Berlin unter vier Architekturbüros einen Wettbewerb aus. Zum einen sollte die Transparenz des Hauses erhalten bleiben, zum anderen die größtmögliche Ausstellungsfläche realisiert werden, auf der zeitgleich mehrere Ausstellungen gezeigt werden können.
Das Kölner Büro Meyer Voggenreiter und Wolfgang Zeh überzeugten mit ihrer Idee, die öffentlichen Räume wie Foyer, Buchladen und Café an die zur Hardenbergstraße gerichtete Fassade zu legen. Das schmale, langgestreckte Café öffnet sich zur Straße, profitiert vom Tageslicht und vom Laufpublikum, schützt aber gleichzeitig die dahinterliegenden neuen Ausstellungsräume vor für Fotografien schädlichem Tageslicht. Die Wand, die beide Bereiche voneinander trennt, wurde neu eingezogen. In den Ausstellungsräumen sind die Fenster mit Folien verdunkelt. Davor stehen grau gestrichene Ausstellungswände.
Noch vor dem Ausbau begannen im August 2013 vorsichtige Abbruchmaßnahmen. Unter den Sanierungseinbauten aus den Siebzigern verbargen sich die Materialien aus der Bauzeit des Hauses: Solnhofener Plattenkalk, Beton-Rippendecken, gelber Klinker. Statt diese komplett zu ersetzen, entschied man sich, sie mit neuen, passenden Materialien zu ergänzen. Der einstige Charakter des Hauses sollte möglichst erhalten werden. Die neuen Böden sind aus poliertem Gussasphalt, die Holztüren haben Klinken aus den Sechzigern, im Obergeschoss wurde eine Leuchtenskulptur restauriert. Auch die neuen Möbel für Eingang, Buchladen und Café orientieren sich am Stil der Spätmoderne.
Eine der wichtigsten Neuerungen gegenüber den Bedingungen im Postfuhramt wurde hinter dem Ausbau versteckt: Eine hochwertige Elektrik und Klimatechnik ermöglicht einen modernen Museumsbetrieb. Werke, die wegen klimatechnischer Anforderungen im alten Ausstellungshaus nicht gezeigt werden konnten, lassen sich nun problemlos präsentieren. Die Ausstellungen sind als Parcour auf insgesamt 2300 Quadratmetern organisiert. Durch ein eigens entwickeltes, mobiles Wandsystem lassen sich die Flächen jeweils neu organisieren. Trotz der niedrigeren Deckenhöhe im Obergeschoss sind auch dort großzügige Räume entstanden.
Um das Gebäude auf den heutigen Sicherheitsstand zu bringen, wurde zwischen dem nach Süden auskragenden Saal und dem vorderen Teil eine Fluchttreppe eingebaut. Ein neuer Fahrstuhl erfüllt die Anforderungen für die Barrierefreiheit. Beide Elemente sind so unauffällig und harmonisch in das räumliche Konzept eingefügt, dass man sie nicht als neu wahrnimmt. Alle baulichen Maßnahmen im Innenraum wurden zusammen mit Kahlfeldt Architekten ausgeführt.
Der markanteste Eingriff, neben dem gelungenen neuen Raumgefüge und dem Ausbau, ist die Öffnung der Fassade zur Hardenbergstraße. Das Café kann im Sommer seine Tische auf den terrassierten Vorplatz stellen. Auch ohne Ausstellungsbesuch lädt das Haus zum Verweilen und Beobachten des urbanen Treibens am Zoo ein. Das C/O Berlin belebt nicht nur das Amerika Haus und die Westseite des Bahnhofs, es bietet wieder einen öffentlichen und kulturellen Platz in der City-West.



Fakten
Architekten mvprojekte mit Wolfgang Zeh, Köln; Kahlfeldt Architekten, Berlin
Adresse Hardenbergstraße 22-24, 10623 Berlin


aus Bauwelt 9.2015
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